06.09.2023

Der Geschäftsführer als Arbeitnehmer

„Erster Diener des Staates“, so sah Friedrich der Große den König. Der Geschäftsführer analog als erster Arbeitnehmer der Firma? Die verschiedenen Rechtskreise beurteilen das unterschiedlich, auch je nach Fremdgeschäftsführer oder jemand aus dem Gesellschafterkreis.

Geschäftsführer als Arbeitnehmer

Was sind Sie als Geschäftsführer einer GmbH: Arbeitgeber oder Arbeitnehmer? 

Beides und keins von beiden. Er ist einerseits mit ihr rechtlich in zweierlei Hinsicht verbunden: 

  • als ihr Organ 
  • als ihr Angestellter 

Andererseits hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich nicht als Arbeitnehmer anzusehen ist (BGH, Urteil vom 10.05.2010 – II ZR 70/09). Grund: er werde in der Regel auf Grundlage eines freien Dienstvertrages und gerade nicht eines Arbeitsvertrages tätig. Zwar steht demnach Ihrer Gesellschaft Ihrem Geschäftsführer gegenüber ein unternehmerisches Weisungsrecht zu. Für die Begründung einer Arbeitnehmereigenschaft hält der Hof dies aber nicht für ausreichend. Diese sei ein Ausnahmefall und liege nur vor, wenn eine weitaus größere persönliche Abhängigkeit wie eben bei einem Arbeitnehmer gegeben ist.  

Worum ging es in dem Fall? 

Um den Geschäftsführer einer GmbH, der bei ihr weiter angestellt bleiben und deswegen die vereinbarte Pension sicherstellen wollte. Er hatte seit 5. Mai 2004 einen Geschäftsführerdienstvertrag mit einer Schwestergesellschaft der GmbH. Diesen übernahm später die GmbH einvernehmlich auf unbestimmte Zeit, ergänzt durch die Pensionszusage an den Geschäftsführer. Die Bestimmungen des deutschen Kündigungsschutzrechtes für Angestellte sowie das Recht zur fristlosen Kündigung des Vertrages aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften sollten gelten.  

Es kam, wie es kommen musste: zu Unstimmigkeiten, und zwar über die Bestellung eines Mitgeschäftsführers. Die GmbH berief den Geschäftsführer ab und erklärte mit Schreiben vom 16. Februar 2006 die fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung des Anstellungsvertrages sowie der Pensionszusage bzw., widerrief sie die Pensionszusage. Am 25. Januar 2007 focht die GmbH den Geschäftsführerdienstvertrag und die Pensionszusage wegen arglistiger Täuschung an, kündigte erneut die Verträge fristlos, hilfsweise fristgerecht, und widerrief nochmals die Pensionszusage. Der GmbH-Geschäftsführer klagte daraufhin.  

Worauf verklagt er die GmbH? 

Auf Feststellung, dass die Erklärungen der beklagten GmbH von Februar 2006 und Januar 2007 weder das Anstellungsverhältnis noch die Pensionszusage aufgelöst hätten.  

Mit welchem Erfolg? 

Mit geteiltem. Das Landgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben und auf die Hilfswiderklage der Beklagten das Geschäftsführerdienstverhältnis zwischen den Parteien gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 175.000 Euro nebst Zinsen zum 31. März 2007 aufgelöst (§ 14 Abs. 2 Satz 2, § 9 Abs. 1 Satz 2 Kündigungsschutzgesetz, KSchG). Auf die Anschlussberufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Feststellungsbegehren abgewiesen und die Auflösungsentscheidung des Landgerichts aufgehoben. Der BGH wiederum gab dem Kläger Recht. Er hob das OLG-Urteil auf und verwies die Sache wieder zurück ans Landgericht. 

Mit welcher Begründung? 

Mit der, dass eine Beschränkung der ordentlichen Kündigung nach § 1 Abs. 1 und 2 KSchG in dem Geschäftsführerdienstvertrag nicht habe wirksam vereinbart werden können. Die Anwendung dieser Bestimmungen sei mit der ungestörten Funktion des Organverhältnisses des Klägers als Geschäftsführer und damit mit § 35 Abs. 1 GmbHG nicht zu vereinbaren. Die Rechtfertigung einer Betriebsbedingtheit der Kündigung sei wegen der freien Unternehmerentscheidung zur Abberufung ausgeschlossen. So ergäben sich auch die für eine verhaltensbedingte Kündigung bedeutsamen wesentlichen Verhaltenspflichten eines Geschäftsführers nicht aus dem Anstellungs-, sondern aus seinem Organverhältnis. Außerdem könnten die prozessrechtlichen Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes, insbesondere die in § 9 KSchG geregelte richterliche Vertragsauflösung, nicht auf vertraglicher Grundlage Anwendung finden.  

