Prozessverbesserung – Six Sigma auf neuen Wegen
Methoden zur Prozessverbesserung wie Six Sigma und Lean Management sind schon seit vielen Jahrzehnten im Einsatz. Und sie sind immer noch aktuell, da aufgrund steigender Komplexität mehr denn je Verbesserungspotenzial in unseren Prozessen wahrgenommen wird. Aber was ist eigentlich anders geworden in Zeiten von Industrie 4.0, Big Data, IoT, KI etc.? Unter anderem damit beschäftigt sich der European Six Sigma Club, zuletzt auf der jährlichen Fachkonferenz im März.
Die Ursprünge von Six Sigma und DMAIC
Six Sigma entstand in einer Zeit, als Statistiksoftware auch für Nichtstatistiker zugänglich wurde. DMAIC ist eine datengetriebene Verbesserungsmethodik, die Entscheidungen auf Grundlage von Daten statt Bauchgefühl ermöglicht. Der aktuelle Trend hin zu modernen und umfangreichen Data-Analytics-Methoden ist daher besonders relevant für die Weiterentwicklung von Six Sigma.
Passt Data Analytics nicht besser zu Six Sigma?
Man hört oft, dass selbst einfache Mobiltelefone heutzutage leistungsfähiger sind als die ersten „Supercomputer“ aus der Anfangszeit der elektronischen Datenverarbeitung. Dies macht es zunehmend interessant und möglich, die immer größer werdenden Datenmengen im Unternehmenskontext zu nutzen. Es liegt daher nahe, sich als Six-Sigma-Experte intensiver mit der faszinierenden Welt der „Data Analytics“ zu beschäftigen.
Was ist wichtig bei Data Analytics?
Steigt man in die Praxis ein, ist oft die mangelnde Datenqualität eine große Hürde, die überwunden werden muss, um aus den Daten sinnvolle Erkenntnisse zu gewinnen. Was sollte man sonst noch beachten, wenn man in großem Stil in die Welt der Data Analytics eintauchen möchte? Hier einige kritische Erfolgsfaktoren:
Die Fragestellung definieren
Welche Erkenntnisse möchte ich aus meinen Daten gewinnen? Eine präzise Zielsetzung ist notwendig, um die Analyse gezielt auszurichten. Ohne eine klare Fragestellung läuft man Gefahr, sich in der „Happy Data Analytics“-Falle zu verlieren – also Daten nur zum Zweck der Analyse zu untersuchen, ohne einen echten Nutzen daraus zu ziehen. Dabei kann es auch hilfreich sein, sich über die verschiedenen Ebenen der Data Analytics klar zu werden und zu definieren, welche Art der Datenanalyse erfolgen soll, auf welcher Ebene man sich bewegt (siehe Abbildung 1).
Die Datenqualität bewerten und verbessern
Die Datenqualität ist selten sofort ausreichend gut. Oft gibt es mehrere Datenquellen, aus denen die Daten stammen, die aufbereitet und zusammengeführt werden müssen. Durch umfangreiche Plausibilitätsprüfungen können Sie sicherstellen, dass Sie mit vertrauenswürdigen Daten arbeiten. Wenn Probleme mit den Daten nicht behoben werden, können Analysen schnell in die falsche Richtung führen und für erhebliche Verwirrung sorgen.
Die Analysemethoden abwägen
Es muss nicht immer gleich ein neuronales Netz sein. Verschaffen Sie sich einen Überblick über die verfügbaren Methoden, deren Anwendungsgebiete und alternative Auswertungsansätze. Oftmals führen schon traditionelle Methoden wie die multiple Regression oder eine geschickte grafische Darstellung zum Ziel. Denken Sie an die bekannte Regel: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.
Geeignete Ausbildung fördern
Zudem ist es wichtig, die Analysekompetenz im eigenen Unternehmen aufzubauen. Gezielte Schulungen für ausgewählte Personen sind hier der Schlüssel zum Erfolg. In einem Arbeitskreis des European Six Sigma Clubs wurde eine Richtlinie zur Ergänzung des Wissens von Six Sigma Belts um die Komponenten der Data Analytics entwickelt.
Abbildung 2 zeigt eine Zusammenfassung der Ergebnisse. Diese Übersicht bietet eine gute Orientierung, wenn Sie Six-Sigma-Experten im Bereich Data Analytics weiterbilden wollen.
