10.02.2012

Gebühr für die Paginierung einer Behördenakte beim Gewähren von Akteneinsicht nicht rechtmäßig

Es gibt nicht wenige Bevollmächtigte, die gerne zusätzlich zur Streitfrage in der Hauptsache weitere Nebenkriegsschauplätze eröffnen. Ein Landratsamt in Baden-Württemberg geriet zu seinem Pech an einen solchen Bevollmächtigten. Er veranlasste, dass das VG Karlsruhe dem Landratsamt die Grundzüge des Aktenführungs- und Gebührenrechts erläuterte (Urteil vom 26.07.2011, 6 K 2797/10).

Gebühr Akteneinsicht

Gebühren für Kopieren und Paginieren der Behördenakte

Eine Behörde übersandte dem Bevollmächtigten eines Beteiligten eine Kopie der dort angelegten Akte. Weil der Bevollmächtigte bereits 2007 in der gleichen Angelegenheit Akteneinsicht hatte, wurde nur der seitdem angelegte Akteninhalt dem Bevollmächtigten in Kopie vorgelegt. Damit nicht genug: In ihrem Gebührenbescheid verlangte die Behörde Gebühren für das Kopieren und Paginieren (Seitennummerierung) der Behördenakte.

Der Bevollmächtigte erhob gegen den Gebührenbescheid Widerspruch und begründet diesen wie folgt:

  1. Die Behörde habe die Akteneinsicht nicht vollständig erbracht und könne daher keine Gebühr erheben.
  2. Es sei ohnehin Aufgabe einer Behörde, die Seitenzahlen ihrer Akten zu nummerieren. Daher könne sie dem Beteiligten nicht die Kosten der Seitennummerierung aufbürden.

Weil der Widerspruch des Bevollmächtigten zurückgewiesen wurde, musste sich das VG Karlsruhe mit der Sache befassen.

Die Entscheidung des Gerichts

Nach dem Landesgebührengesetz, so eröffnete das Verwaltungsgericht seine Lehrstunde, setzen die Behörden für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen Gebühren und Auslagen fest. Die Gebühren- und Auslagenschuld entsteht bei öffentlichen Leistungen, die auf Antrag erbracht werden, mit dessen Eingang bei der Behörde, bei nicht antragsgebundenen und sonstigen öffentlichen Leistungen mit deren Beginn.

  1. Beim Akteneinsichtsgesuch nach § 29 LVwVfG handelt es sich um eine öffentliche Leistung, also um behördliches Handeln, erläuterte das Verwaltungsgericht. Die Handlung umfasst bei der Gewähr von Akteneinsicht zumindest das Ziehen der Akten sowie ihre Versendung.
  2. Bei der Gewähr von Akteneinsicht handelt es sich auch um eine antragsgebundene öffentliche Leistung. Dass die Behörde dem Akteneinsichtsgesuch nur teilweise nachgekommen ist, ist für die Entstehung der Gebührenschuld unerheblich. Sie ist – das Vorliegen der übrigen Tatbestandsmerkmale vorausgesetzt – nur von der Antragstellung abhängig, ohne nach Art und Umfang des Antrags zu differenzieren. Die Behörde hat dies bei der konkreten Festsetzung der Gebührenhöhe innerhalb des gegebenen Gebührenrahmens zu berücksichtigen.

Behörde bestimmt nicht, welchen Inhalt Antragsteller einsehen darf

Es bleibt dem Bevollmächtigten unbenommen, die vollständige Erfüllung seines Akteneinsichtsgesuchs einzufordern und notfalls gerichtlich durchzusetzen. Werde Akteneinsicht beantragt, könne die Behörde nicht von sich aus bestimmen, welchen Inhalt der Antragsteller einsehen dürfe und welchen nicht.

Ohne Umwege zeigte das VG dem Landratsamt einen weiteren Fehler auf

  1. Die Gebührenfestsetzung leidet an einem Ermessensfehler, entschied das Gericht.
  2. Die konkrete Gebührenfestsetzung verletzt den Kostendeckungsgrundsatz und ist evident überhöht.
  3. Das Paginieren der Akte hätte nicht in die Bemessung des Verwaltungsaufwands eingestellt werden dürfen. Denn es handelt sich nicht um eine dem Bevollmächtigten zurechenbare öffentliche Leistung, sondern um eine solche, die ohne Weiteres und ohne Veranlassung von der Behörde vorzunehmen ist, weil § 29 LVwVfG – mittelbar – eine Verpflichtung zum Führen der Akten zu entnehmen ist.
  4. Das Gebot der Aktenmäßigkeit, also die Verpflichtung zum Führen von Akten, umfasst daher auch das Gebot der Vollständigkeit der Akten und der Aktenerhaltung sowie das Verbot der Aktenverfälschung. Letzteres soll eine wahrheitsgetreue Aktenführung gewährleisten. Hierzu gehört auch das fortlaufende Paginieren der Behördenakten. Es stellt u.a. sicher, dass die Akte nicht vor einer Akteneinsicht verändert werden kann, indem unpaginierte Bestandteile der Akte entfernt oder hinzugefügt werden. Folglich kann das Paginieren nicht über Gebühren abgegolten werden.

Ergebnis

Der Bevollmächtigte errang auf diesem Nebenkriegsschauplatz einen Sieg; der Gebührenbescheid des Landratsamts wurde vom Gericht aufgehoben.

Das Urteil können Sie hier nachlesen.

Autor*in: WEKA Redaktion