15.12.2022

Leitfaden zum „Messen und Schätzen“ von Strommengen

Der finale Leitfaden zum Messen und Schätzen bei Umlagepflichten ist trotz Wegfall der EEG-Umlage immer noch aktuell. Gleich vorweg: Auf 85 Seiten bekommen Unternehmen eine Orientierung an die Hand, die ihnen das Messen und Abgrenzen von Drittstrommengen vereinfacht.

Snackautomat, Elektroauto, Druckgerät: Der neue Leitfaden der Bundesnetzagentur zum Messen und Schaetzen erleichtert deren Stromverbrauchsmessung

Der finale Leitfaden zum Messen und Schätzen ist gehörig mit Ein­zel­beispie­len und Ver­ein­fa­chun­gen zu folgenden Themen gespickt:

  • Einordnung des Stromverbrauchs (Eigen- oder Drittverbrauch)
  • Zurechnung von Drittverbräuchen (Bagatelle)
  • Abgrenzung durch Messung oder Schätzung

Hinweis: Wegfall der EEG-Umlage seit Januar 2023, doch Leitfaden weiterhin relevant:

Das Energiefinanzierungsgesetz bündelt die Regelungen zu Umlagen im Stromsektor. Die EEG-Umlage fällt künftig weg, die Besondere Ausgleichsregelung greift nun „nur“ noch für die KWK-Umlage und die Offshore-Netzumlage. Die Gesetzesbegründung zum Energiefinanzierungsgesetz stellt jedoch klar, dass der Leitfaden der Bundesnetzagentur zum Messen und Schätzen aus dem Oktober 2020 auch unter der neuen Rechtslage entsprechend angewendet werden kann.

Hintergrund: Warum dieser Leitfaden zum Messen und Schätzen bei den Umlagepflichten bitter nötig war

Seit Jahren bereitet das Messen und Schätzen von Drittstrommengen allen Beteiligten Kopfzerbrechen. Hintergrund ist folgender: Reduzierte Stromumlagen gelten bei der besonderen Ausgleichsregelung für stromkostenintensive Unternehmen. Dieses Privileg gilt aber wirklich nur für Strom, den das Unternehmen selbst verbraucht. Sogenannte Drittverbräuche, wie z.B. geleaste Multifunktionsdrucker oder auch nur der Staubsauger der Reinigungskraft, müssen Unternehmen davon abgrenzen. Für sie gelten die vollen Umlagen.

Damit Unternehmen jetzt aber nicht für jedes bisschen Strom eine teure, eichrechtskonforme Messung durchführen müssen, gibt es die Möglichkeit, Verbräuche zu schätzen und Bagatellverbräuche dem Eigenverbrauch zuzuschlagen. Welche Stromverbräuche sind aber wie genau zu messen? Wer zwei Experten fragte, bekam drei Antworten. Erschwerend kam hinzu, dass die Unterschlagung der weitergeleiteten Mengen zu Nachzahlungen und Strafen führen konnte (und es immer noch tut).

Lesetipp:

Mehr zu den Hintergründen lesen Sie im Beitrag über die >>>> Weiterleitung von Strom an Dritte.

Deshalb war es so wichtig, dass die Bundesnetzagentur in diesem Leitfaden „ihr Grundverständnis zu den Regelungen zum Messen und Schätzen“ dargelegt hat.

Einige inhaltliche „Highlights“ aus dem Leitfaden zum Messen und Schätzen

Anhand von Praxisbeispielen erläutert der Leitfaden, was geringfügige Stromverbräuche sind und wann diese zur Eigenversorgung zählen. Dabei nennt er vor allem Vereinfachungsmöglichkeiten, die es Unternehmen erlauben, auf teure Messinfrastruktureinrichtungen zu verzichten.

Auch Geräte mit einem Verbrauch über 3.500 kWh pro Jahr können unter die Bagatellgrenze fallen, wenn sie nur hin und wieder Strom verbrauchen. Multifunktionsdrucker z.B. müssen – unabhängig von etwaiger Betreibereigenschaft oder Gesamtstrommenge – nicht geeicht gemessen werden. Kostspielige technische Aufrüstungen sind nicht nötig. Das Gleiche gilt für die mitgebrachte Kaffeemaschine oder den Laptop des Hotelgasts. Der Leitfaden nennt aber auch Fälle, in denen der Drittverbrauch nicht unter die Bagatellgrenze fällt, z.B. bei von Dienstleistern betriebenen Kaffee- oder Snackautomaten.

Hervorzuheben sind die Konkretisierungen für Elektromobilität. Der Leitfaden stellt hier klar: Stromverbraucher ist der Halter (meist das Unternehmen selbst). Er, nicht der Ladesäulenbetreiber, ist dafür verantwortlich, Strommengen abzugrenzen. Der Halter verbraucht als Betreiber des Elektromobils den Strom beim Laden auch dann, wenn mehrere Fahrer das Auto nutzen. Er kann dann etwaige EEG-Umlageprivilegien auf den Ladestrom geltend machen. Ein Elektroauto kann in der Regel für die Abwicklung der EEG-Umlagepflichten als gewöhnliches Verbrauchsgerät ohne eigenständige Erfassung der mit seinem Akku erzeugten Strommengen behandelt werden.

Außerdem akzeptiert die Bundesnetzagentur im Leitfaden ausdrücklich die Anwendung der sog. gewillkürten Vorrangregelung. Danach kann der Eigenversorger die in einer Viertelstunde selbsterzeugten Strommengen vorrangig den gemessenen Eigenverbräuchen zuordnen. Das geht auch dann, wenn in derselben Viertelstunde Mischverbräuche stattfanden, die messtechnisch nicht erfasst wurden. Bislang war dies in der Praxis nicht flächendeckend akzeptiert worden.

Fazit

Es gibt mit dem Leitfaden zum Messen und Schätzen bei Umlagepflichten also eine neue Hilfe zur Abgrenzung von Bagatellfällen. Die bisherigen Probleme mit Handwerkern, Reinigungsfirmen, Bürogeräten etc. lassen sich jetzt lösen. Außerdem beleuchtet der Leitfaden das „Wie“ der Messung näher und trifft detaillierte Aussagen über „Sorgenkinder“ wie Notstrom, E-Mobilität, Rekuperationsanlagen und vieles mehr.

So macht er die Welt des Messens und Schätzens von Stromverbräuchen leichter als bisher. Aber: Er kommt reichlich spät. Seit mindestens 2018 haben Unternehmen auf eine Hilfe gewartet, die die Vorgaben des Energiesammelgesetzes zum Messen, Schätzen und Eichen konkretisiert.

Autor*in: WEKA Redaktion