Schlussfolgerungen ziehen und bewerten
Ziehen Sie Ihre Schlussfolgerungen immer mit dem größtmöglichen gesunden Menschenverstand. Es ist unerlässlich, dabei auch die „Prozesskenner“ einzubeziehen. Wenn Sie Ihre Schlussfolgerungen nur im Kreis der Datenanalyse-Spezialisten ziehen, ohne die Einbindung derjenigen, die die Prozesse seit Jahren kennen, ist eine fehlerhafte Interpretation der Ergebnisse fast unvermeidbar. Ein häufig anzutreffendes Problem ist, dass man ohne die Beteiligung der Prozessexperten viele „Erkenntnisse“ aus den Daten gewinnt, die sich am Ende als Banalitäten herausstellen.
Agiles Six Sigma
Aber Data Analytics ist nicht die einzige neue Perspektive im Six-Sigma-Umfeld. Auch die Agilität hat Einzug gehalten in die Prozessverbesserung.
Viele Anwender und Praktiker beschäftigen sich mit Ansätzen, wie agile Methoden mit dem DMAIC-Phasenmodell aus der Sigma-Welt verbunden werden können. Oder man stellt sich die Frage, wie agiles Lean Management funktionieren kann.
Wie bei allen Neuerungen ist es auch hier wichtig und richtig, gut zu überlegen, was uns wirklich voranbringt und was möglicherweise nur ein Hype ist, der aber keine echten Vorteile bietet. Es empfiehlt sich, im Zweifel eher vorsichtig zu sein, um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, jede neu verfügbare Sau auch sofort durchs Dorf treiben zu wollen.
Methoden zur Prozessverbesserung vernetzen
Auch an anderer Stelle hat sich die Welt der Prozessoptimierung weiterentwickelt. Die Zeiten der Grabenkämpfe sind vorbei. Hat man vor wenigen Jahren noch darüber diskutiert, ob jetzt eine Prozessverbesserung aufgrund von Six Sigma oder Lean Management erreicht wurde oder ob doch TPM oder PDCA zum Ziel geführt hat, hat sich heute die Erkenntnis durchgesetzt, dass es jeden Prozess nur einmal gibt und man ihn nur einmal optimieren kann. Die dabei verwendete Methode ist eigentlich zweitrangig, so lange am Ende ein für die Organisation verbessertes Ergebnis zu sehen ist.
Es gibt auch Kontinuität
Man kann aber auch festhalten, dass nicht alles im Wandel ist in der Prozessverbesserung. Ein wichtiger Punkt bleibt nach wie vor das Stakeholder Management. Der „Faktor Mensch“ ist immer noch das Entscheidende. Wer die Menschen nicht mitnimmt, wird keinen Erfolg bei der Prozessverbesserung haben, denn Akzeptanz ist das A und O. Projekte scheitern nicht daran, dass z. B. statistische Methoden nicht funktionieren. Sie scheitern daran, dass Menschen nicht können, wollen oder dürfen.
Kritische Erfolgsfaktoren – seit jeher wichtig
Es gibt auch eine gewisse Kontinuität bei anderen kritischen Erfolgsfaktoren.
- Management Support: Das Management muss wollen und Unterstützung zur Verfügung stellen. Dabei muss klar sein: „Es gibt nichts umsonst“. Wer Six Sigma will, muss investieren: Zeit, Geld, Ressourcen …
- „Walk the Talk“: Unsere Mitarbeiter haben ein feines Gespür für Führungskräfte, die reden, aber nicht entsprechend handeln. Mit einem solchen Verhalten kann man jeden Managementansatz ganz schnell verbrennen.
- Gute Schulungen: Ein Angebot „Black Belt in fünf Tagen“ mag verlockend sein, aber natürlich ist es nicht realistisch, sich das umfangreiche Wissen in so kurzer Zeit anzueignen. Wer zu Beginn nicht zahlen möchte, zahlt vermutlich später. Machen Sie es darum lieber gleich richtig.
- Projektsupport: Schulung und Training sind nicht alles. Projekte müssen sinnvoll und umfangreich begleitet werden.
- DMAIC: Es sollte so einfach sein, sich an dieses Phasenmodell zu halten, aber immer wieder sieht man doch die Abkürzung: „Define – Improve“. Es war schon immer so, es wird vermutlich immer so sein: Es ergibt sehr viel Sinn, ein Projekt in den fünf Phasen D-M-A-I-C zu bearbeiten.
Six Sigma Club
Möchten Sie mitdiskutieren und die Zukunft mitgestalten? Der Six Sigma Club freut sich immer über neue Gesichter bei Vorträgen, Konferenzen und in den Arbeitsgruppen. Ganz aktuell wird z. B. diskutiert, wie sich KI sinnvoll in die Prozessoptimierung integrieren lässt. Details finden Sie unter www.sixsigmaclub.de