27.06.2023

Peugeot-Konzern: Geothermie für Werk Mulhouse

Netto-Null-CO2-Emissionen bis 2038. Das strebt der französisch-multinationale Autobauer Stellantis an. Möglich machen soll es Geothermie vom Oberrheingraben. Von dort ist es nicht weit nach Mulhouse, Werkstandort u.a. vieler Peugeot- und Citroën-Modelle.

Peugeot Geothermie

Eckpunktepapier mit Vulcan 

An dem Standort werden die Modelle DS7, Peugeot 308 und 308 SW, 508 und 508 SW sowie der neue 408 hergestellt. Ihre Herstellung im Werk Mulhouse in Frankreich will der Mutterkonzern Stellantis N.V. in der ersten Phase eines mehrphasigen Projekts zur Entwicklung neuer geothermischer Projekte mit einem Energiemix dekarbonisieren. Auf Basis der derzeitigen Annahmen könnte das geplante Projekt ab 2026 einen erheblichen Teil des jährlichen Energiebedarfs des Werkes decken. Ein verbindliches Eckpunktepapier dazu hat Stellantis mit dem Geothermie-Unternehmen Vulcan Energy Resources Limited aus Karlsruhe unterzeichnet. (siehe auch unseren Beitrag „Vulcan erhält Großbestellungen für Lithium vom Oberrhein“). 

Stellantis und Vulcan an der Geothermiefront 

Stellantis N.V. sieht sich als einer der weltweit führenden Automobilkonzerne und Mobilitätsanbieter. Zu seinen Marken zählen Abarth, Alfa Romeo, Chrysler, Citroën, Dodge, DS Automobiles, Fiat, Jeep, Lancia, Maserati, Opel, Peugeot, Ram, Vauxhall, Free2move und Leasys. Das 2018 gegründete Projekt „Zero Carbon Lithium“ von Vulcan zielt darauf ab, die Lithiumproduktion zu dekarbonisieren. Das eigenen Angaben zufolge erste kohlenstoffneutrale Unternehmen produziert erneuerbare geothermische Energie in großem Maßstab. Durch die Anpassung bestehender Technologien zur effizienten Gewinnung von Lithium aus geothermischer Sole will Vulcan eine lokale Quelle für nachhaltiges Lithium für Europa mit einer Netto-Null-Kohlenstoff-Strategie unter striktem Ausschluss fossiler Brennstoffe schaffen. Der Konzern will erneuerbare Elektrizität und Wärme für lokale Gemeinden bereitstellen. Seine kombinierte Geothermie- und Lithium-Ressource ist laut Unternehmensmitteilung die größte im Lizenzgebiet „Europe18F4“ in Deutschland mit Schwerpunkt Oberrheintal. Vulcan ist strategisch im Herzen des europäischen Marktes für Elektrofahrzeuge positioniert und kann so die gesamte Lieferkette dekarbonisieren.  

Dare Forward 2030 

„Wir sind stolz, einen weiteren Schritt in unserer Partnerschaft mit Vulcan bekannt zu geben, der unser Engagement für den verstärkten Einsatz dekarbonisierter Energielösungen in unseren Werken unterstreicht“, sagte Arnaud Deboeuf, Stellantis Chief Manufacturing Officer. Geothermie sei eine von vielen Lösungen, die man untersuche, um das selbstgesteckte Ziel von Netto-Null-CO2-Emissionen zu erreichen – „im Einklang mit unserem strategischen Plan ‚Dare Forward 2030‘“, so Deboeuf. 

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Vulcan-Schwerpunktgebiet Oberrheingraben  

Das Projekt befindet sich im Oberrheingraben, dem südlichsten Teil des Schwerpunktgebietes von Vulcan. Die erste Phase sieht eine von Vulcan durchgeführte Vor-Machbarkeitsstudie für den Bau geothermischer Erneuerbare Energien-Anlagen für die Stellantis-Produktionsstätte vor. Zudem untersucht das Projekt das Potenzial für die Lithiumproduktion. Bei Erfolg soll sich die nächste Phase konzentrieren auf:  

  • Dreidimensionale seismische Erkundung,  
  • weiterführende Studien und  
  • Erschließungen.  

Sollte sich weiter die Vor-Machbarkeitsstudie als erfolgreich herausstellen, wollen Stellantis und Vulcan das Projekt gemeinsam jeweils hälftig entwickeln. 

