06.04.2020

Wie der Betriebsrat bei Pflegevisiten mitbestimmt

In Krankenhäusern und Pflegeheimen sind „Pflegevisiten” ein wichtiges Instrument zur Qualitätssicherung. Mit den Pflegevisiten soll in erster Linie die Situation des Patienten bzw. Bewohners optimiert werden. Deshalb sind sie im Grunde kein Personalführungsinstrument – eigentlich. Tatsächlich aber werden sie ziemlich regelmäßig dazu missbraucht. In nicht wenigen Betrieben haben die Pflegekräfte regelrecht Angst davor und fühlen sich nicht selten so, als müssten sie ihr Examen ein weiteres Mal machen.

Betriebsrat Pflegevisite

Mitbestimmung. Bei einer Pflegevisite werden im Krankenhaus oder in Pflegeeinrichtungen aktuelle Informationen über den Zustand und die Pflege eines Patienten oder Bewohners erhoben. Nach der Auswertung zeigt sich, in welchen Bereichen die Pflegeplanung verbessert werden kann bzw. muss und welche Maßnahmen sich dafür eignen. Pflegeeinrichtungen sind dazu verpflichtet, für alle Patienten Pflegeplanungen zu machen und diese dann in gleichmäßigen Abständen zu überprüfen bzw. zu aktualisieren.

Übersicht: Arten der Pflegevisite

Pflegevisiten können auf mehrere Weisen ablaufen, z. B.:

  • Die Pflegevisite wird von den zuständigen Pflegekräften durchgeführt und von der Pflegedienstleitung überprüft.
  • Die Visite wird von anderen Pflegekräften durchgeführt und von den normalerweise eingesetzten Kollegen überwacht und analysiert.
  • Die Pflegevisite wird unter Beteiligung der zuständigen Pflegekraft von der Pflegedienstleitung durchgeführt.

Dabei gibt es kein Patentrezept: Da jede Einrichtung andere Rahmenbedingungen hat, muss die beste Variante stets individuell ermittelt werden. Allerdings ist es ratsam, wenn in jedem Fall eine Fachkraft korrigierend zur Seite steht und die Visite überwacht.

Zweckentfremdung der Visite durch manche Arbeitgeber

Wie schon erwähnt, dienen Pflegevisiten der Verbesserung der Situation des zu Pflegenden. Doch manche Einrichtungsleitungen erwecken – bewusst oder unbewusst – den Eindruck, dass es dabei vor allem um eine Leistungsüberwachung der Pflegekräfte geht. Diese haben oft das Gefühl, Pflegevisite sei so eine Art „Tribunal” und die Pflegekraft habe sich einer permanenten peinlichen Prüfung zu unterziehen. Das belastet das Betriebsklima und ist letztlich auch schädlich für die Bewohner bzw. Patienten. Denn diese möchten sicher auch lieber von gut motivierten als von verängstigten Pflegekräften gepflegt werden.

Druck führt nicht zu guter Pflege

Es ist bekannt, dass Pflegekräfte händeringend gesucht werden und in den meisten Einrichtungen die Personaldecke dünn ist. Daher ist es umso unverständlicher, wenn Arbeitgeber das sinnvolle Instrument der Pflegevisite dazu missbrauchen, um Beschäftigte unter Stress zu setzen. Ein gutes Resultat kommt sicher nicht durch unter Druck gesetzte Pflegekräfte zustande. Daher wissen weitsichtige Arbeitgeber, dass motivierte, fair bezahlte und entsprechend qualifizierte Pflegekräfte bessere Arbeit leisten als solche, deren Situation schlechter ist.

Gegen ein Klima der Angst

Wenn die Pflegevisite in Ihrem Haus auch zweckentfremdet und für die Kollegen eher zur Last wird, kann und sollte der Betriebsrat versuchen, die Dinge gerade zu rücken. Es ist sinnvoll, das Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen und darauf hinzuwirken, die Ausgangssituation von der Überwachung hin zur angstfreien Möglichkeit zur Optimierung zu ändern. Die meisten Verbesserungen und damit die beste Pflegeleistung lassen sich dort erzielen, wo Fehler in einer angstfreien Atmosphäre nicht bestraft, sondern als Anlass zur Verbesserung gesehen werden.

Expertentipp: Koppelungsgeschäfte nutzen

Bei der Pflegevisite verfügt der Betriebsrat leider nicht über erzwingbare Mitbestimmungsrechte. Er ist daher auf eine Einigung mit dem Arbeitgeber und somit auf sein Verhandlungsgeschick angewiesen. Um seinen Argumenten mehr Überzeugungskraft zu verleihen, können Koppelungsgeschäfte ratsam sein: Machen Sie Ihre Zustimmung zum nächsten Dienstplan im Notfall doch einfach mal davon abhängig, dass eine Betriebsvereinbarung zur Pflegevisite geschlossen wird.

Autor*in: Silke Rohde (ist Rechtsanwältin & Journalistin sowie Chefredakteurin des Fachmagazins Betriebsrat KOMPAKT.)