09.01.2018

Bundesrat will Durchführen von „Kaffeefahrten“ erschweren

Jedes Jahr nehmen rund 5 Millionen Menschen an „Kaffeefahrten“, gesetzestechnisch als „Wanderlager“ bezeichnet, teil und geben hierbei ungefähr 500 Millionen Euro aus. So mancher Teilnehmer kauft etwas ein, was er gar nicht wollte oder nicht gebrauchen kann. Um den schwarzen Schafen unter den Anbietern von Kaffeefahrten ihr Treiben zu erschweren, nimmt der Bundesrat einen erneuten Anlauf zum Ändern der GewO.

Kaffeefahrt

Bereits im Jahr 2015 hat der Bundesrat einen Gesetzentwurf eingebracht, um die rechtlichen Hürden zum Durchführen von Wanderlagern zu erschweren. Dieser Vorstoß ist leider im Sande verlaufen. Mit Beginn der neuen Legislaturperiode hat der Bundesrat den Gesetzentwurf zum Ändern des § 56 a GewO aus dem Jahr 2015 erneut eingebracht.

Welche Probleme sieht der Bundesrat in der bisherigen Rechtslage?

  • Bisher, so der Bundesrat in seinem Gesetzentwurf, können die Gewerbeämter nicht immer rechtzeitig eingreifen und ein unzulässiges Wanderlager untersagen.
  • Nach derzeitiger Rechtslage ist nur die Veranstaltung als solche anzeigepflichtig, nicht jedoch der in der Regel mit der Veranstaltung einhergehende Transport der Teilnehmer durch ein Beförderungsunternehmen, welches mit dem Veranstalter zusammenarbeitet. Die Gewerbeämter können also bisher – auch bei rechtzeitiger und ordnungsgemäßer Anzeige – nicht wissen, wo eine unseriöse Kaffeefahrt beginnt.
  • Veranstalter mit Niederlassung im europäischen Ausland können Verkaufsveranstaltungen im Inland ohne vorherige Anzeige durchführen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 GewO). Die Gewerbeämter erfahren also nur durch Zufall von solchen Veranstaltungen, z. B. durch Zeitungsanzeigen oder Flyer. Viele Veranstalter sind sich dieser Lücke bewusst und operieren unter dem Deckmantel der Dienstleistungsfreiheit vom Ausland aus.
  • In ähnlicher Weise gibt es Probleme bei der umgekehrten Konstellation, wenn die Teilnehmer des Wanderlagers vom Inland ins Ausland zur Veranstaltung gebracht werden. Denn bislang muss zwar die öffentliche Ankündigung den Anforderungen der GewO genügen, aber eine Anzeige – als Voraussetzung eines Eingreifens der Ordnungsbehörde – ist in diesem Fall nicht erforderlich.
  • Außerdem sind die Bußgelder, die bisher für Verstöße gegen die Vertriebsverbote und die Anzeigepflicht verhängt werden können, so niedrig, dass sie keine abschreckende Wirkung entfalten. Vielmehr werden die Bußgelder in die Verkaufspreise einkalkuliert.
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Welche Maßnahmen schlägt der Bundesrat nun vor?

  • Die Gewerbeämter sollen auch dann von einer Verkaufsveranstaltung mittels einer Anzeige des Veranstalters erfahren, wenn dieser im europäischen Ausland niedergelassen ist und die Veranstaltung im Inland stattfinden soll.
  • Auch der spiegelbildliche Fall, d.h. Transportieren von Teilnehmern aus dem Inland zu einer Verkaufsveranstaltung ins Ausland, soll anzeigepflichtig sein.
  • Folgende Tätigkeiten sollen künftig bei Veranstalten eines Wanderlagers verboten sein: Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln und Medizinprodukten, Anbieten von Finanzdienstleistungen sowie Pauschalreisen.
  • Die Ordnungswidrigkeitentatbestände des § 145 GewO sollen um den Faktor 10 angehoben werden. Der bisherige Höchstbetrag von 1.000 Euro bei einer pflichtwidrig unterlassenen Anzeige soll nach den Vorstellungen der Länderkammer auf 10.000 Euro steigen.
  • Zudem soll ein neuer Tatbestand eingeführt werden, der besondere Fälle von Unterstützungshandlungen als Ordnungswidrigkeit benennt und damit die Mitverantwortung der häufig arbeitsteilig vorgehenden Personen besser erfassen soll. Dabei geht es um Mitwirkende, auf deren Zusammenarbeit die Veranstalter angewiesen sind und die wirtschaftlich von den rechtswidrigen Verkaufsveranstaltungen profitieren. Wenn diese Personen bewusst Unterstützungshandlungen erbringen, sollen sie mit einem Bußgeld belegt werden können.

Hat die Gesetzesinitiative Aussicht auf Erfolg?

Leider ist der erste Vorstoß des Bundesrates in der abgelaufenen Legislaturperiode im Sande verlaufen. Nicht nur aus der Sicht der Gewerbeämter, sondern auch aus Gründen des Verbraucherschutzes wäre es wünschenswert, wenn der Bundestag die schwere Last der unzähligen Lobbyisten abschüttelt und die neue Gesetzesinitiative in eine Änderung der GewO münden lässt. Zum Schutz der an Kaffeefahrten teilnehmenden Personen, die oft schutzlos dem gewieften Treiben der Veranstalter ausgesetzt sind, wäre es sogar wünschenswert, Erlaubnispflichten einzuführen.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)