Expansion ins Elsass 

Im November letzten Jahres gab Vulcan Reihe von Initiativen bekannt, um das Geschäft mit geothermischen erneuerbaren Energien und „Zero Carbon Lithium“ nach Frankreich und insbesondere ins Elsass zu expandieren. Diese Region macht etwa ein Drittel des Oberrheingrabens aus. Vulcan hat sich für dasselbe Gebiet um eine exklusive Lithiumlizenz beworben, um sich ein weiteres 480 Quadratkilometer großes Erschließungsgebiet innerhalb des Oberrheingraben-Solefeldes zu sichern. Gemäß dem Eckpunktepapier will das Team von Vulcan eine Bewertung der Lithium-Mineralressourcen basierend auf dem JORC-Code durchführen. Das Projekt „Vulcan Zero Carbon Lithium“ stehe im Einklang mit der Gründung der französischen Beobachtungsstelle für Mineralrohstoffe (French Mineral Resources Observatory, FMRO), die die kritischen Rohstoffressourcen Frankreichs analysieren und Empfehlungen für öffentliche Investitionen geben soll. Sie finanziert der vor kurzem angekündigte neue französische Fonds für kritische Rohstoffe (French Critical Raw Materials Fund, FCRMF) mit zwei Milliarden Euro unterstützt. 

Ausschuss für Erzreserven 

Der gemeinsame Ausschuss für Erzreserven (Joint Ore Reserves Committee, Jorc) wurde 1971 gegründet. Der Jorc-Kodex enthält Mindeststandards, Empfehlungen und Leitlinien für die öffentliche Berichterstattung in Australasien über Explorationsergebnisse, Mineralressourcen und Erzreserven. Das Reservekomitee veröffentlichte mehrere Berichte mit Empfehlungen zur Klassifizierung von Erzreserven vor der Veröffentlichung der erste Ausgabe des Jorc-Codes im Jahr 1989. Der Kodex wurde in den Jahren 1992, 1996, 1999 und 2004 überarbeitet und aktualisiert.  

Gründung des Crirsco 

Seit 1994 hat der Ausschuss für internationale Berichtsstandards über Mineralreserven (Committee for Mineral Reserves International Reporting Standards, Crirsco) an der Erstellung einer Reihe von internationalen Standarddefinitionen für die Berichterstattung über mineralische Ressourcen und mineralische Erz-Reserven, basierend auf den Definitionen des Jorc-Codes. Crirsco war ursprünglich ein Komitee von des Rates von Institutionen für Bergbau und Metallurgie (Council of Mining and Metallurgical Institutions, CMMI). Vertreter von Gremien aus Australien, Kanada, Südafrika, USA und dem Vereinigten Königreich erreichten 1997 eine vorläufige Einigung über einheitliche Definitionen für die Meldung von Ressourcen und Rücklagen. Es folgte 1998 eine Vereinbarung über die Aufnahme der CMMI-Definitionen in die Internationale Klassifizierung für Reserven und Ressourcen – Feste Brennstoffe und mineralische Rohstoffe, entwickelt von der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN-ECE). 

Warenspezifischer Code UNFC 2009 

CMMI wurde 2002 aufgelöst, aber Crirsco blieb als eigenständige Einheit des internationalen Rates für Bergbau und Metalle (International Council on Mining and Metals, ICMM) bestehen. Crirsco entwickelt eine Vorlage, die weitgehend auf dem Jorc-Code basiert und den Ländern helfen soll, ihren eigenen Code in Übereinstimmung mit den weltweit besten Praktiken zu entwickeln. Die Vorlage wurde als warenspezifischer Code UNFC 2009 anerkannt. 

Die Mitglieder von Crirsco sind nationale Meldeorganisationen (NROs) für die Entwicklung von Standards und Richtlinien für die Mineralienberichterstattung. Die NROs sind:  

  • Australasien (Jorc),  
  • Kanada (Ständiger CIM-Ausschuss für Reservedefinitionen),  
  • Chile (Nationales Komitee),  
  • Europa (Perc),  
  • Russland (Naen),  
  • Südafrika (Samcodes) und  
  • USA (KMU).  

Als Ergebnis des Crirsco/CMMI wurden Fortschritte auf dem Weg zu einer breiten Einführung einer kohärenten Berichterstattung erzielt. 

