15.03.2012

Abschleppkosten nicht gezahlt: Abschleppunternehmen darf Autos einbehalten

Ein privater Abschleppdienst muss ein abgeschlepptes Auto nicht herausgeben, bevor die Abschleppgebühr vollständig bezahlt ist (BGH, Beschluss vom 02.12.2011, Az. V ZR 30/11).

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Ein privater Abschleppdienst muss ein abgeschlepptes Auto nicht herausgeben, bevor die Abschleppgebühr vollständig bezahlt ist (BGH, Beschluss vom 02.12.2011, Az. V ZR 30/11).

Am 05.01.2010 stellte die Klägerin ihr Fahrzeug unbefugt auf dem Kundenparkplatz eines Supermarkts ab. Aufgrund eines Rahmenvertrags mit dem Betreiber des Supermarkts, der u.a. die Abtretung von Ansprüchen gegen unberechtigte Nutzer enthält, schleppte die Beklagte das Fahrzeug ab und brachte es auf einen öffentlichen Parkgrund.

Da die Klägerin nicht bereit war, den Rechnungsbetrag über netto 219,50 € (Grundgebühr mit Versetzung) zu begleichen, gab die Beklagte ihr den Standort des Fahrzeugs nicht bekannt.

Die ursprünglich auf Herausgabe des Fahrzeugs Zug um Zug gegen Zahlung von (nur) 150 € sowie auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung gerichtete Klage der Klägerin hatte das Landgericht abgewiesen.

Nachdem die Beklagte der Klägerin den Standort des Fahrzeugs mitgeteilt hatte, haben die Parteien im Berufungsverfahren den Herausgabeantrag übereinstimmend für erledigt erklärt.

Hinsichtlich der weiterhin verlangten Nutzungsentschädigung in Höhe von 3.758 € war die Berufung erfolglos geblieben. Mit der vom Kammergericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung weiter.

Entscheidungsgründe

  • Zu den erstattungsfähigen Kosten für die Entfernung eines unbefugt auf einem Privatgrundstück abgestellten Fahrzeugs zählen nicht nur die Kosten des reinen Abschleppens, sondern auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs entstehen.
  • Nicht erstattungsfähig sind dagegen die Kosten, die nicht der Beseitigung der Besitzstörung dienen, sondern im Zusammenhang mit deren Feststellung angefallen sind, wie etwa die Kosten einer Parkraumüberwachung.
  • Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung, da sich die Beklagte mit der Herausgabe des Fahrzeugs bzw. der Bekanntgabe seines Standorts nicht in Verzug befunden hat, besteht nicht.
  • Die Beklagte hat zu Recht ein Zurückbehaltungsrecht wegen der ihr abgetretenen Schadensersatzforderung der Supermarktbetreiberin ausgeübt. Die mit dieser vereinbarten Abschleppkosten in Höhe von netto 219,50 € sind angemessen. Maßgeblich sind nicht allein die für das Umsetzen eines Fahrzeugs anfallenden Kosten. Vielmehr sind auch die Kosten einzubeziehen, die der Vorbereitung dieses Vorgangs dienten, da es sich um Maßnahmen handelte, die die normale Mühewaltung eines Geschädigten überschritten. Schließlich hat die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.
  • Ein Anspruch der Klägerin gemäß § 990 Abs. 1 Satz 2, § 280 Abs. 1 und 2, § 286 BGB auf Ersatz des Nutzungsausfallschadens wird verneint, da sich die Beklagte mit der Herausgabe des Fahrzeugs nicht in Verzug befand; es bestand ein Zurückbehaltungsrecht. Durch das unbefugte Parken ist dem Betreiber des Supermarkts ein Schaden entstanden, dessen Ersatz die Beklagte von der Klägerin verlangen kann, weil ihr der Betreiber des Markts seine Ansprüche abgetreten hat.
  • Rechtsgrundlage des der Beklagten abgetretenen Anspruchs ist § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 858 Abs. 1 BGB (verbotene Eigenmacht mit Erwehrungsrecht-Selbsthilfe). Die Klägerin ist daher verpflichtet, dem Betreiber des Supermarkts den ihm aus der verbotenen Eigenmacht entstandenen Schaden zu ersetzen.
  • Der Umfang des Schadens richtet sich nach § 249 Abs. 1 BGB. Dabei ist eine „Grundgebühr“ (Kosten, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Abschleppens entstanden sind, etwa durch die Überprüfung des unberechtigt abgestellten Fahrzeugs, um den Halter ausfindig zu machen, die Zuordnung des Fahrzeugs in eine bestimmte Fahrzeugkategorie und die Anforderung eines geeigneten Abschleppfahrzeugs) ansatzfähig. Sie ist Teil des ausgeübten Selbsthilferechts nach § 859 BGB.
  • Der Geschädigte hat den auf Freistellung von seiner Zahlungsverpflichtung gegenüber der Beklagten gerichteten Schadensersatzanspruch wirksam an die Beklagte abgetreten, wodurch er sich in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat.
  • Das Unternehmen hat das Auto zu Recht zurückgehalten, um die Erstattung der Abschleppkosten zu erreichen. Dies war verhältnismäßig.
  • Die Klägerin hätte im Übrigen damit rechnen müssen, dass das Fahrzeug kostenpflichtig abgeschleppt wird, da ein Schild darauf hingewiesen habe. Zudem wäre es auch leicht möglich gewesen, den Betrag als Sicherheit zu hinterlegen und damit die Auslösung des Fahrzeugs zu erreichen.

Leistungsbescheid für abgeschleppte Fahrzeuge

Ein Muster mit ausführlicher Begründung für einen Leistungsbescheid für das Abschleppen eines verkehrswidrig abgestellten Fahrzeugs finden Sie im Aufgabenfeld „Straßenverkehr: Abschleppen von Fahrzeugen“ in der „Ordnungsamtspraxis“.

Autor*in: WEKA Redaktion