06.08.2020

Wertgrenze einer nicht mehr geringfügigen Ordnungswidrigkeit

Die Wertgrenze einer nicht mehr geringfügigen Ordnungswidrigkeit, die die Erörterung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erfordert, ist in Anlehnung an die für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde maßgebliche Wertgrenze (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) bei über 250,00 € anzunehmen (OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.03.2020, Az. 1 B 53 Ss-OWi 110/20 [70/20]).

Wertgrenze Ordnungswidrigkeit

Sachverhalt

Die Bußgeldstelle hat gegen die Betroffene mit Bußgeldbescheid wegen der Ordnungswidrigkeit des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um mindestens 44 km/h begangen worden sein soll, ein Bußgeld in Höhe von 225,00 € festgesetzt sowie ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat angeordnet. Gegen diesen Bußgeldbescheid hat der Beschwerdeführer form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.

Das Amtsgericht bestätigte den Vorwurf und erhöhte das Bußgeld auf 450,00 €. Das Fahrverbot der Bußgeldbehörde blieb unerwähnt. Die Betroffene erhob Rechtsbeschwerde.

Beschlussbegründung des Amtsgerichts unzureichend

In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Der angefochtene Beschluss ist auf die erhobene Sachrüge hin – unabhängig davon, dass er auch den nach § 72 Abs. 6 Satz 2 OWiG erforderlichen Hinweis auf den Inhalt des Bußgeldbescheids nicht enthält – schon deshalb aufzuheben, weil er die nach § 72 Abs. 4 Satz 3 bis 5 OWiG vorgeschriebene Begründung nicht enthält. Das Fehlen von Gründen in einem Strafurteil zwingt in der Regel schon zur Urteilsaufhebung auf die Sachrüge hin. Auch ein Bußgeldurteil ist beim unzulässigen Fehlen von Urteilsgründen in der Regel schon auf die zulässig erhobene Sachrüge hin aufzuheben, weil dem Rechtsbeschwerdegericht in diesem Fall eine Nachprüfung auf sachlich-rechtliche Fehler nicht möglich ist.

Wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen prüfen

Auch wenn an die Urteilsgründe in Ordnungswidrigkeitenverfahren keine hohen Anforderungen zu stellen sind, sind Ausführungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen nur bei geringfügigen Geldbußen entbehrlich (§ 17 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz OWiG). Zu den persönlichen (Unterhaltsverpflichtungen) und wirtschaftlichen Verhältnissen gehören die Umstände, die geeignet sind, die Fähigkeit des Täters[SV4]  zu beeinflussen, eine bestimmte Geldbuße aufzubringen. Enthält der Beschluss bei einer nicht nur geringfügigen Ordnungswidrigkeit keine oder nur unzureichende Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen, sind die Zumessungserwägungen materiell-rechtlich unvollständig und können der Aufhebung unterliegen.

Die Wertgrenze einer geringfügigen Ordnungswidrigkeit

Die Wertgrenze einer nicht mehr geringfügigen Ordnungswidrigkeit, die die Erörterung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erfordert, wird durch die überwiegende Mehrheit der Oberlandesgerichte in Anlehnung an die für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde maßgebliche Wertgrenze (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) bei über 250,00 € angenommen.

Schätzung des Einkommens

Zu einer Schätzung der Einkommensverhältnisse oder zur Annahme durchschnittlicher Vermögensverhältnisse kann das Tatgericht jedoch dann kommen, wenn der Betroffene Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen verweigert oder das Gericht den Angaben dazu keinen Glauben schenken kann.

Zurückverweisung an das Amtsgericht

Aufgrund der teils gravierenden Rechtsfehler macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache gemäß § 79 Abs. 6 OWiG an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.

Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)