Ganzheitlicher Ansatz zur Emissionsreduzierung  

Stellantis verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz zur Emissionsreduzierung mit dem Ziel, zum Branchen-Champion bei der Eindämmung des Klimawandels zu werden. Bis 2030 sollen die Netto-CO2-Emissionen halbiert und bis 2038 auf null reduziert werden – mit einer Kompensation im einstelligen Prozentbereich. Die Vereinbarung mit Vulcan Energy ist für Stellantis die zweite potenzielle Nutzung erneuerbarer geothermischer Energie zur Dekarbonisierung und Lokalisierung der Energieversorgung an einem Industriestandort.  

Phase-1-Geothermie-Lithium-Projekt im Solefeld Oberrheintal 

Vulcan stehe bereit, Stellantis als seinen größten Lithiumkunden und einen seiner Hauptaktionäre bei der Dekarbonisierung seiner Aktivitäten in Europa zu unterstützen. „Während wir uns weiterhin auf unsere Phase-1-Geothermie-Lithium-Projekte im Zentrum des Solefeldes Oberrheintal konzentrieren, ist dieses Projekt eine ergänzende Gelegenheit, unsere zukünftige Entwicklungspipeline auf einige der weiter entfernten Gebiete im Oberrheingraben auszudehnen – unterstützt von Industriepartnern wie Stellantis“, so Dr. Francis Wedin, Geschäftsführer und CEO von Vulcan. 

Stellantis Akteur Region Grand Est 

„Stellantis ist in der Region Grand Est ein wichtiger industrieller Akteur in der Automobilbranche. Aus diesem Grund unterstützt die Region den Konzern bei seiner Umstellung auf Elektromobilität. Mit dieser strategischen Partnerschaft nimmt der Wandel zur Schaffung der Industrie der Zukunft und der Kampf gegen die Erderwärmung dank einer rationalen Nutzung der Geothermie in unserer Region Gestalt an „, sagte Franck Leroy, Präsident der Region Grand Est. Die Vereinbarung mit Stellantis verstärkt den Effekt von Vulcan bei der Dekarbonisierung der europäischen Elektrofahrzeugindustrie, ergänzt die Kohlenstoffvermeidung und soll Wert für die Aktionäre schaffen. 

Wärmenergie aus der Erdkruste 

Geothermie bezeichnet laut Umweltbundesamt die in der Erdkruste gespeicherte Wärmeenergie und die ingenieurtechnische Nutzung. Geothermie kann eingesetzt werden zum  

  • Heizen,  
  • Kühlen und  
  • Stromerzeugung.  

In Deutschland steigt demzufolge die Temperatur in der Erdkruste durchschnittlich um 3 Kelvin pro 100 Meter an. Dementsprechend erschließen oberflächennahe und tiefe Geothermie-Bereiche unterschiedliche Temperaturniveaus:  

  • Als oberflächennahe Geothermie gilt die Nutzung der Erdwärme aus bis zu 400 Meter Tiefe. Wärme aus diesem Tiefenstockwerk muss aufgrund der noch relativ geringen Temperatur auf ein nutzbares Temperaturniveau gehoben werden. Um beispielsweise Gebäude mit oberflächennaher Geothermie heizen zu können, sind daher Wärmepumpen erforderlich. Oberflächennahe Geothermie aus dem Erdreich zählt, neben der Umweltwärme aus der Luft oder aus Oberflächengewässern, zur Umgebungswärme.  
  • Die tiefe Geothermie stößt gegenüber der oberflächennahen Nutzung von Erdwärme in andere Dimensionen vor. Es werden Wärmereservoire in größeren Tiefen erschlossen und dabei Bohrlöcher von bis zu fünf Kilometer Tiefe gebohrt. Außerdem sind die damit betriebenen Anlagen wesentlich größer und leistungsfähiger. Erdwärme aus Tiefengeothermie speist Wärmenetze und versorgt ganze Stadtviertel zur Heizung.  

Ist das Temperaturniveau hoch genug, kann mit einem Geothermiekraftwerk Strom erzeugt werden. Geothermie ist nicht von Wettereinflüssen abhängig und kann das ganze Jahr über annähernd ununterbrochen umweltfreundlichen Strom liefern, so das Amt. 

Autor*in: Friedrich Oehlerking (Freier Journalist und Experte für Einkauf, Logistik und Transport)