09.07.2019

Die neue Marktüberwachungsverordnung – was sich für Hersteller ändert

Mit der neuen Marktüberwachungsverordnung soll unter anderem sichergestellt werden, dass Produkte, die eine Gefährdung für Sicherheit und Gesundheit darstellen, nicht in den Handel gelangen. Des Weiteren herrschen beim Verkauf von Waren über internationale Online-Marktplätze nun klare Verantwortlichkeiten für Verstöße gegen Vorgaben zur Produktsicherheit.

Paragraph auf EU-Flagge

Am 19.12.2017 hat die Europäische Kommission nach diversen Anläufen (erste Entwürfe wurden schon 2013 präsentiert) einen Vorschlag für eine neue EU-Marktüberwachungsverordnung vorgelegt. Die neue, wiederum überarbeitete Fassung der Verordnung wurde dann vom europäischen Parlament in der Plenarsitzung am 17.04.2019 endgültig verabschiedet.

Die Abgeordneten stimmten den überarbeiteten Anforderungen zur Konformität und Durchsetzung der Produktgesetzgebung mit 562 zu 66 Stimmen und 33 Enthaltungen zu und haben sich damit deutlich für eine verbesserte Überwachung des Binnenmarkts ausgesprochen. Laut Erwägungsgrund 3 der Kommission soll der Binnenmarkt für Waren mit Priorität ausgebaut werden, indem die Bemühungen zum Fernhalten nicht konformer Produkte vom Unionsmarkt weiter verstärkt werden.

Mithilfe der Verordnung soll

  • eine strengere Marktüberwachung,
  • die Bereitstellung klarer, transparenter und umfassender Vorschriften für die Wirtschaftsakteure,
  • eine Verschärfung von Konformitätskontrollen und
  • eine engere grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den mit der Durchsetzung betrauten Behörden, auch im Wege der Zusammenarbeit mit den Zollbehörden,

realisiert werden.

Die Marktüberwachungsverordnung löst in ihrem Anwendungsbereich (siehe Art. 2) die Art. 15 bis 29 der Verordnung (VO) Nr. 765/2008 über die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung ab.

Die Bedeutung der neuen Marktüberwachungsverordnung für Hersteller

Selbstverständlich hat die neue Verordnung unmittelbare und mittelbare Auswirkungen auf die europäischen Hersteller bzw. sonstigen Wirtschaftsakteure. Dies liegt zum einen daran, dass damit ein neuer regulatorischer Rahmen für die Tätigkeit der Marktbehörden gesetzt wird, zum anderen daran, dass mithilfe der Verordnung bisher existierende Regelungsdefizite behoben werden können.

Nach Ansicht des VDMA gibt es beispielsweise noch eklatante Lücken, da eine Reihe von Produkten auf dem europäischen Binnenmarkt bislang nicht allen gesetzlichen Anforderungen, z.B. im Hinblick auf die Sicherheit, entspricht. Dadurch werden nicht nur potenzielle Gefahren für die Nutzer dieser Produkte geschaffen, es entstehen auch Wettbewerbsnachteile für diejenigen Unternehmen, die sich an die gesetzlichen Anforderungen halten bzw. halten müssen. Gerade in puncto Online-Handel wird durch die neue Verordnung eine Gleichbehandlung von in der EU hergestellten und importierten Produkten realisiert. Begrüßt wird von den Maschinenbauern auch die Einbeziehung der sog. Erfüllungsdienstleister („Fulfillment Service Provider”, s.u.) und anderer Personen in der Lieferkette, auch wenn diese keine Eigentumsrechte am Produkt erworben haben.

Hinweis: Die Verordnung verwendet die Schreibweise „fulfilment”, obwohl im Englischen meist „fulfillment” verwendet wird. Es ist beides richtig, aufgrund der Verständlichkeit wird in diesem Beitrag die gebräuchliche Schreibweise verwendet.

Die Fulfillment-Service-Betreiber werden der Marktaufsichtsbehörde künftig auch als Ansprechpartner zur Überprüfung und Vorlage der EU-Konformitätserklärung und technischer Unterlagen für Produkte dienen müssen. Dies ist u.a. für die Fälle wichtig, bei denen der Hersteller seinen Sitz nicht in der EU hat.

