07.08.2019

Neuer Leitfaden zur Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG

Der aktuelle Leitfaden zur Maschinenrichtlinie 2006/42/EG wurde als Version 2.1 im Juli 2017 von der EU-Kommission veröffentlicht – allerdings nur in englischer Sprache. Nun liegt nach fast zweijähriger Wartezeit eine deutsche Übersetzung des aktuellen Leitfadens vor und wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) veröffentlicht.

Die Europäische Union

Diese Übersetzung ist nicht nur vom BMAS geprüft, sondern auch von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und außerdem abgestimmt mit dem österreichischen Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) und dem schweizerischen Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO).

Der neue Leitfaden für die Maschinenrichtlinie Auflage 2.1 im Überblick

Bezeichnung Leitfaden für die Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG Auflage 2.1 – Juli 2017 (Aktualisierung der 2. Auflage)
Veröffentlichung Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)
Datum der Veröffentlichung Mai 2019
Sprache Deutsch
Zielsetzung Ziel des Leitfadens ist es, Erklärungen zu den Konzepten und Anforderungen der Richtlinie 2006/42/EG zu geben, um eine einheitliche Auslegung und Anwendung in der gesamten EU zu gewährleisten.

Der Leitfaden enthält zudem Informationen über verwandte EU-Rechtsvorschriften.

Der Leitfaden richtet sich an alle, die an der Anwendung der Maschinenrichtlinie beteiligt sind, einschließlich Maschinenhersteller, Importeure, Händler, benannte Stellen, Normensetzer, Arbeitsschutz- und Verbraucherschutzstellen und an Beamte der zuständigen nationalen Verwaltungen und Marktüberwachungsbehörden. Der Leitfaden kann auch für Rechtsanwälte und Studenten des EU-Rechts in den Bereichen Binnenmarkt, Arbeitsschutz und Verbraucherschutz von Interesse sein.

Wichtige Hinweise Nur die Maschinenrichtlinie und Texte, die ihre Bestimmungen in nationales Recht umsetzen, sind rechtsverbindlich. Der Text des Leitfadens ist nicht rechtsverbindlich.

Der Leitfaden 2.1 wird auch in anderen EU-Sprachen zur Verfügung gestellt. Jedoch nur die englische Fassung ist von der Kommission geprüft. Im Zweifelsfall ist deshalb ausschließlich die englische Fassung des Leitfadens als Referenz heranzuziehen.

Leser des Leitfadens sind aufgerufen, Korrekturen oder Kommentare an folgende E-Mail-Adresse zu kommunizieren: GROW-MACHINERY@ec.europa.eu. Die Eingaben können dann bei der Vorbereitung zukünftiger Updates oder einer überarbeiteten 3. Auflage berücksichtigt werden

Die Neuerungen im Überblick Der Leitfaden 2.1 wurde ergänzt um die bisher fehlenden Kommentare

  • zur Änderung der Maschinenrichtlinie durch die Richtlinie 2009/127/EG zur Ausbringung von Pestiziden und
  • zur Verordnung (EU) Nr. 167/2013 über die Genehmigung und Marktüberwachung von land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen.
  Der Leitfaden 2.1 wurde ergänzt um Klarstellungen und Korrekturen zu wichtigen Themen wie

  • unvollständige Maschinen,
  • Gesamtheit von Maschinen,
  • Sicherheitsbauteile,
  • Neu- und Gebrauchtmaschinen und
  • Kennzeichnung von Maschinen.
  Der Leitfaden 2.1 wurde ergänzt um wichtige Schlüsselentscheidungen des europäischen Maschinenausschusses in Form von „Spezifischen Leitlinien” zu folgenden Themen:

  • Sicherheitszäune als Sicherheitsbauteile unter der Maschinenrichtlinie
  • Klassifizierung von Lastaufnahmemitteln, die mit Maschinen zum Heben von Lasten verwendet werden
  • Not-Halt-Geräte
  • Schutzeinrichtungen für Tischbohrmaschinen
  • Hausmüllsammelwagen mit Pressvorrichtung für die manuelle Beschickung
  • Auswechselbare Ausrüstung zur Personenbeförderung und Ausrüstung zur Personenbeförderung für Maschinen, die zum Heben von Lasten bestimmt sind

Der Leitfaden Maschinenrichtlinie der Europäischen Kommission wird laufend aktualisiert. Dieser Beitrag informiert Sie über interessante Änderungen im Vergleich zur bisherigen Ausgabe des Leitfadens Maschinenrichtlinie Ausgabe 2.0.

Hinweis: Damit Sie die vorgestellten Änderungen möglichst genau nachvollziehen können, haben wir uns für folgende Konventionen entschieden:

  • Die Texte sind dem neuen Leitfaden Maschinenrichtlinie 2.1 entnommen.
  • Kursiv hervorgehobene Texte geben Texte aus der Maschinenrichtlinie und aus dem neuen Leitfaden Maschinenrichtlinie wieder.
  • Durchgestrichene Texte sind Texte, die im Leitfaden Maschinenrichtlinie 2.1 nicht mehr enthalten sind.
  • Zusätzlich fett hervorgehobene Texte geben Änderungen des Textes wieder.
  • Texte in Normalschrift geben vollständige Ergänzungen wieder, die dem alten Text hinzugefügt wurden.

Erwägungsgründe

Stand der Technik

Maschinenrichtlinie Erwägungsgrund 14:

(14) Es sollte den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen genügt werden, damit gewährleistet ist, dass die Maschinen sicher sind; es sollte jedoch eine differenzierte Anwendung dieser Anforderungen erfolgen, um dem Stand der Technik zum Zeitpunkt der Konstruktion sowie technischen und wirtschaftlichen Erfordernissen Rechnung zu tragen.

