03.01.2019

Das sollten Unternehmer zum Mindestlohn wissen!

Mindestlohn gibt es nach Leistung der Arbeit. Vor Urlaubsantritt gezahltes Urlaubsgeld zählt nicht dazu: es wird ja vorab und nicht für Arbeit gezahlt. Nicht immer ist es so logisch. Arbeitgeber sollten hier genau hinschauen.

Mindestlohn

Logik bei der Festlegung des Mindestlohns

Die Logik bei der Berechnung, was Mindestlohn ist und was nicht, ist nicht leicht auf Anhieb zu begreifen. Seit 2017 gilt ein Mindestlohn von 8,84 Euro pro Stunde geleisteter Arbeit. Alle zwei Jahre wird eine Anhebung festgelegt. Ab 2019 beträgt der Mindestlohn 9,19 Euro. Die zuständige Kommission hat einen Erhöhungsbetrag von 42 Cent ab 1. Januar 2019 und ein Jahr später nochmals um 16 Cent festgelegt. Jetzt fragt man sich: 8,84 plus 0,42 gleich 9,19 Euro? Wie das?

Des Rätsels Lösung: Hier gilt nicht der Aufschlag von 0,42 Cent auf den derzeit gültigen Mindestlohnbetrag. Vielmehr orientiert sich die zuständige Mindestlohn-Kommission bei der Festlegung des Mindestlohns am Tarifindex des Statistischen Bundesamts. Sie muss das. Nur wenn gravierende Gründe wie ein Einbruch des Wirtschaftswachstums oder zunehmende Erwerbslosenzahlen vorliegen, kann sie eine Erhöhung des Mindestlohns unter der allgemeinen Tariflohnentwicklung bestimmen.

Solche Gründe liegen aber derzeit nicht vor. Und selbst wenn, wäre immer noch eine Zweidrittelmehrheit der Kommission nötig, um vom Tarifindex abzuweichen. Die Statistiker errechneten aus rund 700 Tarifverträgen in Deutschland zu Jahresbeginn einen Anstieg der Tariflöhne in den vergangenen zwei Jahren um durchschnittlich 4,8 Prozent.

Wie errechnet sich der statistische Mindestlohn?

In der aktuellen Berechnung haben die Statistiker nicht 8,84, sondern einen statistischen Mindestlohn von 8,77 Euro zugrunde gelegt. Und daraus ergibt sich ein Plus von 4,8 Prozent oder 42 Cent auf 9,19 Euro. Angesichts der guten wirtschaftlichen Lage schlug die Mindestlohn-Kommission zudem vor, den Mindestlohn 2020 noch einmal um 16 Cent auf 9,35 Euro anzuheben.

Das letzte Wort hierzu hat die Bundesregierung. Sie muss die künftige Höhe des Mindestlohns durch Verordnung umsetzen. Beobachter gehen davon aus, dass die Bundesregierung dieser Empfehlung folgen wird.

Wie aber kommt die Kommission nun auf den statistischen Mindestlohn von 8,77 Euro? In seine Berechnung fließt eine Reihe von Überlegungen und Informationen ein. So entfiel nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2017:

  • gut die Hälfte der Jobs mit Mindestlohn auf geringfügig entlohnte Beschäftigungsverhältnisse, sogenannte Minijobs (0,7 Millionen),
  • auf Teilzeit 0,4 Millionen Jobs,
  • auf Vollzeit 0,2 Millionen.

In Ostdeutschland betraf demnach der Mindestlohn insgesamt 0,3 Millionen Jobs. Das entsprach sechs Prozent aller ostdeutschen Beschäftigungsverhältnisse. In Westdeutschland wurden drei Prozent der Jobs mit dem Mindestlohn vergütet (1,1 Millionen). Viele Arbeitgeber hatten zudem auf die Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 mit einer Kürzung der bezahlten Arbeitszeit reagiert. Damals reduzierten sie die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten mit Mindestlohn von 40 Stunden um knapp 10 Prozent auf 36 Stunden.

Nach der Erhöhung des Mindestlohns auf 8,84 Euro brutto je Arbeitsstunde setzte sich diese Entwicklung abgeschwächt fort. Im April 2017 sank die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten mit Mindestlohn leicht von 36 auf 35 Stunden. Bei Jobs in Teilzeit sowie bei Minijobs mit Mindestlohn blieben die Arbeitsstunden nahezu konstant.

Aufgrund von Angaben zur Verdiensterhebung 2017 durch die Statistischen Ämter von Bund und Ländern sowie auf freiwilliger Basis von rund 8.000 repräsentativ ausgewählten Betrieben wurden durchschnittliche Bruttostundenlöhne für jeden Beschäftigten berechnet und mit dem geltenden Mindestlohn verglichen. Es kamen Angaben von knapp 30.000 Beschäftigungsverhältnissen aus anderen Quellen hinzu, zum Beispiel aus der Personalstandstatistik zu Beschäftigten des öffentlichen Dienstes.

Wie ist sichergestellt, dass Arbeitnehmer den Mindestlohn erhalten?

So wie die Kommission sich an bestimmte Regeln halten muss, was der Berechnung des Mindestlohnes zugrunde zu legen ist, so müssen auch Unternehmen sich an bestimmte Regeln bei der Berechnung dessen halten, was zum Mindestlohn gehört und was nicht. Immer wieder hat sich das Bundesarbeitsgericht mit der Frage zu beschäftigen, welche Gehaltsbestandteile auf den Mindestlohn angerechnet werden können. So viel vorweg: Nicht alle Gehaltsbestandteile in einer Lohnabrechnung sind auf den Mindestlohn anrechenbar. Nicht mit allen Bestandteilen erfüllen Arbeitgeber also ihre Pflicht zur Einhaltung der Mindestlohngrenze.

Nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden z. B. Reisekosten des Arbeitnehmers. Ein Stundenlohn von 7,00 Euro zuzüglich 1,90 Euro für Fahrtkosten für tatsächliche Auslagen des Arbeitnehmers wäre daher unzulässig. Grund: Den Stundenlohn von sieben Euro zahlt der Arbeitgeber für geleistete Arbeit des Arbeitnehmers, die 1,90 Euro nicht für von ihm geleistete Arbeit, sondern für Fahrtkosten.

Wie hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) lehnt sich an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs an. Danach sind alle zwingend und transparent geregelten Gegenleistungen des Arbeitgebers für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers mindestlohnwirksam. Dieser Grundsatz zieht sich wie ein roter Faden durch die Entscheidungen, wie z.B. bei:

  • Anwesenheitsprämie (tagesabhängig) mindestlohnwirksam, BAG, 11.10.2017, Az.: 5 AZR 621/16
  • „Immerda-Prämie“ (bei Nichtkrankschreibung im Lohnzahlungszeitraum) mindestlohnwirksam, BAG, 08.11.2017, Az.: 5 AZR 692/16
  • Prämie für Ordnung und Sauberkeit mindestlohnwirksam, BAG, 08.11.2017, Az.: 5 AZR 692/16
  • Leergutprämie (honoriert ordnungsgemäße Abwicklung der Leergutrücknahme) mindestlohnwirksam, BAG, 08.11.2017, Az.: 5 AZR 692/16
  • Nähprämie (für zusätzliche Näharbeiten) mindestlohnwirksam, BAG, 06.09.2017, Az.: 5 AZR 441/16
  • Treueprämie mindestlohnwirksam, BAG, 22.03.2017, Az.: 5 AZR 192/16

Die Rechtsprechung zeigt sich damit recht arbeitgeberfreundlich. Für sie gilt der Grundsatz: Zahlt der Arbeitgeber für Arbeitsleistung, erfüllt er den Mindestlohnanspruch.

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Wie bedeutet „fiktiver Sozialversicherungsanteil“ oder „Phantomlohn“?

Versicherungspflicht und Höhe des Sozialversicherungsbeitrags richten sich nicht allein nach dem vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlten Entgelt. Vielmehr ist nach dem Entstehungsprinzip der Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt entscheidend.

Zahlt der Arbeitgeber ein niedrigeres Entgelt als der eigentliche Anspruch des Arbeitnehmers, spricht man deshalb vom Phantom- oder Fiktivlohn. Hierbei erfolgt keine Auszahlung an den Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber schuldet die Sozialversicherungsbeiträge aber aus dem Phantomlohn. Stellt die Sozialversicherung bei ihrer Prüfung Phantomlohn fest, steht den Sozialversicherungsträgern ein Nachzahlungsanspruch bis zur jeweiligen Verjährungsgrenze zu.

Für die Frage, ob und in welcher Höhe Phantomlohn vorliegt und damit Nachzahlungsansprüche der Sozialversicherungsträger bestehen, ist demnach entscheidend, welche Ansprüche auf Arbeitsentgelt dem Arbeitnehmer zwingend zustehen. Da jede Vereinbarung, die den gesetzlichen Mindestlohn unterschreitet oder seine Geltendmachung verhindert, insoweit unwirksam und auch ein Verzicht für die Zukunft unzulässig ist, liegt beitragsrechtlich Phantomlohn vor, wenn der Arbeitgeber den zwingenden Mindestlohn nicht erfüllt.

Auf den Unterschied zwischen dem gesetzlichen Mindestlohn und dem tatsächlich gezahlten, niedrigeren Entgelt können Sozialversicherungsbeiträge nacherhoben werden. Das gilt auch für die Mindestlöhne nach dem Arbeitnehmerentgeltgesetz (AentG) und dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) in den alten Mindestlohnbranchen wie Pflege oder Gebäudereinigung. Auch von diesen Mindestlöhnen kann, so die Steuerberaterorganisation Datev, nicht wirksam abgewichen werden. Deswegen führen Zahlungen des Arbeitgebers unterhalb der Branchenmindestlöhne zu Phantomlohn.

Beispiel: Nachzahlung an die Rentenversicherung

Zwischen Arbeitgeber B und der Aushilfe A wurde im schriftlichen Arbeitsvertrag aus 2013 eine wöchentliche Arbeitszeit von 17 Stunden und eine Vergütung in Höhe von 7,50 Euro brutto vereinbart. Auch ab dem Kalenderjahr 2015 rechnet der Arbeitgeber lediglich 7,50 Euro brutto je Stunde ab. Die Vereinbarung zwischen den Parteien über einen Stundenlohn von 7,50 Euro brutto war seit 01.01.2015 unwirksam. Dem Arbeitnehmer stand auf Grundlage des MiLoG ein Vergütungsanspruch in Höhe von mindestens 8,50 Euro bzw. 8,84 Euro brutto je geleisteter Arbeitsstunde zu.

In einer Prüfung stellte der Rentenversicherungsträger Ende 2017 den Sachverhalt fest. Dabei erfuhr er, dass A monatlich jeweils zehn unbezahlte Überstunden geleistet hat. Die Rentenversicherung fordert deshalb Beiträge in Höhe von knapp 2.500 Euro sowie Säumniszuschläge und Zinsen nach. Der Unterschiedsbetrag in Höhe von einem bzw. 1,34 Euro seit Januar 2017 sowie die Vergütung für die geleisteten Überstunden in Höhe von jeweils 8,50 Euro bzw. 8,84 Euro stellen Phantomlohn dar, auf den Beiträge zur Rentenversicherung bis zu einer Verjährungsgrenze von vier Jahren nachgefordert werden dürfen.

Autor*in: Franz Höllriegel