19.07.2022

ISO 50006: Leitfaden zu Energieleistungskennzahlen

Mit der ISO 50006 haben Unternehmen endlich einen Leitfaden zur Hand, der sie bei der Definition von Energieleistungskennzahlen und der energetischen Ausgangsbasis unterstützt. Wir skizzieren die Methode, die die Norm vorschlägt, und fassen ihre wichtigsten Inhalte zusammen.

Iso 50006 Energieleistungskennzahlen

Die ISO 50006 (Titel „Energiemanagementsysteme – Messung der energiebezogenen Leistung unter Nutzung von energetischen Ausgangsbasen (EnB) und Energieleistungskennzahlen (EnPI) – Allgemeine Grundsätze und Leitlinien“) zeigt Unternehmen Schritt für Schritt den Weg hin zu aussagekräftigen Energieleistungskennzahlen und einer soliden energetischen Ausgangsbasis auf.

Das war auch höchste Zeit. Denn die für eine Steigerung der Energieeffizienz so wichtigen Energieleistungskennzahlen bereiteten Unternehmen bisher einige Probleme.

Energieleistungskennzahlen definieren: vier verschiedene Typen

Energieleistungskennzahlen müssen die energiebezogene Leistung eines Unternehmens überwachen und messen. Das bedeutet, die Kennzahlen müssen regelmäßig erfasst, überprüft und mit der energetischen Ausgangsbasis verglichen werden. Auf Basis dieses Vergleichs können Schlussfolgerungen abgeleitet und Maßnahmen initiiert werden, die idealerweise zu einer Verbesserung der Energieeffizienz führen.

Die ISO 50006 nennt vier verschiedene Typen von Kennzahlen (siehe die Tabelle unten). Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Komplexität und der Art und Weise, wie sie gebildet werden.

Energieleistungskennzahl Bewertung
Absolute Energieleistungskennzahl Die absoluten Kennzahlen erfassen den Energiebedarf als Ganzes. Sie eignen sich laut ISO 50006 denkbar schlecht dazu, die energiebezogene Leistung eines Unternehmens zu bewerten.
Relative Energieleistungskennzahl Relative Kennzahlen setzen den Energieverbrauch in Bezug zu einem anderen Wert: Mitarbeitern etwa, oder Quadratmeter. Sie stoßen dann an ihre Grenzen, wenn sich die Variablen stark verändern oder die Grundlast von sich aus hoch ist.
Statistisches Modell Statistische Kennzahlen untersuchen die Beziehung zwischen der energiebezogenen Leistungen und verschiedenen Variablen. Sie nutzen dafür lineare und nicht-lineare Regressionen. Wer die energiebezogene Leistung eines Hotels bei unterschiedlicher Bettenbelegung und Temperaturen ermitteln will, ist hier richtig (vgl. auch den Beitrag zur Normalisierung von Energiekennzahlen)
Technisches Modell Auf technische Modellierungsansätze sollten Sie immer dann zurückgreifen, wenn sich verschiedene relevante Variablen auch gegenseitig beeinflussen – so wie zum Beispiel Druck und Temperatur.

Die Qual der Wahl

Die jeweils für das Energiemanagement zuständigen Personen in den Unternehmen sollten für sich entscheiden, welche Kennzahlenmethodik sie zum Ziel bringt. Die Entscheidung sollte u.a. die eigenen Rahmenbedingungen wie beispielsweise vorliegende kontinuierliche Messungen, klare Abgrenzungsmerkmale der Teilprozesse oder gezielte Optimierungsuntersuchungen in Teilbereichen einbeziehen.

Ob Sie sich für gemessene Energiekennzahlen oder für über statistische Ansätze entwickelte Energiekennzahlen entscheiden, hängt von der Komplexität der Prozesse und Teilprozesse ab sowie der vorhandenen Datenbasis. Eventuell kommt in einem Unternehmen sogar ein Mix an Energiekennzahlen zum Tragen. Wichtig ist, dass diejenigen, die Energiekennzahlen nutzen, diese auch verstehen.

