31.10.2019

Konformitätsvermutung – was heißt das und was heißt es nicht?

Haben Sie das Gefühl, dass das Konzept der Konformitätsvermutung auch wieder nur eines von vielen Erschwernissen ist, welche die EU Ihnen auferlegt? Dann lassen Sie uns auf die Reise gehen und sehen, was die Konformitätsvermutung leisten kann und was nicht.

Die Europäische Union

Das Ziel: Konformitätsvermutung

Ziel der EU ist es, Sie als Hersteller bei der Erfüllung Ihrer CE-Pflichten bestmöglich zu unterstützen.

Ihre CE-Pflichten bestehen u.a. darin, alle grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen zu erfüllen, die auf Ihre Produkte zutreffen. Und das pro Harmonisierungsrechtsvorschrift, der Ihre Produkte unterfallen.

Was sind „grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen”?

Grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen sind verbindliche Vorschriften für die Konstruktion und den Bau von Produkten. Diese Vorschriften sollen ein hohes Maß an Sicherheit und Gesundheitsschutz für Personen und ggf. für Haustiere, Sachen und Umwelt gewährleisten.

Die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen für Maschinen sind im Anhang I der Maschinenrichtlinie definiert.

Maschinen, die der Maschinenrichtlinie unterliegen, müssen alle grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen des Anhangs I der Maschinenrichtlinie erfüllen, die auf die jeweilige Maschine zutreffen.

Wie Sie die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen erfüllen, damit Sie ein Produkt in Verkehr bringen dürfen, ist Ihnen überlassen.

Der Weg über die Konformitätsvermutung ist der Königsweg.

Quelle

  • Maschinenrichtlinie, Artikel 2 m)
  • Leitfaden Maschinenrichtlinie, Auflage 2.1, § 88

Der Weg: harmonisierte Normen

Harmonisierte Normen sind wichtige Werkzeuge zur Erfüllung der grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der Maschinenrichtlinie und anderer europäischer Harmonisierungsrechtsvorschriften.

Was ist eine harmonisierte Norm?

Eine harmonisierte Norm ist eine nicht verbindliche technische Spezifikation, die von einer in der Richtlinie 98/34/EG anerkannten europäischen Normungsorganisation auf Ersuchen der Europäischen Kommission zur Durchführung von Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union erstellt wird.

Sie als Hersteller entscheiden, ob Sie auf harmonisierte Normen Bezug nehmen wollen oder nicht.

Der freiwillige Charakter harmonisierter Normen soll verhindern, dass technische Normen ein Hindernis für das Inverkehrbringen von Produkten darstellen, die innovative Lösungen beinhalten, welche in harmonisierten Normen (noch) nicht enthalten sind.

Da harmonisierte Normen auf der Grundlage eines Konsenses zwischen den Beteiligten entwickelt und beschlossen werden, vermitteln ihre Spezifikationen einen guten Anhaltspunkt für den Stand der Technik zum Zeitpunkt ihrer Annahme. Die Weiterentwicklung des Stands der Technik findet ihren Niederschlag in späteren Änderungen oder Überarbeitungen der harmonisierten Normen.

Das Sicherheitsniveau, das durch die Anwendung einer harmonisierten Norm erreicht wird, setzt einen Maßstab, den alle Hersteller von entsprechenden Produkten berücksichtigen müssen.

Was bewirkt die Einhaltung von harmonisierten Normen?

Der Verweis auf harmonisierte Normen ist ein zentraler Bestandteil der „neuen Konzeption auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und Normung”, der in der Maschinenrichtlinie gefolgt wird. In der Maschinenrichtlinie werden die verbindlichen grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen für Maschinen festgelegt, während detaillierte technische Spezifikationen für die Erfüllung dieser grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen in den harmonisierten europäischen Normen festgelegt sind.

Wenn Sie bei Entwurf und Fertigung Ihres Produkts harmonisierte Normen anwenden, geht der Gesetzgeber automatisch davon aus, dass Ihr Produkt mit jenen grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der Harmonisierungsrechtsvorschrift, welche die Norm abdeckt, konform ist. Das ist die sogenannte „Konformitätsvermutung”.

Wenn Sie nur einen Teil der harmonisierten Norm anwenden oder wenn die harmonisierte Norm nicht alle einzuhaltenden grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen vollständig abdeckt, besteht die Konformitätsvermutung nur in dem Ausmaß, in dem die harmonisierte Norm die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen abdeckt.

Damit Hersteller wissen, welche grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der Harmonisierungsrechtsvorschrift eine harmonisierte Norm abdeckt, ist dies in der harmonisierten Norm explizit spezifiziert. In der Regel geschieht dies in einem gesonderten Informationsanhang in der harmonisierten Norm.

Wenn eine harmonisierte Norm wesentliche Anforderungen nur teilweise abdeckt, weist die harmonisierte Norm deutlich darauf hin. In manchen Fällen weist auch der Geltungsbereich einer harmonisierten Norm mit ausreichender Klarheit auf die einschlägigen Anforderungen hin (wenn es beispielsweise eindeutige Verweise auf die abgedeckten Sicherheitsrisiken gibt).

Die in einer harmonisierten Norm enthaltenen Informationen zur „beabsichtigten Abdeckung wesentlicher und sonstiger Anforderungen” bestimmt den Umfang der Vermutung der Konformität mit den Harmonisierungsrechtsvorschriften.

Ist also eine Maschine nach harmonisierten Normen hergestellt worden, deren Fundstellen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind, so wird davon ausgegangen, dass sie den von dieser harmonisierten Norm erfassten grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der Maschinenrichtlinie entspricht.

Für Maschinen nach Anhang IV (im weiteren Sinne) kann der Harmonisierte-Normen-Ansatz nicht genutzt werden, wenn die betreffenden Normen nicht alle relevanten grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der Richtlinie abdecken.

Quelle

  • Beschluss Nr. 768/2008/EG, Artikel R1, Abs. 9; Artikel R8
  • Maschinenrichtlinie, Artikel 2 l); Artikel 7 (2)
  • Leitfaden zur Maschinenrichtlinie, § 162; § 110; § 383
  • Blue Guide, Abschnitte 4.1.2.1; 4.1.2.2., 4.1.2.4.

Ab wann löst eine harmonisierte Norm Konformitätsvermutung aus?

Erst wenn der Titel einer harmonisierten Norm in den Mitteilungen der Kommission in der Reihe C des Amtsblatts der Europäischen Union veröffentlicht ist, löst diese harmonisierte Norm die Konformitätsvermutung mit den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der Harmonisierungsrechtsvorschrift aus, die sie abdeckt.

  • Die Konformitätsvermutung erlischt, wenn eine harmonisierte Norm durch eine neue oder überarbeitete Norm ersetzt wird.
  • Die Konformitätsvermutung erlischt mit dem „Datum der Beendigung der Annahme der Konformitätsvermutung”, das im Amtsblatt der Union angegeben ist.
  • Die Konformitätsvermutung erlischt für alle Maschinen, die nach dem „Datum der Beendigung der Annahme der Konformitätsvermutung”, das im Amtsblatt der Union angegeben ist, in Verkehr gebracht werden.

Quelle

  • Maschinenrichtlinie, Artikel 2 l); Artikel 7 (2)
  • Leitfaden zur Maschinenrichtlinie, § 87; § 110

Den vollständigen Artikel finden Sie in unserem Praxismodul Maschinenverordnung.

 

 

 

Autor*in: Elisabeth Wirthmüller (ce konform GmbH. Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Technische Dokumentation.)