Leitfaden § 16 Stand der Technik

Erwägungsgrund (14) führt den Begriff des „Standes der Technik” ein, der bei der Anwendung der in Anhang I beschriebenen grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen zu berücksichtigen ist. Dieser Begriff ist insoweit sehr wichtig, als er bedeutet, dass die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen keine absoluten Anforderungen sind, ohne die wirtschaftlichen Kosten und die für Hersteller auf dem Markt angebotenen technischen Lösungsmöglichkeiten zu berücksichtigen(…).

Kommentar: Die Kommission betont hier zusätzlich, dass das Konzept des „Standes des Technik” für Hersteller von großer Wichtigkeit ist, da es bedeutet, dass die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen keine absoluten Anforderungen sind, die ungeachtet der wirtschaftlichen Kosten und der verfügbaren technischen Möglichkeiten gelten.

Maschinen für die Benutzung durch Verbraucher

Maschinenrichtlinie Erwägungsgrund 15:

(15) Kann eine Maschine auch von Verbrauchern, also Laien, benutzt werden, sollte der Hersteller dies bei ihrer Konstruktion und ihrem Bau berücksichtigen. Das Gleiche gilt, wenn die Maschine normalerweise dazu verwendet wird, Dienstleistungen für Verbraucher zu erbringen.

Leitfaden § 17 Maschinen für die Benutzung durch Verbraucher

Die Maschinenrichtlinie gilt sowohl für Maschinen, die von gewerblichen Anwendern am Arbeitsplatz verwendet werden, als auch für Maschinen, die von Verbrauchern benutzt werden oder mit denen Dienstleistungen für Verbraucher erbracht werden, d. h. wenn der Verbraucher das betreffende Produkt entweder verwendet oder von einem Mangel unmittelbar betroffen wäre.

Kommentar: Die Kommission stellt hier klar, dass die Maschinenrichtlinie gleichermaßen gilt für Gewerke, die ein Verbraucher selbst verwendet als auch für Gewerke, von deren Defekt der Verbraucher unmittelbar betroffen sein kann.

Die Artikel der Maschinenrichtlinie

Artikel 2 Buchstabe a) – erster Gedankenstrich: „Maschine” – Bestimmte Anwendung

Maschinenrichtlinie:

— eine mit einem anderen Antriebssystem als der unmittelbar eingesetzten menschlichen oder tierischen Kraft ausgestattete oder dafür vorgesehene Gesamtheit miteinander verbundener Teile oder Vorrichtungen, von denen mindestens eines bzw. eine beweglich ist und die für eine bestimmte Anwendung zusammengefügt sind,

Leitfaden § 35 Die grundlegende Begriffsbestimmung

… die für eine bestimmte Anwendung zusammengefügt sind …

Die Maschinen müssen für eine bestimmte Anwendung verwendet werden können; dies gilt für die gesamte Maschine und für ihre bestimmungsgemäße Verwendung. Zu den typischen Anwendungsbereichenbestimmten Anwendungen von Maschinen zählen beispielsweise die Verarbeitung, Behandlung oder Verpackung von Materialien oder das Befördern von Materialien, Gegenständen oder Personen.

Die Maschinenrichtlinie findet keine Anwendung auf separate Maschinenkomponenten wie beispielsweise Dichtungen, Kugellager, Riemenscheiben, elastische Kupplungen, Magnetventile, Hydraulikzylinder, Anflanschgetriebe und desgleichen, die nicht für eine bestimmte Anwendung vorgesehen sind und die für den Einbau in Maschinen bestimmt sind. Die vollständige Maschine, in die solche Komponenten eingebaut werden, muss die einschlägigen grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen erfüllen. Der Maschinenhersteller muss deshalb Komponenten mit geeigneten Spezifikationen und Eigenschaften wählen.

Kommentar:

Die Kommission verdeutlicht hier durch eine Ergänzung, was sie unter einer „bestimmten Anwendung” versteht: Die Maschine muss für eine bestimmte Anwendung verwendet werden können, wie sie für vollständige Maschinen im Rahmen der bestimmungsgemäßen Verwendung definiert ist.

Die Kommission beseitigt durch einen Rückzieher eine sicher gut gemeinte Definition von Maschinenelementen, die keine bestimmte Anwendung haben und deshalb nicht in den Anwendungsbereich der Maschinenrichtlinie fallen: Maschinenkomponenten. In der Maschinenrichtlinie selbst kommt dieser Begriff nicht vor.

Die Einführung des Begriffs der Maschinenkomponente im alten Leitfaden sollte eigentlich eine Klarstellung bewirken. Er wollte das Verständnis des Begriffs der „bestimmten Anwendung” durch Negativbeispiele verdeutlichen – also durch Nennung von Maschinenkomponenten, die zwar eine Anwendung, aber eben keine bestimmte Anwendung haben und deshalb nicht in den Anwendungsbereich der Maschinenrichtlinie fallen.

In der Praxis hat die Einführung des Begriffs „Maschinenkomponente” zu nicht enden wollenden Diskussionen geführt. Und nicht nur das: Hersteller haben immer wieder versucht, sich aus dem Anwendungsbereich der Maschinenrichtlinie herauszudiskutieren, indem sie ihre maschenrichtlinienpflichtigen Gewerke als „Maschinenkomponenten” deklarierten.

Die Streichung des Absatzes „Maschinenkomponenten” kann deshalb für die Praxis als großer Segen betrachtet werden.

Alle weiteren wichtigen Änderungen finden Sie kommentiert in unserem Produkt Maschinenverordnung.

 

Autor*in: Elisabeth Wirthmüller (ce konform GmbH. Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Technische Dokumentation.)