14.06.2021

Nichtkonformität: Marktüberwachung, Meldepflicht, Korrekturmaßnahmen

Unsere Maschine: „gefährlich“ im Internet? Kann das sein? Ja, das kann sein. An die Rückrufe der Automobilhersteller haben wir uns inzwischen gewöhnt. Ab und zu bekommen wir vielleicht noch mit, dass Kindermöbel oder Kinderspielzeug zurückgerufen wird. Aber Maschinen? Gibt es das bei Maschinen überhaupt? – Aber ja! Auch Maschinen werden zurückgerufen.

Die Europäische Union

Was kann passieren?

Grundsätzlich darf ein Hersteller nur sichere Produkte auf dem Markt bereitstellen. Das gilt auch für Maschinen. So weit, so gut.

Ein weises russisches Sprichwort sagt: „Vertraue, aber prüfe nach.“ Das tut die EU. Sie legt viel Eigenverantwortung in die Hände der Hersteller. Weil dieses Vertrauen jedoch auch missbraucht wird, verfügt die EU auch über ein gesetzlich geregeltes Kontrollsystem. Gelebt wird dieses Kontrollsystem durch die Marktüberwachungen in den Mitgliedstaaten der EU.

Die Marktüberwachung ist mit einer ganzen Reihe von Pflichten und Rechten ausgestattet. Der Rückruf ist deshalb nur eine von mehreren Korrekturmaßnahmen, die einen Hersteller treffen können.

Doch damit nicht genug: Das Gesetz schreibt vor, dass Maßnahmen der Marktüberwachung auch der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden müssen. Die Marktüberwachung musste den Sachverhalt deshalb der BAuA melden. Und die BAuA hat den Sachverhalt in ihrer Produktsicherheitsdatenbank pflichtgemäß öffentlich mitgeteilt. Nachlesbar für jedermann!

Fakt ist, dass dieses Schicksal jeden Hersteller treffen kann, wenn er Grundregeln für die Bereitstellung eines Produkts im Markt missachtet. Welche Grundregeln sind das?

Info

  1. Ein Hersteller muss alle für sein Produkt relevanten gesetzlichen und normativen Anforderungen bereits bei der Herstellung des Produkts kennen und umsetzen.
  2. Ein Hersteller muss alle für sein Produkt relevanten gesetzlichen und normativen Anforderungen über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg auf Änderungen hin beobachten.
  3. Ein Hersteller muss alle für sein Produkt relevanten Änderungen bei den gesetzlichen und normativen Anforderungen konsequent und zeitnah umsetzen.
  4. Ein Hersteller muss sein Produkt im Markt beobachten.
  5. Ein Hersteller muss ein Handlungsszenario für den Fall entwickeln, dass sein Produkt im Markt sicherheitstechnisch auffällig wird.

Was darf die Marktüberwachung: gesetzliche Grundlagen

„Wo steht das?“, fragen Sie vielleicht. „Wo steht das, dass wir eine Maschine zurückrufen müssen?“ – Die Antwort gleicht einem kleinen Puzzle, weil unterschiedliche rechtliche Aspekte zusammenwirken.

Hersteller dürfen nur sichere Produkte auf dem Markt bereitstellen. Dafür sorgen europäische Harmonisierungsrechtsvorschriften wie die Maschinenrichtlinie, die Niederspannungsrichtlinie, die Druckgeräterichtlinie usw. So weit, so gut.

Damit Hersteller diese Vorschriften auch wirklich einhalten, hat die EU ein Kontrollsystem entwickelt. Dieses Kontrollsystem ist historisch gewachsen. Jede neue Harmonisierungsrechtsvorschrift enthielt auch Kontrollvorschriften – die untereinander allerdings nicht abgestimmt wurden. Mit dem neuen Rechtsrahmen („New Legislative Framework“) macht die EU diesem Flickenteppich nach und nach ein Ende.

Die Verordnung Nr. 765/2008 über die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten schafft einen verbindlichen Rechtsrahmen für eine gemeinschaftliche Marktüberwachung. Ein zweiter wichtiger europäischer Baustein ist der Beschluss (EG) Nr. 768/2008 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten. Beide Bausteine wirken auf ihre Weise in die nationale Gesetzgebung hinein.

Die Meldewege und Kommunikationsplattformen der Marktüberwachung

Verschiedene europäische Gesetze bilden die rechtliche Grundlage für Instrumente des Informationsaustauschs und für die Zusammenarbeit zwischen den Marktüberwachungsbehörden in Mitgliedstaaten der EU.

Hierzu gehören u.a.:

  • das Schnellinformationssystem RAPEX – ein Warnsystem, das den schnellen Austausch von Informationen zwischen den EU-Ländern und der Kommission ermöglicht

  • das Informations- und Kommunikationssystem für die Marktüberwachung ICSMS – das System für den Informationsaustausch, das bewährte Praktiken, Ergebnisse gemeinsamer Aktionen, Einzelheiten zu nicht konformen Produkten und Informationen über nationale Marktüberwachungsprogramme enthält

„Prevention is better than cure“

„Prevention is better than cure“ sagt ein englisches Sprichwort. Denn wenn das Kind erst einmal in den Brunnen gefallen ist, wird es schwer (und teuer), es wieder herauszuholen.

Wie also kann man so vorsorgen, dass Korrekturmaßnahmen möglichst erst gar nicht nötig werden? Oder wie kann man – wenn der Gau dennoch eintreten sollte – die Folgen finanzieller und sonstiger Natur so gering wie möglich halten?

So banal es klingen mag:

  • so sicher und fehlerlos wie möglich produzieren
  • Vertriebswege überwachen
  • Produkte so ausgiebig wie möglich testen, auch von externen Spezialisten
  • Produkte stets mit den Augen des Verwenders betrachten; den Verwender niemals überschätzen
  • Fortschritt von Wissenschaft und Technik aktiv verfolgen
  • aktive Marktbeobachtung betreiben
    (Beschwerden auswerten, Stichproben nehmen, Servicemitarbeiter befragen, Serviceeinsätze und Ersatzteilbestellungen überwachen und auswerten, Konkurrenz beobachten, Fachzeitschriften lesen, einschlägige Messen besuchen usw.)

Und wenn alle Stricke reißen, dann hilft vielleicht eine gute Versicherung.
Hersteller- und Handelsbetriebe können u.a. das Produkthaftpflichtrisiko und das Rückrufkostenrisiko versichern.

Fazit

Setzen Sie auf „Full Compliance“: Stellen Sie nur sichere Maschinen auf dem Markt bereit! Kennen Sie alle relevanten gesetzlichen und normativen Anforderungen für die Herstellung Ihrer Maschinen und setzen Sie diese konsequent um. Kommen Sie Ihrer Produktbeobachtungspflicht konsequent und nachprüfbar nach.

Entwickeln Sie ein Handlungsszenario für den Fall, dass eine Ihrer Maschinen oder Anlagen im Markt sicherheitstechnisch auffällig wird und Sie Korrekturmaßnahmen ergreifen müssen.

Gehen Sie kein Risiko ein! Schützen Sie Leib und Leben der Verwender Ihrer Maschinen, den guten Ruf Ihres Unternehmens und gehen Sie keine Haftungsrisiken ein.

Welche Regeln gelten für die Bereitstellung eines Produktes auf dem Markt? Erfahren Sie mehr dazu in unserem „Praxismodul Maschinenverordnung“.

Autor*in: Elisabeth Wirthmüller (ce konform GmbH. Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Technische Dokumentation.)