02.10.2020

Keine Sippenhaft bei verordneter Quarantäne

Wie weit darf der Kreis der Personen gezogen werden, die mit dem Coronavirus infiziert sind und in Quarantäne zu schicken sind? Das OVG Münster (Beschl. vom 15.09.2020, Az. 13 B 1376/20) zeigte dem zuständigen Gesundheitsamt auf, wo die Grenzen zu ziehen sind.

Sippenhaft Quarantäne

Anordnen der Quarantäne für infizierte Schüler, Angehörige und enge Kontaktpersonen

In Dortmund hatten sich bei einer Party 28 von 35 Schülern mit dem Coronavirus infiziert. Das Gesundheitsamt der Stadt hatte daraufhin die infizierten Schüler und die restlichen sieben Schüler, die an der Party teilnahmen, aber nicht positiv getestet wurden, unter Quarantäne gestellt.

Zusätzlich weitete das Gesundheitsamt die Quarantäne auf enge Kontaktpersonen und die Angehörigen der Schüler aus. Die Mutter eines Schülers klagte gegen die ihr auferlegte häusliche Absonderung.

Hinweise des Robert Koch-Instituts zur Nachverfolgung von Kontaktpersonen

Das OVG zog zur Rechtsfindung die Hinweise des Robert Koch-Instituts (RKI) zur Nachverfolgung von Kontaktpersonen heran:

  • Personen, die im infektiösen Zeitintervall Kontakt mit einem bestätigten COVID-19-Fall („Fallperson“) hatten, werden als „Kontaktperson“ bezeichnet. Das infektiöse Zeitintervall ist variabel und hängt davon ab, ob die Fallperson im Rahmen der SARS-CoV-2-Infektion symptomatisch wurde oder nicht.
  • Personen mit kumulativ mindestens 15-minütigem Gesichts-(„Face-to-face“-)Kontakt mit einem bestätigten COVID-19-Fall, z.B. im Rahmen eines Gesprächs. Dazu gehören z.B. Personen aus demselben Haushalt (Kategorie I) mit engem Kontakt („höheres“ Infektionsrisiko).
  • Personen, die sich im selben Raum wie ein bestätigter COVID-19-Fall aufhielten, z.B. am Arbeitsplatz, jedoch keinen kumulativ mindestens 15-minütigen Gesichts-(„Face-to-face“-)Kontakt mit dem COVID-19-Fall hatten, und eine Situation, bei der kein Anhalt dafür besteht, dass eine Aerosolübertragung jenseits von 1,5 m vom Quellfall entfernt stattgefunden hat.

Welches Vorgehen empfiehlt das RKI?

Empfohlenes Vorgehen für das Management von Kontaktpersonen der Kategorie I:

  • Ermittlung, namentliche Registrierung sowie Mitteilung der Telefonnummer der Ansprechperson (z.B. des Veranstalters) für das Gesundheitsamt
  • Information der Kontaktpersonen zu Übertragungsrisiken und über das COVID-19-Krankheitsbild, mögliche Krankheitsverläufe
  • häusliche Absonderung für 14 Tage (Quarantäne)
  • zusätzlich Reduktion der Kontakte zu anderen Personen im Haushalt
  • ggf. Absonderung unter Abwägung der Möglichkeiten und nach Risikobewertung des Gesundheitsamtes in einer anderen Einrichtung
  • Im Haushalt nach Möglichkeit zeitliche und räumliche Trennung der Kontaktperson von anderen Haushaltsmitgliedern. Eine „zeitliche Trennung“ kann z.B. dadurch erfolgen, dass die Mahlzeiten nicht gemeinsam, sondern nacheinander eingenommen werden. Eine räumliche Trennung kann z.B. dadurch erfolgen, dass sich die Kontaktperson in einem anderen Raum als die anderen Haushaltsmitglieder aufhält.

Empfohlenes Vorgehen für das Management von Kontaktpersonen der Kategorie II:

Falls gemäß Risikoeinschätzung des Gesundheitsamtes als sinnvoll angesehen, ist eine Information zu COVID-19 möglich, insbesondere zu Kontaktreduktion und Vorgehen bei eintretender Symptomatik.

Welche Schlussfolgerung zog daraus das OVG Münster?

Die Mutter ist keine Kontaktperson der Kategorie I, sondern eher der Kategorie II. Es ist wenig wahrscheinlich, dass die Mutter selbst Krankheitserreger aufgenommen hat. Die Empfehlung für eine häusliche Absonderung von 14 Tagen besteht daher nicht, lediglich müssten innerhalb des Haushalts Abstands- und Hygienemaßnahmen eingehalten werden, so das OVG.

Ergebnis

Die Quarantäne ist somit nur für mit dem Coronavirus infizierte Personen sowie Kontaktpersonen der Kategorie I zulässig. Die Anordnung der häuslichen Absonderung gegenüber der Mutter wurde vom Gericht aufgehoben.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)