10.03.2016

9 häufige Fehler zu den VOB-Ausführungsfristen – So vermeiden Sie sie

Die Einhaltung bzw. die Überschreitung der Bauzeit spielt in der Baupraxis eine überragende Rolle. Die Zeitpläne sind eng gesteckt und häufig nur in der Theorie einzuhalten. Nicht selten ist die schuldhafte Überschreitung der Fertigstellungsfrist unter Vertragsstrafe gestellt. Damit Sie keine bösen Überraschungen erleben, sollten Sie die folgenden Fehler vermeiden.

Fehler bei Ausführungsfristen

 

Unterscheide Kontroll- und verbindliche Vertragsfrist

Noch immer hat es sich in der Bauwirtschaft kaum herumgesprochen, dass es zwei unterschiedliche Arten von Fristen gibt. Zum einen existieren die sog. bloßen Kontrollfristen. Ihre Überschreitung führt noch nicht zu unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen. Insbesondere gerät der Auftragnehmer durch die Überschreitung bloßer Kontrollfristen noch nicht in Verzug. Schadensersatz, die Vertragsstrafe oder die Kündigung drohen also nicht unmittelbar.

Anders ist das bei sog. verbindlichen Vertragsfristen. Dabei handelt es sich um Fristen „erster Klasse“. Werden sie schuldhaft überschritten, so gerät der Auftragnehmer unmittelbar in Verzug und der Auftraggeber kann die oben genannten Ansprüche geltend machen.

Wann sind Fristen bloße Kontrollfristen und wann verbindliche Vertragsfristen? Im Prinzip gilt: Alle vereinbarten Fristen sind für sich genommen zunächst einmal nur Kontrollfristen. Eine Ausnahme gilt hier allerdings für den Beginn- und den Fertigstellungstermin. Diese sind per se von so großer Bedeutung, dass sie verbindliche Vertragsfristen bzw. -termine sind. Bloße Zwischenfristen sind dagegen regelmäßig keine verbindlichen Vertragsfristen, sondern nur, wenn dies im Vertrag ausdrücklich so vereinbart wurde.

Ob Sie durch die Überschreitung einer Frist bereits in Verzug geraten sind, hängt maßgeblich von der rechtlichen Qualität der Frist ab.

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Fehlende Vereinbarung einer Fertigstellungsfrist ist kein Freibrief

Häufig meinen Auftragnehmer, ihnen sei der Ausführungszeitraum freigestellt, wenn keine verbindlichen Ausführungsfristen vereinbart worden sind. Das ist ein Irrtum. Ganz im Gegenteil gilt: Wird keine Fertigstellungsfrist bzw. kein Fertigstellungstermin vereinbart, dann muss der Auftragnehmer die Leistung im Zweifel sofort ausführen. Dabei muss ihm natürlich ein „angemessener“ Ausführungszeitraum zur Verfügung stehen. Was das genau bedeutet, ist eine Frage des Einzelfalls.

Natürlich vertreten hierzu Auftraggeber und Auftragnehmer regelmäßig völlig unterschiedliche Ansichten. Das birgt für den Auftragnehmer erhebliche Gefahren.

Beispiel

Der Auftragnehmer meint, der angemessene Ausführungszeitraum für ein Einfamilienhaus liege bei neun Monaten. Als der Auftragnehmer nach sechs Monaten noch nicht fertig ist, setzt ihm der Auftraggeber Fristen zur Fertigstellung und kündigt schließlich nach sieben Monaten den Bauvertrag. Im Rechtsstreit vor Gericht bestätigt ein gerichtlich bestellter Sachverständiger, dass man das Gebäude in sechs Monaten hätte fertigstellen können. Der Auftragnehmer muss dem Auftraggeber die entstandenen Mehrkosten sowie den eingetretenen Verzugsschaden ersetzen, denn seine Kündigung war berechtigt.

Die Vereinbarung von Ausführungsfristen hat demgegenüber – auch für den Auftragnehmer – den Vorteil der Rechtssicherheit. Streitfälle über die Angemessenheit eines Ausführungszeitraums werden vermieden.

 

Der Auftragnehmer nimmt eine Abhilfeanordnung des Auftraggebers nicht ernst

Viele Auftragnehmer meinen, Ansprüche wegen Verzug und die Vertragskündigung kämen erst in Betracht, wenn verbindliche Vertragsfristen überschritten wurden. Dabei wird häufig übersehen, dass dem Auftraggeber die Möglichkeit einer sog. Abhilfeanordnung zur Verfügung steht, die schon vor Fristablauf greifen kann. Dabei geht es um Folgendes: Muss der Auftraggeber aufgrund des Bautenstands und der Baustellenbesetzung davon ausgehen, dass der Auftragnehmer den vereinbarten Fertigstellungstermin nicht einhalten wird, dann muss er nicht bis zum Ablauf dieses Termins warten. Er kann den Auftragnehmer vielmehr zur Aufstockung der Baustellenbesetzung (Personal, Maschinen u.Ä.) auffordern, um die Einhaltung des Termins sicherzustellen (sog. Abhilfeanordnung). Kommt der Auftragnehmer dem (auch nach Nachfristsetzung) nicht nach, so drohen Ansprüche wegen Verzug und sogar die Vertragskündigung.

