08.04.2020

Verantwortlichkeit im Straßenverkehr: Kind haftet für Fahr­rad­un­fall

Achtjähriges Kind kann für Schädigung anderer Fußgänger im Straßenverkehr haftbar sein (OLG Celle, Urteil vom 19.02.2020, Az. 14 U 69/19).

Kind Fahrradunfall

Kind verursacht Fahr­rad­un­fall

Ein Kind befuhr während des Urlaubs eine Promenade mit dem Fahrrad. Die Eltern waren in Ruf- und Sichtweite. Während das Kind vorwärts fuhr, sah es über einen längeren Zeitraum nach hinten zu den Eltern und steuerte dabei auf eine Fußgängerin zu. Bei dem Versuch, einen Zusammenstoß mit dem sich nähernden Kind zu verhindern, stürzte und verletzte sich die Fußgängerin. Die Eltern hatten ihrerseits versucht, das Kind – das noch eine Vollbremsung einleitete – durch Rufe zu warnen. Die Fußgängerin nahm das Kind und dessen Eltern vor dem Gericht auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch.

Kind zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verurteilt

Das LG wies die Klage der Fußgängerin ab. Auf deren Berufung änderte das OLG die Entscheidung des LG teilweise ab und verurteilte das Kind zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld. Ein Anspruch gegenüber den Eltern des Kindes bestehe demgegenüber nicht, weil diese ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt hätten.

Gesetzliche Voraussetzungen für Haftung von Kindern

Nach § 828 BGB sind Minderjährige unter sieben Jahren für anderen zugefügte Schäden nicht verantwortlich. Solange sie keine zehn Jahre alt sind, haften Kinder auch nicht für Schäden durch einen Unfall mit einem Kraftfahrzeug oder im Schienenverkehr. Von sieben bis 17 Jahren haften Minderjährige aber für solche Schäden, die sie einem anderen zufügen, wenn sie bei der Begehung der schädigenden Handlung die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht besitzen. Dazu genügt die Fähigkeit des Kindes, zu erkennen, dass es in irgendeiner Weise für sein Verhalten zur Verantwortung gezogen werden kann.

Nach Fahr­rad­un­fall: Kind für erlittene Verletzungen von Fußgängerin verantwortlich

Das Kind ist nach Ansicht des OLG altersgerecht entwickelt; bereits seit seinem fünftem Lebensjahr wurde es regelmäßig und auch im Straßenverkehr belehrt, wie es sich im Straßenverkehr verhalten muss. Wenn das Kind hätte voraussehen können und müssen, dass die an den Tag gelegte Fahrweise auf der Promenade befindliche Fußgänger verletzen konnte, hat es auch die Gefährlichkeit seines Handelns in der konkreten Situation erkennen und sich dieser Erkenntnis gemäß verhalten müssen. Auch die Anhörung des Kindes bestätigte, dass das Kind von seinem Fehler wusste. Das konkrete Verhalten des Kindes ist auch nicht aufgrund einer plötzlich auftretenden Situation reflexhaft ausgelöst gewesen (z.B. durch das Nachlaufen hinter einem Ball auf die Fahrbahn). Deshalb ist das Kind für die von der Fußgängerin erlittenen Verletzungen verantwortlich und hat den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen.

Hinweis: Kinder sind jedoch bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres strafrechtlich nicht verantwortlich.

Das Urteil ist abrufbar unter https://voris.wolterskluwer-online.de/browse/document/9f9802f6-5ea5-419a-aada-b900bb97d876

Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)