27.06.2016

Smartphone, Smart Home – smarte Diktatur? Ist unsere analoge Freiheit in Gefahr?

Digitale Produkte sind längst zu alltäglichen Gebrauchsgegenständen geworden und bestimmen unseren Arbeitsalltag wie kaum ein anderes Produkt: Egal ob E-Mail, Smartphone oder der „klassische“ PC: Elektronische Medien sind untrennbar mit der modernen Arbeitswelt verbunden. Aber sie machen dort nicht mehr Halt: Immer mehr dringen sie auch in unsere Privatsphäre ein und konfrontieren uns mit neuen Situationen. Welche das sind, erfahren Sie hier.

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Ist das nicht eine tolle Vorstellung: Sie nehmen sich morgens eine Tüte Milch aus Ihrem Kühlschrank und frühstücken Ihr Müsli. Sie stellen die Milch dann wieder zurück in den Kühlschrank, und dieser registriert anhand von Gewichtssensoren „Milch fast leer. Nachbestellen“. Eigenständig verlinkt sich der Kühlschrank dann mit dem Internet und ordert bei Ihrem bevorzugten Milchhändler eine neue Tüte. Sie kommen abends nach Hause, und frische Milch wartet auf Sie. Was zunächst bequem klingt, ist in Wahrheit aber gefährlich, meint zumindest der Sozialpsychologe Harald Welzer in seinem neuen Buch „Die smarte Diktatur“: Was freundlich daherkommt, kann schnell brenzlige Folgen haben. Das „Internet der Dinge“, die „Industrie 4.0“ können schnell zu einer „smarten Diktatur“ werden.

Ist unsere Freiheit bedroht?

Das Internet der Dinge birgt einen gefährlichen Trend in sich: Wenn alles mit allem verknüpft ist, kann alles durch alles gesehen werden. Was freundlich ist, kann schnell totalitäre Züge annehmen. Dazu ein Beispiel: Durch die permanente Verknüpfung von allem mit allem werden Unternehmen sehr bald in der Lage sein, nahezu das gesamte Leben einer Person in sogenannten „filter bubbles“ zusammenzufassen und zu clustern. Buchen Sie beispielsweise eine Reise über das Internet, dann geben Sie, neben ihrer Zeit der Abwesenheit, auch bekannt, wohin Sie fliegen, mit wem Sie fliegen, was Sie dort machen möchten usw. Sie erhalten gezielt Werbung und andere Angebote. Was banal klingt, ist nichts anderes als eine Verschiebung Ihrer Basislinien. „Shifting baselines“ nennen Psychologen dieses Phänomen. Ein womöglich gefährlicher Umstand kommt harmlos „um die Ecke“ und breitet sich dann aus wie ein Virus – ohne dass die Betreffenden es merken. Das erleben wir in totalitären Regimen immer wieder. Natürlich liegt es mir fern, Google oder Facebook mit radikalen Regimen zu vergleichen, strukturell gibt es aber sehr wohl Zusammenhänge: Die Menschen sind durch die Nutzung digitaler Produkte eben nicht mehr frei in ihrer Entscheidung, was sie kaufen oder wohin sie gehen möchten. Der Zwang zur digitalen Aufrüstung nötigt vielen Menschen einiges an Kraft ab. Immer schauen zu müssen, was in der Zwischenzeit über einen im Internet geschrieben wird, kann zu einer veritablen mentalen Krise werden, gerade Sie als Politiker sind davon besonders betroffen.

Kann ich mich schützen?

Die entscheidende Frage lautet: „Können wir uns schützen und wieder frei entscheiden?“. Zum Glück ja! Digitale Produkte zu nutzen heißt ja nicht, dass diese Ihr Leben bestimmen, sondern dass sie Sie in Ihrer täglichen Arbeit unterstützen. Nehmen Sie sich also die Zeit und überlegen Sie immer vorab: Welche Informationen möchte ich preisgeben, und welche Daten möchte ich hinterlassen? Sobald Sie diesen Umstand beachten, werden Sie erkennen, dass Sie eine Menge an unnötigen digitalen Spuren vermeiden können.

Quelle/Literaturtipp:
Welzer, Harald: „Die smarte Diktatur. Der Angriff auf unsere Freiheit“. Fischer Verlag, 2016.

Autor*in: Benjamin Heimerl (Benjamin Heimerl ist Wahlkampfberater und Autor von „Praktische Redenbausteine für Bürgermeister“.)