Die Parteien eines Geschäftsführerdienstvertrages seien überdies nicht gehindert, die entsprechende Geltung der materiellen Kündigungsschutzregelungen des § 1 KSchG vertraglich zu vereinbaren. Der Anstellungsvertrag des Geschäftsführers einer GmbH sei eine freier Dienstvertrag zur Geschäftsbesorgung durch Ausübung des Geschäftsführeramtes. Ein freier Dienstvertrag schließe aber nicht aus, dass die Parteien in ihrer privatautonomen Gestaltungsfreiheit entsprechende arbeitsrechtliche Normen vereinbaren und auf diese Weise deren Regelungsgehalt zum Vertragsinhalt machen.

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Das Anstellungsverhältnis sei gegenüber der Organstellung nachrangig. Deswegen dürften solche dienstvertraglichen Abreden nicht in die gesetzliche oder statutarische Ausgestaltung des Organverhältnisses eingreifen. Die zwingenden Anforderungen im Interesse der Funktionstüchtigkeit der Gesellschaft aus dem Organverhältnis begrenzten den vertraglichen Gestaltungsspielraum der Parteien. Entgegen der Auffassung des OLG werde diese Grenze privatautonomer Gestaltung durch die Vereinbarung über die entsprechende Geltung der materiellen Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes nicht überschritten. 

Der Wirksamkeit einer Vereinbarung über die entsprechende Geltung der materiellen Kündigungsschutzregelungen ständen Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes nicht entgegen. Bei der Bestimmung des § 1 KSchG handele es sich um einseitig zwingendes Recht. Von ihm könne nicht zum Nachteil der begünstigten Arbeitnehmer abgewichen werden. Eine Ausdehnung des Kündigungsschutzes auf vertraglicher Grundlage sei zulässig. Aus dem Kündigungsschutzgesetz ergäben sich deswegen keine Bedenken gegen die Wirksamkeit einer Vereinbarung, die auf eine entsprechende Anwendung des allgemeinen Kündigungsschutzes über dessen gesetzlich geregelten Geltungsbereich hinaus abzielt. 

Braucht es für einen Geschäftsführer einen Arbeitsvertrag? 

Nicht immer. Üblicherweise bekommt der im Handelsregister eingetragene Geschäftsführer aber zusätzlich einen Arbeitsvertrag, weil er Arbeitsleistung für die GmbH erbringen soll. Aber im Arbeitsrecht gelten Besonderheiten. Auch wenn der Vertrag mit den Gesellschafter-Geschäftsführern häufig als Arbeitsvertrag bezeichnet wird, handelt es sich arbeitsrechtlich häufig um einen Dienstvertrag nach §§ 611 ff. BGB oder bei unentgeltlichen Verträgen um ein Auftragsverhältnis (§ 662 BGB). Lohnsteuerlich werden dagegen alle Geschäftsführer als Arbeitnehmer behandelt. 

Wer schließt den Arbeitsvertrag mit dem Geschäftsführer der GmbH? 

Die Gesellschafterversammlung als ihr höchstes Organ. Sie: 

  • bestellt ihn als Organ der GmbH,  
  • sie entlässt ihn  
  • sie schließt mit ihm den Arbeitsvertrag und seine Änderungen  
  • sie beruft ihn gegebenenfalls, soweit nicht anders bestimmt, mit Mehrheitsbeschluss (§ 46 Nr. 5 GmbH-Gesetz, GmbHG) ab.  
  • In ihr sind die Eigentümer versammelt.  

Gilt für den Geschäftsführer der Schutz für Arbeitnehmer? 