Einflussfaktoren sind oft wichtig: Blick auf das Statistische Modell

Wer den Energieverbrauch einer Heizungsanlage misst, muss immer ein Auge auf die Außentemperatur haben. Fallen die ersten Schneeflocken, produziert die Anlage natürlich mehr Wärme als bei sengender Hitze. Solche veränderlichen Einflüsse auf die energiebezogene Leistung eines Unternehmens bezeichnet die ISO 50006 als Variablen oder Einflussfaktoren. Sie empfiehlt:

  • Um verschiedene Energieleistungskennzahlen (z.B. über die Zeit hinweg) miteinander vergleichen zu können, sollten Sie diese um die jeweiligen Variablen bereinigen, also normalisieren. Die Normalisierung mit dem statistischen Modell bietet sich insbesondere an bei mehreren Variablen oder großer Grundlast.
  • Die Variablen, die die energiebezogene Leistung wesentlich beeinflussen, müssen Sie von den Variablen unterscheiden, die nur einen geringen Einfluss darauf haben.

Hinweise zur Normalisierung finden sich in Anhang D der ISO 50006 sowie in dem Beitrag „Normalisierung von Energiekennzahlen einfach erklärt“ .

Wollen Sie die Bedeutung relevanter Variablen repräsentativ bestimmen, werden Sie also kaum um eine tief gehende Datenanalyse herumkommen.

Faktoren, die die energiebezogene Leistung eines Unternehmens beeinflussen, sich über die Zeit hinweg jedoch nicht verändern, bezeichnet die ISO 50006 als statische Faktoren. Wenn Sie Ihre EnPIs festlegen, müssen Sie auch diese statischen Faktoren kennen. Außerdem müssen Sie regelmäßig überprüfen, ob sich diese nicht doch ändern.

Methodenvorschlag der ISO 50006

Informationen über die energiebezogene Leistung erhalten

pfeil_wechsel_iso_50006_energieleistungskennzahlen

Definition der Energieleistungskennzahlen

pfeil_wechsel_iso_50006_energieleistungskennzahlen

Festlegung der energetischen Ausgangsbasis

pfeil_iso_50006_energieleistungskennzahlen

Nutzung von EnPIs und energetischen Ausgangsbasen

pfeil_iso_50006_energieleistungskennzahlen

Anpassung oder Aufrechterhaltung von EnPIs und energetischen Ausgangsbasen

Die für viele Unternehmen problematischten dieser zwei Punkte, die Definition der Energieleistungskennzahlen und die Festlegung der energetischen Ausgangsbasis, beleuchten wir im Folgenden genauer.

Handlungsempfehlung ISO 50006 zur Definition von Energiekennzahlen

1. Definieren Sie Kennzahlengrenzen, Einflussfaktoren und erste Energiekennzahlen

Legen Sie erste Energiekennzahlen auf Basis

  • Ihrer Messungen
  • Bewertungen der Einflussfaktoren
  • sowie Ihrer definierten Kennzahlengrenzen fest.

Wie kommen Sie nun an die Einflussfaktoren? Ein Prozessflussdiagramm kann dazu verhelfen, die Prozesse und Teilprozesse innerhalb der Organisation mit dem jeweiligen Energiebedarf, Eingangsmengen (Input), Ausgangsmengen (Output), Abfall-/Ausschussmengen und Rezyklaten besser zu verstehen und übersichtlich vor Augen zu führen. Besteht ein solches Prozessdiagramm und wurden EnPI-Grenzen festgelegt, so sollten im nächsten Schritt Datenanalysen erfolgen, um die Signifikanz der Beziehung bewerten zu können.

Die DIN ISO 50006 gibt auch die Empfehlung, zur Ermittlung von Abhängigkeiten den Energieverbrauch und mögliche relevante Variablen in Trenddiagrammen (Zeitreihen) darzustellen.

Sie müssen im ersten Schritt nicht alle Einflussfaktoren final bestimmt und statistisch nachgewiesen haben. Auch die Energiekennzahlen unterliegen einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess. ABER: Je genauer die Erstanalyse, desto eher werden Energiekennzahlen vergleichbar.