Im Streitfall muss der Auftraggeber zwar beweisen, dass der Auftragnehmer tatsächlich die Fertigstellungsfrist nicht eingehalten hätte. Hier kommen dem Auftraggeber allerdings Beweiserleichterungen zugute. Hat der Auftragnehmer beispielsweise bereits eine oder mehrere Zwischenfristen überschritten, so ist dies ein starkes Indiz dafür, dass er auch den Fertigstellungstermin nicht gehalten hätte. Deshalb gilt: Nehmen Sie Abhilfeanordnungen ernst. Stocken Sie also entweder tatsächlich Ihre Baustellenbesetzung auf oder legen Sie dem Auftraggeber substanziiert und im Einzelnen dar, dass und warum Sie den Fertigstellungstermin tatsächlich halten werden.

 

Die Haftung für Verzugsschäden ist nicht begrenzt

Gerät der Auftragnehmer mit der Ausführung in Verzug, so kann der Auftraggeber insbesondere Schadensersatz geltend machen. Der Auftraggeber ist nicht etwa auf die Geltendmachung der Vertragsstrafe beschränkt. Er kann auch einen etwaig darüber hinausgehenden Verzugsschaden geltend machen.

Beispiel

Bei einer Auftragssumme von 100.000 € ist eine 5 %ige Vertragsstrafe (5.000 €) vereinbart. Der Auftragnehmer wird tatsächlich sechs Wochen nach dem vereinbarten Termin fertig. Dem Auftraggeber sind durchaus Mieteinnahmen in Höhe von 12.000 € Er ist deshalb nicht auf die Geltendmachung der Vertragsstrafe in Höhe von 5.000 € beschränkt, sondern kann den ihm konkret entstandenen Schaden (12.000 €) geltend machen.

In einem GU-Verhältnis (Bauherr–Generalunternehmer–Nachunternehmer) ist es sogar denkbar, dass der GU die Schadensersatzforderung des Bauherrn an den Nachunternehmer durchreicht. Dabei ist es ohne Weiteres denkbar, dass diese Schadensersatzansprüche den Vergütungsanspruch des Auftragnehmers übersteigen. Entgegen weitläufiger Meinung ist die Haftung des Nachunternehmers gerade nicht auf seine Auftragssumme beschränkt.

 

Unterscheide Störung und Unterbrechung

Zeigt der Auftragnehmer eine Behinderung in einem bestimmten Bauteil (z.B. Geschoss) an, so weisen viele Auftraggeber diese mit dem Hinweis zurück, in anderen Bereichen/Geschossen könne gearbeitet werden. Deshalb liege eine Behinderung nicht vor.

Lassen Sie sich von einer solchen Argumentation nicht einschüchtern. Der Auftraggeber irrt. Behinderungen sind Störungen im Bauablauf, die dessen Fortgang hemmen oder verzögern und dadurch unplanmäßig auf den vorgesehenen Produktionsablauf einwirken. Das ist schon der Fall, wenn der Auftragnehmer nicht wie geplant in einem bestimmten Bereich arbeiten kann. Eine Behinderung liegt also nicht erst vor, wenn es zu einem völligen Stillstand des Baugeschehens kommt. In diesem Fall spricht man von einer Unterbrechung.

Eine Behinderung liegt also grundsätzlich auch dann vor, wenn der Auftragnehmer in der Lage ist, den Bauablauf anzupassen und so eine Unterbrechung zu verhindern.

 

Normale Witterungsbedingungen sind keine Behinderung!

Es kommt immer wieder vor, dass Auftragnehmer eine Bauzeitverlängerung mit dem Argument verlangen, es habe schlechte Witterung vorgeherrscht. Dabei wird verkannt, dass normale Witterungsbedingungen (also solche, mit denen bei Vertragsabschluss gerechnet werden musste) keinen Behinderungsgrund darstellen.

Beispiel

Die Parteien haben für witterungsabhängige Arbeiten einen Ausführungszeitraum von Oktober bis März vereinbart. Als der Auftragnehmer den Fertigstellungstermin nicht einhält, beruft er sich auf fünf Frosttage im Dezember. Mit diesem Argument wird er nicht durchdringen, da in Deutschland fünf Frosttage im Dezember keineswegs ungewöhnlich sein dürften. Ungewöhnliche Witterungsbedingungen (z.B. eine ungewöhnliche Vielzahl von Frosttagen) können dagegen eine Behinderung rechtfertigen.