Aufpassen: Die Umsetzung der Marktüberwachung selbst liegt allerdings weiterhin bei den nationalen Überwachungsbehörden. Diese sollten die ihnen eingeräumten rechtlichen Möglichkeiten auch nutzen, um eine wirksamere Kontrolle des Binnenmarkts und fairere Wettbewerbsbedingungen zwischen den Wirtschaftsakteuren zu ermöglichen.

Kritik aus den Bundesländern

Schon vor der Verabschiedung der Marktüberwachungsverordnung wurde der Entwurf von einzelnen Bundesländern kritisiert – vor allem hinsichtlich der in manchen Augen zu Missverständnissen führenden Definition des Anwendungsbereichs. Neben anderen Punkten sei auch formal unglücklich, dass die Wirtschaftsakteure überwiegend nicht direkt, sondern durch Bezugnahme auf andere EU-Rechtsetzungen definiert werden.

Inhalt der neuen Marktüberwachungsverordnung

Die Verordnung enthält neben den wie üblich vorangestellten Erwägungsgründen 44 Einzelartikel in 11 Kapiteln und drei Anhänge. Anhang I beinhaltet eine Liste der Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union, Anhang II eine Auflistung der Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union ohne Bestimmungen über Sanktionen und Anhang III eine Entsprechungstabelle bezüglich der neuen Marktüberwachungsverordnung zur Verordnung (EG) Nr. 765/2008.

Nachfolgend erläutern wir Ihnen die für die Hersteller unseres Erachtens wichtigsten Artikel der Verordnung.

Zweck der Verordnung

Art. 1 definiert den Verordnungsgegenstand. Laut Abs. 1 Satz 1 zielt die Verordnung darauf ab, das Funktionieren des Binnenmarkts durch Stärkung der Marktüberwachung von Produkten, die unter die in Art. 2 genannten Harmonisierungsrechtsvorschriften (s.u.) fallen, zu verbessern. Damit soll gewährleistet werden, dass nur konforme Produkte auf dem Unionsmarkt bereitgestellt werden, die die Anforderungen an ein hohes Schutzniveau bei

  • öffentlichen Interessen wie Gesundheit und Sicherheit im Allgemeinen,
  • Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz,
  • Verbraucher- und Umweltschutz sowie
  • öffentlicher Sicherheit und anderer durch diese Rechtsvorschriften geschützter öffentlicher Interessen

erfüllen.

Laut Abs. 2 werden außerdem Regeln für Wirtschaftsakteure und Verfahren bei Produkten aufgestellt, die bestimmten Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union unterliegen, und ein Rahmen für die Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsakteuren geschaffen. Konkret lassen sich die Ziele der Verordnung auf folgende drei Punkte herunterbrechen:

  1. Verbesserung des Funktionierens des Binnenmarkts
  2. Abbau bestehender Wettbewerbsverzerrungen und
  3. Förderung der Produktsicherheit

Wichtiger Hinweis: Die Verordnung schafft laut Art. 1 Abs. 3 darüber hinaus den rechtlichen Rahmen für die Kontrolle von Produkten, die auf den Unionsmarkt gelangen.

Anwendungsbereich der Verordnung

Art. 2 legt den Anwendungsbereich der Marktüberwachungsverordnung fest. Die Formulierung des Art. 2 ist bezüglich des Wortlauts aber so unglücklich gewählt, dass Sie auch gestandenen Juristen kaum verständlich sein wird.

Laut Abs. 1 gilt die Verordnung „insoweit für Produkte, die den in Anhang I angeführten Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union (im Folgenden ,Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union‘) unterliegen, als es in den Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union keine speziellen Bestimmungen gibt, mit denen dasselbe Ziel verfolgt wird und bestimmte Aspekte der Marktüberwachung und der Durchsetzung konkreter geregelt werden.”

Nach Abs. 2 gelten „die Artikel 25 bis 28 (der Marktüberwachungsverordnung) insoweit für vom Unionsrecht erfasste Produkte, als es keine spezifischen Bestimmungen über die Organisation von Kontrollen von Produkten, die auf den Unionsmarkt gelangen, enthält.”

Die weiteren spannenden Ausführungen zu diesem Thema finden Sie in unserem Produkt „Elektromagnetische Verträglichkeit“.

 

 

Autor*in: Ernst Schneider