28.11.2023

Formelle Voraussetzungen der Anordnung des Sofortvollzugs

Ein Behördenmitarbeiter verhob sich gewaltig, als er ein Haltungsverbot von Rindern „ab sofort“ anordnete (OVG Schleswig, Beschl. vom 06.10.2023, Az. 4 MB 30/23).

Anordnung des Sofortvollzugs

Sofortiges Haltungsverbot …

Einem Landwirt wurde „ab sofort und auf Dauer“ das Halten und Betreuen von Rindern mündlich untersagt.

Er erhob Widerspruch gegen die Untersagung und beantragte, dessen aufschiebende Wirkung gerichtlich anzuordnen.

… entgegen den gesetzlichen Vorgaben

VG und OVG entschieden einstimmig:

  • Die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO stellt eine Ausnahmevorschrift dar, nach der Verfügungen insbesondere in Fällen, in denen eine Letztentscheidung in der Hauptsache nicht abgewartet werden kann, bereits vor dem Ende des Verfahrens vollzogen werden können.
  • Die sofortige Vollziehung muss „besonders angeordnet“ werden. Notwendig ist eine entsprechende behördliche Willensentschließung, die dem Betroffenen mitgeteilt wird.
  • Dafür reicht weder die tatsächliche Vollziehung oder Einleitung der Vollstreckung eines Verwaltungsakts noch die Annahme einer konkludenten Anordnung. Sie muss ausdrücklich erfolgen.
  • Das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts ist gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO schriftlich zu begründen. Auch die Offensichtlichkeit der Gründe für den Sofortvollzug rechtfertigen in aller Regel keine Ausnahme vom Begründungszwang, wie die ausdrückliche Regelung in § 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO zeigt.
  • Der gesetzliche Ausschluss der aufschiebenden Wirkung bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten (§ 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) erfasst ausdrücklich nur Verwaltungsakte des Polizeivollzugsdienstes. Dieses Privileg gilt aber nicht für – unaufschiebbare – Anordnungen und Maßnahmen der Ordnungsbehörden.

Daraus folgt:

  1. Die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO muss im Zeitpunkt der Anordnung schriftlich vorliegen.
  2. Fehlt die schriftliche Begründung im Zeitpunkt der Anordnung, kann sie nicht nachgeholt werden. Eine (entsprechende) Anwendung von § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG kommt nicht in Betracht.
  3. Auf die Begründung kann unter den Voraussetzungen von § 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO (insbesondere bei Gefahr im Verzug) verzichtet werden.
Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)