Beginnen Sie mit relativen Kenngrößen. Zeigen sich Schwankungen, die auf die Einflussfaktoren zurückgehen und mit dieser Kennzahl nicht adäquat abgebildet werden können, so versuchen Sie alternativ über einen statistischen Ansatz den realen Zustand so gut wie möglich abzubilden. Das erfordert zwar Zeit und detailliertere Datenerhebungen und -auswertungen, wird Ihnen aber repräsentativere Aussagen zu den spezifischen Energieverbräuchen ermöglichen.

2. Legen Sie die Kennzahlenmethodik fest und dokumentieren Sie diese

Integrieren Sie die Kennzahlenmethodik in Ihre bestehende Dokumentation für Ihr Energiemanagementsystem, am besten in Verbindung mit der Beschreibung der energetischen Ausgangsbasis.

Denken Sie daran, die Beschreibung der Methodik anzupassen, sollten Sie diese wechseln oder ergänzen (z.B. von relativem gemessenen Energieverbrauch zu statistischer Bewertung).

Festlegung der energetischen Ausgangsbasis

Jede Energieleistungskennzahl braucht ihre eigene energetische Ausgangsbasis. Die energetische Ausgangsbasis spiegelt in der Regel den Wert der Energiekennzahl in einem individuell festzulegenden Basisjahr wider. Haben Sie mehrere Kennzahlengrenzen definiert, so können unterschiedliche energetische Ausgangsbasen sinnvoll sein. Dies bietet sich v.a. an, wenn die Kennzahlengrenzen auf Teilprozessen basieren.

1. Bestimmen Sie den spezifischen Zweck, für den die energetische Ausgangsbasis verwendet wird

Nutzen Sie die energetische Ausgangsbasis vorrangig für den Vergleich mit den Energiekennzahlen in den folgenden Berichtsjahren. So vollziehen Sie nach, ob Sie strategische und operative Energieziele erreicht haben, und weisen eine Verbesserungen der energiebezogenen Leistung nach. Die energetische Ausgangsbasis bietet sich auch an für die Berechnung von Energieeinsparungen und als Referenz vor und nach der Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der energetischen Leistung.

Haben Sie mehrere Kennzahlengrenzen definiert, so können unterschiedliche energetische Ausgangsbasen sinnvoll sein. Dies bietet sich v.a. an, wenn die Kennzahlengrenzen auf Teilprozessen basieren.

2. Legen Sie den relevanten Bezugszeitraum fest

Eine energetische Ausgangsbasis bezieht sich immer auf einen festgelegten Zeitraum. Der Bezugszeitraum von einem Jahr hat sich als Standard etabliert und ist empfehlenswert, wobei in der Regel auf ein Kalenderjahr abgehoben wird. Ggf. kann auch der Bezug zum Geschäftsjahr sinnvoll sein – wenn dieses nicht zum 01.01. eines Jahres beginnt und dennoch der jährliche Geschäftsbericht Erfolge im zurückliegenden Geschäftsjahr dokumentieren soll.

3. Stellen Sie die relevanten Daten für die energetische Ausgangsbasis zusammen

Nutzen Sie die vorhandenen Abrechnungen des Energieversorgers, um die Gesamtverbräuche zu überblicken. Stellen Sie diese zudem der Produktion im Bezugsjahr gegenüber, um eine erste Energiekennzahl zu definieren. Haben Sie mehrere Energiekennzahlen definiert, so greifen Sie auf die Energiedaten aus den einzelnen Kennzahlenbereichen auf Basis vorhandener oder temporärer Messungen zurück.

Fehlen ausführlichere Zählerdaten von Energieversorgern, so ermitteln Sie ggf. zusätzliche Möglichkeiten für die Zählung. Fehlen Daten über relevante Variablen, denken Sie am besten über eine mögliche Erweiterung des Messsystems nach, um diese fassen zu können.

Definieren und dokumentieren Sie Ihre energetische Ausgangsbasis

Die energetische Ausgangsbasis ist im Rahmen des EnMS 50001 zu dokumentieren. Ergänzen Sie ggf. Ihre Dokumentation um vorgenannte Punkte.

Autor*innen: FutureCamp Climate GmbH, WEKA Redaktion