  • Fremdgeschäftsführer ja, viele Arbeitsgesetze, die wie z.B. der Kündigungsschutz Arbeitnehmer schützen, gelten für sie fast unbeschränkt. 
  • Anders Gesellschafter-Geschäftsführer: sie sind normalerweise von diesen Schutzgesetzen ausgenommen. Je höher die Beteiligung an der GmbH, desto ähnlicher werden Gesellschafter-Geschäftsführer wie ein selbstständiger Unternehmer behandelt. So gelten zum Beispiel: 
  • nach § 14 Kündigungsschutzgesetz die Vorschriften zum Kündigungsschutz nicht für Mitglieder von Organen juristischer Personen, wie eben z.B. die GmbH.
  • nach § 18 Arbeitsschutzgesetz Arbeitszeitschutzregeln nicht für leitende Angestellte.
  • Weitere, in der praktischen Lohnabrechnung weniger bedeutende Besonderheiten gibt es beispielsweise bei Entgeltfortzahlung, Urlaubsanspruch, betrieblichen Altersversorgung.

Auf welche Regelungen im Arbeitsvertrag sollten Sie als GmbH nicht verzichten? 

Zunächst seine Pflichten bei der Bestellung als Organ der Gesellschaft, wie z.B. seine Zuständigkeit für:  

  • Anmeldungen zum Handelsregister,  
  • ordnungsgemäße Buchführung,
  • Erstellung der Jahresabschlüsse. 

Der Geschäftsführer kann gegenüber der Gesellschaft als auch gegenüber den Gesellschaftern haften, wenn er seine Pflichten verletzt.  

Als nächstes weitere Aspekte des Innenverhältnisses zwischen Geschäftsführer und Ihnen als GmbH geregelt. Mindestens die folgenden Punkte sollten Sie schriftlich festhalten, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden: 

  1. Aufgaben und Pflichten
  2.  Vertretungsumfang nach außen, insbesondere Katalog von Geschäften, bei denen die Gesellschafterversammlung zustimmen muss
  3. Arbeitszeit und Urlaubsanspruch
  4. erste Tätigkeitsstätte (Hauptarbeitsplatz), Homeoffice- Möglichkeiten
  5. zulässige bzw. genehmigungspflichtige Nebentätigkeiten
  6. Vergütung 
  7. Vergütungsfortzahlung in bestimmten Situationen (z.B. Krankheit) 
  8. betriebliche Altersvorsorge und Sachbezüge (z.B. Firmenfahrzeug) 
  9. Abschluss einer D&O-Versicherung (wenn gewünscht) 
  10. Regelungen zu Reisetätigkeiten, Spesen und Aufwandsersatz 
  11. Verschwiegenheitsverpflichtung 
  12. Vertragsdauer 
  13. Kündigungsregelungen (Kopplung an die Geschäftsführerbestellung) 
  14. Rückgabepflicht von Unterlagen bei Kündigung 
  15. Umgang mit Diensterfindungen und deren Vergütung 
  16. Wettbewerbsverbot

Kann Ihr Geschäftsführer bei Ihnen als GmbH kündigen? 

Grundsätzlich ja, er kann sein Amt niederlegen:  

  • jederzeit  
  • ohne Angabe eines wichtigen Grundes,  
  • nicht zweckwidrig beispielsweise zu einem für die Gesellschaft unzumutbaren Zeitpunkt einer bevorstehenden Insolvenz.  
  • nicht, wenn das besonders schwerwiegend wäre und es z.B. zur Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen würde
  • gemäß den Kündigungsfristen § 621 BGB  

Können Sie als GmbH Ihren Geschäftsführer kündigen? 

Ja, wieder in zweierlei Hinsicht: 

  • als Kündigung  
  • als Widerruf der Organstellung, d.h. seiner Abberufung mit der Folge, dass seine Geschäftsführungsbefugnisse und seine Vertretungsmacht erlöschen, der Anstellungsvertrag aber fortbesteht. In der Regel gilt die Kündigung als Widerruf der Organstellung. 

Beendigung des Anstellungsverhältnisses und Abberufung als Geschäftsführer gekoppelt nennt der BGH Koppelungsklausel (Urteil vom 29.05.1989, II ZR 220/88). Wenn Sie als GmbH die Kündigungsregelungen mit der Koppelungsklausel verknüpfen, genügen Sie aufgrund verständlicher und klarer Formulierung nach § 307 BGB. Ohne eine solche Verknüpfung könnte eine Koppelungsklausel ansonsten Fehlvorstellungen über den Bestand des Anstellungsvertrages erzeugen. 

Autor*in: Franz Höllriegel