18.03.2019

Ist Selbsthilfe bei Wegschieben eines die Ausfahrt zuparkenden Autos zulässig?

Ein Mieter einer Garage darf ein davor geparktes und die Zufahrt versperrendes Auto aufgrund besitzrechtlicher Selbsthilfe selbst beiseiteschieben und der Eigentümer des Autos hat keinen Anspruch auf Ersatz des Schadens, der eventuell beim Wegschieben fahrlässig verursacht worden ist (AG München, Urteil vom 13.06.2018, Az. 132 C 2617/18).

Auto wegschieben

Verlangen auf Schadensersatz

Der Kläger wollte einen gekauften Schrank abholen und parkte vor der Garage des Beklagten. Der Beklagte wollte anschließend in seine Garage einfahren. Er stieg deswegen aus seinem Auto aus, um den Fahrer des behindernden Fahrzeugs zu bitten, zur Seite zu fahren. Er stellte fest, dass in dem Fahrzeug kein Fahrer und die Tür des Fahrzeugs nicht verschlossen war. Er will die Tochter des Klägers nach dem Fahrer gefragt haben, diese habe aber nicht angeben können, wann der Vater zurückkomme. Um das Hindernis zu beseitigen schob er das Fahrzeug samt Anhänger nach vorn und so zur Seite der Einfahrt. Dort zog er dann die Handbremse an. Der Zündschlüssel des klägerischen Fahrzeugs steckte zu dieser Zeit nicht im Schloss. Danach parkte er sein Fahrzeug in seiner Garage. Der Kläger kam zum Fahrzeug zurück, als der Beklagte in den Hof gefahren war, nach eigener Einschätzung etwa drei Minuten nach dem Abstellen des Fahrzeugs. Danach habe er beim Weiterfahren bemerkt, dass das bis dahin intakte Getriebe durch das Schalten bei abgezogenem Zündschlüssel beschädigt worden sei. Für Reparatur und Mietwagen habe er 1.332,94 Euro bezahlen müssen.

Keine Schadensersatzpflicht

Das AG München hat die Klage gegen den Beklagten auf Schadensersatz abgewiesen. Nach Auffassung des Amtsgerichts ist der Schadensersatzanspruch unbegründet. In Betracht komme als Anspruchsgrund nur eine Schadensersatzpflicht aus deliktischen Anspruchsgrundlagen. Diese setzten aber ein Verschulden voraus, also die Vorwerfbarkeit und damit die Widerrechtlichkeit des als schadensbegründend geltend gemachten Verhaltens. Schon hieran fehle es. Das Verhalten des Beklagten sei durch besitzrechtliche Selbsthilfe gedeckt und deswegen nicht widerrechtlich gewesen.

Selbsthilfe wegen Besitzstörung

Der Kläger habe den Beklagten durch die Verhinderung der Zufahrt in dessen Besitzrecht an seiner Garage gestört und sei deswegen zur Beendigung der Störung verpflichtet gewesen. Diese Beseitigung habe der Beklagte selbst vornehmen dürfen, und zwar mit Gewalt, § 865 BGB. Zwar unterliege auch das Selbsthilferecht den Schranken des Übermaßverbots, sodass bei geringfügigen Störungen nicht uneingeschränkt „Gewalt“ angewendet werden dürfe. Dass das Verstellen des Schalthebels eines Automatikgetriebes, ohne dass der Zündschlüssel stecke, zu einer Beschädigung des Getriebes führe, sei (bei Wahrunterstellung dieser bestrittenen Behauptung) jedenfalls nicht so offensichtlich, dass sich dies jedermann aufdränge. Das Verhalten des Beklagten sei nur fahrlässig. Aufgrund der berechtigten Reaktion auf eine Besitzstörung verliere aber das Verhalten in diesem Umfang seine Vorwerfbarkeit. Der Beklagte habe das fremde Auto öffnen, den Schalthebel auf Fahrt umschalten und das Auto wegschieben dürfen, da nicht für jeden offensichtlich gewesen sei, dass das Auto dadurch beschädigt werden würde. Entgegen der Auffassung der Klägerseite habe der Beklagte auch nicht abwarten müssen.

Wann ist ein Abwarten erforderlich?

Nur wenn ersichtlich sei, dass die Störung sofort behoben werde, also der gestörte Besitzer mit der Beseitigung der Störung nicht schneller sein würde als der Störer, wäre ein „Abwarten“ zu fordern. Unstrittig sei, dass für den Beklagten nicht zu ersehen gewesen sei, wann der Kläger zum Auto zurückkommen würde. Auch etwa eine sofortige Erreichbarkeit über eine Handynummer sei nicht auf einem Zettel hinter der Windschutzscheibe sichtbar vermerkt gewesen.

Hinweis: Das Urteil ist rechtskräftig.

Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)