15.02.2019

Wie ist die Härtefallregelung bei Spielhallen anzuwenden?

Ist ein nach dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags 2012 verlängerter Mietvertrag ein Grund, der unter die Härtefallregelung fällt (OVG Saarlouis, Beschl. vom 20.12.2018, Az. 1 B 296/18)?

Spielhalle Härtefallregelung

Worum geht’s?

Ein Gewerbetreibender besitzt drei Spielhallen (A, B und C), die im Bereich des gesetzlichen Mindestabstands (hier 500 Meter) liegen. Das Gewerbeamt erteilte auf Antrag des Betreibers eine Erlaubnis für die Spielhalle A. Das Erteilen einer Erlaubnis zum Weiterbetrieb der Spielhallen B und C lehnte das Gewerbeamt im Rahmen der Übergangsregelungen zum Glücksspielstaatsvertrag ebenso ab wie das Befreien vom Abstandsgebot zwischen mehreren Spielhallen. Zudem forderte das Amt den Betreiber auf, die Spielhallen B und C bis spätestens zum 15.09.2018 zu schließen.

Gegen die Verfügung klagte der Betreiber. Er habe, argumentierte er, im Jahr 2015 die Mietverträge für die Spielhallen B und C für 5 Jahre verlängert. Das Schließen der Spielhallen würde ihn in seiner Existenz gefährden. Nachdem er beim Verwaltungsgericht unterlag, beschwerte er sich beim OVG des Saarlands.

Deshalb wird die Härtefallregelung nicht angewendet

Befreiung vom Abstandsgebot

Die Befreiung vom Abstandsgebot zwischen zwei Spielhallen richtet sich nach dem Spielhallengesetz des Bundeslandes (hier § 12 Abs. 2 Satz 1, 3 SpielhG Saarland).

Gilt die erteilte Erlaubnis?

Ein Spielhallenbetreiber darf auf den Bestand der ursprünglichen nach § 33i GewO erteilten Erlaubnis vertrauen, wenn diese entweder unbefristet oder befristet mit einer über den 30.06.2017 hinausreichenden Geltungsdauer erteilt war.

Wann gewerbliche Betätigung schutzwürdig ist

Die gewerbliche Betätigung ist unter Abwägung mit öffentlichen Interessen und den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags bzw. der Spielhallengesetze der Bundesländer schutzwürdig. Voraussetzung sind Dispositionen bzw. unternehmerische Entscheidungen, die vor dem 28.10.2011 erfolgt sind, als man also noch auf den Fortbestand der Erlaubnis über den 30.06.2017 hinaus vertrauen durfte. Spätere Dispositionen sind in Kenntnis der bevorstehenden Rechtsänderung getroffen worden und daher in der Abwägung mit öffentlichen Interessen und den vorgenannten Zielen nicht mehr schutzwürdig.

Das Vertrauen des Betreibers in den Bestand der ihm als unbefristete Erlaubnis nach § 33i GewO erteilten Konzession ist unter Abwägung öffentlicher Interessen und der Ziele des Glücksspielstaatsvertrages bzw. Spielhallengesetz des Bundeslandes schutzwürdig, soweit er ab dem 28.10.2011 bezüglich des Standorts keine neuen Verbindlichkeiten eingegangen ist, die über den 30.06.2017 hinauswirken.

Vertrauensgeschützte Dispositionen und unbillige Härte

Vertrauensgeschützte Dispositionen können eine unbillige Härte zur Folge haben, wenn ihre Fortwirkung über den 30.06.2017 hinaus für den Betreiber nicht durch frühzeitige Bemühungen um eine Vertragsaufhebung bzw. -anpassung abzuwenden war und sie in Kombination mit der Schließung der Spielhalle, in die investiert wurde, eine konkret absehbare, durch eine ordnungsgemäße und vorausschauende Geschäftsführung nicht vermeidbare – gegebenenfalls sogar existenzbedrohende – wirtschaftliche Schieflage des Unternehmens bewirken.

Für die Annahme einer unbilligen Härte reicht allerdings nicht aus, dass dem Betreiber im Fall der Versagung der Befreiung die Möglichkeit genommen wird, aus einer nicht mehr gesetzeskonformen Spielhalle künftig Einnahmen zu erzielen. Denn der durch die Rechtsänderungen bewirkte Verlust einer Einnahmemöglichkeit ist keine atypische Folge der Umsetzung des Abstandsgebots oder des Verbundverbots, sondern eine unvermeidbare Konsequenz der Neuregelung, die dem Gesetzgeber bewusst war.

Der Betreiber muss vielmehr über den Verlust von Gewinnerzielungsmöglichkeiten hinaus mit Belastungen infolge der Schließung konfrontiert sein, die ihm unter den Umständen des Einzelfalls ein Sonderopfer auferlegen, das ihm auch unter Berücksichtigung des Allgemeininteresses von seinem Ausmaß her ausnahmsweise nicht zumutbar ist.

Erlöschen der Alterlaubnisse

Wenn ein und derselbe Spielhallenbetreiber zwei oder mehrere Spielhallen innerhalb des Mindestabstands betreibt, handelt es sich um unechte Konkurrenz. In diesem Fall muss ihm seit dem 28.10.2011 bewusst sein, dass er nur für eine seiner Spielhallen die für den Weiterbetrieb nach dem – durch den Ablauf der Übergangsfrist bedingten – Erlöschen seiner Alterlaubnisse erforderliche neue reguläre Spielhallenerlaubnis erhalten wird.

Betreiber hätte Verbindlichkeiten prüfen und anpassen müssen

Er musste daher einkalkulieren, dass ein Weiterbetrieb weiterer in Abstandskollision betriebener Spielhallen allenfalls im Wege einer Härtefallbefreiung möglich sein wird. Deshalb hatte er hinsichtlich dieser Spielhallen schon während des fünfjährigen Übergangszeitraums Veranlassung, alle über den 30.06.2017 fortwirkenden und mit weiter zu bedienenden Verbindlichkeiten einhergehenden Dispositionen auf den Prüfstand zu stellen und sie möglichst an die bevorstehende Änderung der Rechtslage anzupassen.

Kündigung des Mietvertrags für Spielhallen war möglich

Der Spielhallenbetreiber hatte im Jahr 2015 die Möglichkeit, den Mietvertrag zu kündigen.

Ergebnis: Existenzgefährdung war vermeidbar

Die vom Spielhallenbetreiber behauptete Existenzgefährdung, die als Folge der Schließung der Spielhallen zu befürchten sei, hätte durch zumutbare Maßnahmen der Geschäftsführung vermieden werden können. Ein Mietvertrag über den 30.06.2017 hinaus ist kein Grund für die Annahme einer unbilligen Härte. Das OVG wies die Beschwerde des Spielhallenbetreibers gegen das ablehnende Urteil des Verwaltungsgerichts zurück.

Der Beschluss ist abrufbar unter https://recht.saarland.de/bssl/document/MWRE190000023

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)