10.04.2019

Wie ein Europäischer Betriebsrat gebildet wird

Zahlreiche Unternehmen sind im Zuge des europäischen Binnenmarkts durch Niederlassungen, Fusionen etc. in anderen EU-Staaten präsent. Damit Mitbestimmung und Arbeitnehmerrechte nicht an der Grenze haltmachen, gibt es die Möglichkeit, einen Europäischen Betriebsrat zu gründen.

Europäischer Betriebsrat

Mitbestimmung. Ein Europäischer Betriebsrat kann in allen Unternehmen gegründet werden, die im europäischen Wirtschaftsraum mehr als 1.000 Beschäftigte und davon jeweils mindestens 150 in mindestens zwei Mitgliedsstaaten haben (§ 3 Gesetz über Europäische Betriebsräte – EBRG). Bereits vorhandene nationale Arbeitnehmervertretungen (z. B. Betriebsrat, Gesamt- oder Konzernbetriebsrat) haben bezüglich der Beschäftigtenzahl einen Auskunftsanspruch (§ 5 EBRG). So können sie prüfen, ob in ihrem Unternehmen ein EBR gegründet werden kann.

Erste Voraussetzung: Bildung des „BVG“

Um einen Europäischen Betriebsrat gründen zu können, ist zunächst die Bildung eines „Besonderen Verhandlungsgremiums“ (BVG) erforderlich. Dieses hat die Aufgabe, mit der zentralen Leitung des Unternehmens eine Vereinbarung über einen EBR abzuschließen (§ 8 Abs. 1 EBRG). Entweder erfolgt die Bildung durch die Initiative der Unternehmensleitung oder durch einen Antrag der Arbeitnehmer bzw. ihrer Vertreter (§ 9 Abs. 1 EBRG). Damit es seine Aufgabe erfüllen kann, hat das BVG einen weitreichenden Informationsanspruch gegen die zentrale Leitung (§ 8 Abs. 2 EBRG), vergleichbar mit § 80 Abs. 2 BetrVG. Dieser bezieht sich vor allem auf Details zur Unternehmensstruktur und -organisation sowie zur Belegschaft in einzelnen Ländern, aber auch an den einzelnen Standorten. Aus jedem Mitgliedsstaat, in dem das Unternehmen einen Betrieb hat, wird ein Arbeitnehmer in das Besondere Verhandlungsgremium entsandt (§ 10 Abs. 1 EBRG).

BVG und Unternehmensleitung verhandeln über die Bildung des BVG

Nach spätestens drei Jahren (!) müssen das BVG und die Unternehmensleitung eine Übereinkunft über die Bildung eines Europäischen Betriebsrats getroffen haben. Im Inhalt ihrer Vereinbarung sind das Verhandlungsgremium und die zentrale Leitung im Wesentlichen frei (§ 17 Abs. 1 EBRG) – so lange alle in den Mitgliedsstaaten beschäftigten Arbeitnehmer einbezogen werden. So können sie selbst entscheiden, ob sie ein „Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer“ einführen (§ 19 EBRG) oder einen Europäischen Betriebsrat gründen. Soll ein EBR eingerichtet werden, muss dies schriftlich vereinbart werden.

Übersicht: Vereinbarung über die EBR-Bildung

Darin soll nach § 18 EBRG Folgendes geregelt werden:

  • Bezeichnung der erfassten Betriebe und Unternehmen
  • Zusammensetzung des Europäischen Betriebsrats, Anzahl der Mitglieder und Ersatzmitglieder, Sitzverteilung und Mandatsdauer
  • Zuständigkeiten und Aufgaben des Europäischen Betriebsrats, insbesondere bei Unterrichtung und Anhörung
  • Ort, Häufigkeit und Dauer der Sitzungen
  • finanzielle und sachliche Ressourcen des Europäischen Betriebsrats

Rettungsanker für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen

Können sich das Gremium und die zentrale Leitung nicht auf eine solche Vereinbarung verständigen, wird ein EBR kraft Gesetzes gebildet. Dieser Fall tritt nach § 21 Abs. 1 EBRG ein,

  • wenn die Unternehmensleitung die Aufnahme von Verhandlungen innerhalb von sechs Monaten nach Antragstellung verweigert oder
  • wenn innerhalb von drei Jahren nach Antragstellung keine Vereinbarung zustande kommt

oder

  •  beide ihre Verhandlungen vor Ende der Drei-Jahres-Frist für gescheitert erklären.

Definition: Europäischer Betriebsrat

Der Europäische Betriebsrat ist eine Arbeitnehmervertretung in einem europaweit tätigen Unternehmen oder einer Unternehmensgruppe. Er dient der grenzübergreifenden Unterrichtung und Anhörung der Beschäftigten. Er ist kein Betriebsrat im Sinne des BetrVG und verfügt auch nicht über Mitbestimmungsrechte.

Autor*in: Silke Rohde (ist Rechtsanwältin & Journalistin sowie Chefredakteurin des Fachmagazins Betriebsrat KOMPAKT.)