19.10.2017

Brauchen wir noch Warnhinweise in Anleitungen?

Dietrich Juhl hat sich intensiv mit Warnhinweisen und dem Warnen von Produktnutzern vor Gefahren auseinandergesetzt. In seinem Buch „WARN OUT“ fasst er seine neuesten Erkenntnisse zu diesem Thema zusammen und stellt sie den bisher üblichen Methoden gegenüber. Im folgenden Interview erläutert er, wie er sich – immer kompatibel zu gängigen Rechtsauffassungen – eine Anleitungswelt mit weniger abschreckenden Warndreiecken vorstellt.

Warnhinweise

Ulrich Thiele: Sie haben das Buch WARN OUT geschrieben, wie kam es dazu?

Dietrich Juhl: Als Berater und Dozent versuche ich Prinzipien zu entwickeln, wie Anleitungen verständlich geschrieben werden können. Dabei habe ich auch nach Regeln gesucht, wann und wie gewarnt werden soll. Bei allen Gesprächen mit Kollegen ergab sich wenig Konkretes. Bei den meisten stand die Rechtssicherheit und die Unsicherheit gerade vor US-Gerichten im Vordergrund, was vielfach zur Einstellung „vorsichtshalber warnen“ führt.

Das sehen wir ja auch an sehr vielen Anleitungen: Sie sind übersät mit großen, plakativen Warnhinweisen und oft wird vor Gefahren gewarnt, die ich nicht als „warnwürdig“ ansehe.

Die meisten Warnhinweise sind überflüssig.

Ulrich Thiele: Sind Sie denn gegen Warnhinweise?

Dietrich Juhl: Nein, Warnhinweise sind wichtig, wenn vor unbekannten oder unterschätzten Gefahren gewarnt werden muss.

Das ist aber meistens nicht der Fall.

Ich bin ganz klar gegen den unüberlegten Einsatz von Warnhinweisen, um sich abzusichern. Die Flut von Warnhinweisen hat in vielen Fällen zu unbrauchbaren Anleitungen geführt.

Ulrich Thiele: Was meinen sie damit?

Dietrich Juhl: Zuerst müssen wir richtig anleiten. Das tun wir häufig nicht: Viele Anleitungen sind unverständlich, überfordern Anwender oder vergessen sogar Handlungsschritte.

Um sicher anzuleiten, können wir viel mehr tun als nur die richtigen Schritte zu nennen.

Im Buch WARN OUT habe ich eine „eskalierte“ Handlungsanweisung entwickelt und zeige, dass mit Betonung „Achten Sie besonders auf …“ oder Hintergrundinformation „weil …“ oder Verboten von naheliegenden Handlungen eine Handlungsanweisung schon ohne Warnhinweise sicher gemacht werden kann.

Wenn Sie als Technik-Redakteur richtig anleiten, brauchen Sie vielfach keine Warnhinweise mehr.

Statt „Warnung vor Spannung“ können Sie richtig anleiten: „Schalten Sie die Spannung ab.“ Statt „drohende Verletzung von Personen im Schwenkbereich“, können Sie richtig anleiten: „Stellen Sie sicher, dass der Bereich frei ist.“

Ulrich Thiele: Braucht man in diesen Fällen keine Warnung mehr?

Dietrich Juhl: Ich denke, die richtige Anleitung ist elementar wichtig und reicht vielfach. Wenn ich anleite, die Spannung abzuschalten, kann ich als Technik-Redakteur davon ausgehen, dass mein Anwender das auch tut. Da muss ich nicht mehr warnen!

Lesen Sie das vollständige Interview in unserem Praxismodul „Technische Dokumentation“.

Autor*in: Prof. Dr. -Ing. Ulrich Thiele (Selbstständiger Technikautor, Dozent an der Fachhochschule Gießen.)