 

Der Auftragnehmer unterschätzt die Bedeutung einer Behinderungsanzeige

Nach dem Wortlaut der VOB (§ 6 Abs. 1 VOB/B) kann sich der Auftragnehmer auf Behinderungen, die er nicht angezeigt hat, grundsätzlich nicht stützen. Selbst wenn also die Behinderung eindeutig vorlag und beweisbar ist, so kann der Auftragnehmer daraus dennoch keine Ansprüche (z.B. Mehrkosten) herleiten, wenn er die Behinderung nicht schriftlich angezeigt hat (etwas anderes gilt nur bei Offenkundigkeit der Behinderung, dazu sogleich).

Möchte der Auftragnehmer wegen einer Behinderung Mehrkosten geltend machen (z.B. verlängerte Vorhaltung der Baustelleneinrichtung), so wird er diese regelmäßig nur durchsetzen können, wenn er tatsächlich die Behinderung auch angezeigt hat.

Beachte aber: Geht es dem Auftragnehmer nur darum, Ansprüche des Auftraggebers wegen verspäteter Fertigstellung (z.B. auf Schadensersatz oder Vertragsstrafe) abzuwehren, dann kommt es nur darauf an, ob die Behinderung tatsächlich vorlag. Für die Abwehr der Ansprüche ist es nicht zwingend erforderlich, dass die Behinderung auch angezeigt wurde.

 

Der Auftragnehmer bejaht voreilig die Offenkundigkeit einer Behinderung

In der Bauphase meinen Auftragnehmer häufig, eine vorliegende Behinderung sei für jedermann offenkundig und müsse nicht angezeigt werden. Richtig ist zwar, dass es im Fall der Offenkundigkeit keiner Behinderungsanzeige bedarf. Verkannt wird aber, dass die Behinderung in ihrem vollen Umfang offenkundig sein muss. Das bedeutet, dass der Auftraggeber nicht nur um den hindernden Umstand, sondern auch um die hindernde Wirkung wusste.

Beispiel

Die Ausführungsplanung obliegt nach dem Bauvertrag dem Auftraggeber. Dennoch hat dieser zum vereinbarten Baubeginn noch nicht einen einzigen Plan übergeben. Das ist unstreitig. Der Auftragnehmer meint, die Behinderung sei offenkundig. Der Auftraggeber gibt an, er sei davon ausgegangen, dass es auch Arbeiten gäbe, die der Auftragnehmer ohne Plan ausführen könne. Er habe deshalb geglaubt, dass der Auftragnehmer tatsächlich gar nicht in der Ausführung behindert sei. In einem solchen Fall ist tatsächlich sehr zweifelhaft, ob die Behinderung auch in ihren Auswirkungen für den Auftraggeber offenkundig war. Der Auftragnehmer läuft Gefahr, dass er sich auf die nicht angezeigte Behinderung nachträglich nicht berufen kann.

 

Mehrkosten bei Bauzeitverlängerung

Kommt es aufgrund von Behinderungen zu einer Bauzeitverlängerung, so steht dem Auftragnehmer regelmäßig ein Zahlungsanspruch zu. Häufig wird jedoch verkannt, dass der Auftragnehmer den Anspruch nicht nur der Höhe, sondern auch dem Grunde nach nachweisen muss.

Es genügt nicht, dass der Auftragnehmer nur berechnet, welche Schäden ihm durch die Bauzeitverlängerung entstanden sind (z.B. verlängerte Vorhaltung der Baustelleneinrichtung oder des bauleitenden Personals). Vielmehr muss der Auftragnehmer auch darlegen, dass die Bauzeitverlängerung nicht von ihm verursacht wurde. Dazu muss der Auftragnehmer den ursprünglich vorgesehenen Bauablauf und die aufgetretenen Behinderungen im Einzelnen darlegen und beweisen. Er muss nachweisen, dass die eingetretene Bauzeitverlängerung auf die Behinderungen zurückzuführen ist. Pauschale Behauptungen genügen nicht, der Auftragnehmer muss zum Bauablauf substanziiert vortragen. Erst wenn feststeht, dass dem Grunde nach überhaupt ein Anspruch gegeben ist, kommt es auf die Höhe im Einzelnen an.

Autor*in: Markus Fiedler (Rechtsanwalt Markus Fiedler. Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht. Partner der Sozietät Dieckert.Tätigkeitsschwerpunkte: Gestaltung von Ingenieur- und Bauverträgen, baubegleitende Rechtsberatung, Vertretung vor Gericht. Referent von baurechtlichen Schulungen tätig. Herausgeber der Werke "BGB und VOB für Handwerker und Bauunternehmer" und "Praxishandbuch Bauleitung und Objektüberwachung".)