09.11.2015

Vertreterbesuche von Bestattern?

Bestatter und Steinmetze arbeiten nicht nur für Gottes Lohn. Sie sind Unternehmer und brauchen Aufträge, um geschäftlich erfolgreich zu sein. In Zeiten mit großem Konkurrenzdruck kann es sogar ums bloße Überleben gehen. Kein Wunder, dass so manche auf die Idee kommen: „Wenn Staubsauger-Vertreter potentiellen Kunden ihre hochpreisigen Produkte zu Hause verkaufen können, dann können wir so auch Aufträge für Bestattungen oder Grabsteine an Land ziehen.“ Nur sind ihnen unaufgeforderte Vertreterbesuche überhaupt erlaubt?

Vertreterbesuche von Bestattern

Grenzen der Akquise

Nach einem Todesfall dürfen Bestatter und ihre Angestellten die Hinterbliebenen nicht einfach unaufgefordert aufsuchen, um ihnen ihre Dienst anzubieten. Man stelle sich die skurrile Szene vor: Die von allen geliebte Oma ist überraschend verstorben. Die Kinder und Enkel sind von ihrem Schmerz überwältigt und haben sich im Haus der Oma versammelt. Gleichzeitig erfahren einige Bestatter und Steinmetze des Orts vom Todesfall. Getreu dem Motto: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ klingelt auch schon der erste an der Tür des Trauerhauses – ein Steinmetz.

Die Hinterbliebenen sind völlig unvorbereitet und überrascht. Er versucht mit Nachdruck im Trauerhaus seine Produkte vorzustellen und ein Grabmal zu verkaufen. Die völlig überrumpelten Hinterbliebenen können gar nicht nüchtern und klar denken. Für Oma ist ihnen nichts zu schade. Der Steinmetz erinnert sie an die vielen schönen Stunden mit ihr. Sie sind ihr unendlich dankbar, möchten ihr Andenken wahren. In dieser besonderen seelischen Verfassung ist das Urteilsvermögen der Hinterbliebenen beeinträchtigt. Der Steinmetz nutzt die Gunst der Stunde und erhält durch geschicktes Taktieren den Auftrag für ein großes Grabmal. Dann klingelt es wieder laut und vernehmlich – jetzt stehen zwei Bestatter vor der Tür…

Schon im „Grabsteinaufträge“-Urteil hat daher der Bundesgerichtshof im Jahre 1967 ausgeführt, dass „nach der Auffassung der Allgemeinheit vor der Heiligkeit des Todes und vor dem Schmerz der Hinterbliebenen alle Wettbewerbshandlungen haltzumachen haben, auch wenn gegen sie sonst im geschäftlichen Verkehr nichts einzuwenden sein mag.“ Sonst wird gegen die Grundsätze des lauteren Wettbewerbs verstoßen. Auch wenn eine „Schamfrist“ von Wochen, Monaten oder Jahren eingehalten wird, sind ungebetene Hausbesuche untersagt.

Denn immer wird in die Intimsphäre der Hinterbliebenen eingegriffen. „Die Entscheidung, ob ein Grabmal gesetzt werden soll, bleibt immer eine höchstpersönliche, die von Dritten, die nur aus wirtschaftlichem Gewinnstreben handeln, nicht durch Appelle an ideelle Gründe beeinflusst werden soll.“ Auch nach Ablauf einer Karenzzeit besteht die Gefahr, dass unaufgeforderte Vertreterbesuche massiert auftreten. Ein Vertreterbesuch ist nur dann zulässig, wenn das betreffende Unternehmen dazu aufgefordert worden ist.

Aber auch wenn die Kunden von morgen noch leben, ist es den Bestattern und Steinmetzen verwehrt, diese mit ungebetenen Vertreterbesuchen zu behelligen: Auf diese Weise dürfen sie nicht bei noch lebenden Personen dafür werben, Verträge für ihre spätere Bestattung abzuschließen. Denn die wird laut Bundesgerichtshof als taktlos und dem Anstandsgefühl zuwider laufendend empfunden.

Unaufgeforderte Vertreterbesuche sind also in jedem Fall unzulässig!

Autor*in: Astrid Hedrich (Rechtsanwältin und Dozentin in Augsburg. Beschäftigt sich mit Wirtschaftsrecht.)