04.11.2015

Betriebsrats-Bashing: Wenn der Arbeitgeber auf Krawall aus ist

Immer wieder versuchen Arbeitgeber, den Betriebsrat mit legalen und illegalen Methoden „klein“ zu machen. Bei dieser Strategie, auch „Bashing“ genannt, lassen sich Arbeitgeber häufig von spezialisierten Beratern unterstützen. Werden Sie als Betriebsrat aktiv, sobald Sie erste Anzeichen erkennen.

Konflikt

Seien Sie wachsam als Betriebsrat

Eine Eiszeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber kommt selten plötzlich. In der Regel gibt es Vorboten wie zum Beispiel einen nicht begründeten Wechsel der Ansprechpartner auf Arbeitgeberseite, plötzliche Schwierigkeiten bei der Erstattung von Kosten sowie eine immer größere Zahl an Konfliktthemen, die nicht gelöst werden. Ganz offensichtlich wird es, wenn der Arbeitgeber externe Berater engagiert, die sich in die Kommunikation mit dem Betriebsrat einschalten. Auch ein erhöhter Formalismus ist ein Warnzeichen: Man will sich absichern und bei späteren Auseinandersetzungen gerichtsfeste Unterlagen haben. In diesen Fällen können Sie davon ausgehen, dass es im Vorfeld eine Strategiesitzung gegeben hat, bei der der Betriebsrat als zu dominant eingestuft wurde. Stellen Sie sich in einem solchen Fall auf ungemütliche und konfliktreiche Zeiten ein.

Sprechen Sie mit Vertrauenspersonen

Sind die Vorboten eindeutig, aber die Konflikte noch nicht offen ausgebrochen? Nutzen Sie jede Chance, eine Eskalation noch zu verhindern oder zumindest abzumildern. Dazu dient das „Kamingespräch“, das der Betriebsratsvorsitzende mit einer Vertrauensperson auf Arbeitgeberseite führen kann – etwa mit einem der Geschäftsführer oder jemandem aus dem Gesellschafter- oder Beiratskreis. Wichtig ist, dass diese Person Zugang zu den Entscheidungsträgern hat und in der Vergangenheit mit dem Betriebsrat gute Erfahrungen gemacht hat. Diese sind jetzt das „Pfund“, das sie in das Gespräch mitnehmen. Erinnern Sie den Gesprächspartner an Phasen der guten Zusammenarbeit in der Vergangenheit und erklären Sie Ihren Eindruck, dass Konflikte bevorstehen. Geben Sie dazu Beispiele:

  • Eigentlich abgeschlossene Verhandlungen werden nicht in Betriebsvereinbarungen umgesetzt.
  • Die Arbeitgebergespräche kommen immer seltener zustande, sind schlecht vorbereitet und zeitlich stark begrenzt.
  • Vorschläge des Betriebsrats bleiben vollständig unkommentiert.

Arbeitgeberberater als Informationsquelle für den Betriebsrat

Eine gute Vorbereitung auf mögliche Strategien von Arbeitgebern ist die Recherche bei Rechtsanwälten, die sich auf die Beratung von Arbeitgebern zum Umgang mit Betriebsräten spezialisiert haben. Die Denkhaltung solcher Berater lässt sich gut am Textbeispiel von der Website eines Beratungsunternehmens erkennen: „Die Praxis zeigt jedoch häufig, dass Betriebsräte eine kooperative Zusammenarbeit nicht unterstützen und lediglich eigene Interessen verfolgen. Unrealistische Vorstellungen, aber auch Blockadetaktiken sind den meisten Unternehmern wohl bekannt. Eben hier benötigen Sie stichfeste Argumente und tiefgreifende Expertise, um Ihre Interessen um-und durchzusetzen. Die Spezialisten der Kanzlei behalten für Sie in diesen Situationen den Überblick – und Sie wie gewohnt das Steuer in der Hand.“ Diese Denkhaltung mündet dann in Angebote wie „Durchsetzung in Einigungsstelle und Beschlussverfahren (Konfliktstrategie)“ und „Legale Einflussnahme auf die Wahl des Betriebsrats (Wahlstrategie)“.

Im günstigen Fall gibt Ihnen Ihr Gesprächspartner informell einige Hintergrundinformationen zum Verhalten des Arbeitgebers. Wichtig ist für Sie vor allem, ob die Eiszeit strategisch vom Arbeitgeber wirklich gewollt ist oder ob es sich nur um eine Häufung von zufälligen Ereignissen handelt. Wenn der Gesprächspartner dies anbietet, klären Sie mit ihm, ob es sinnvoll ist, dass er die Bedenken des Betriebsrats informell an den Arbeitgeber weiter leitet.

Schwören Sie den Betriebsrat ein

Wenn der Konflikt nicht abwendbar ist, bereiten Sie die Betriebsratsmitglieder auf die kommende Zeit vor. Gehen Sie dabei von der mutmaßlichen Strategie des Arbeitgebers aus:

  • Ruf schädigen: Der Arbeitgeber stellt den Betriebsrat gegenüber den Arbeitnehmern als ideologisch motivierter Blockierer notwendiger Veränderungen dar. Diskutieren Sie, wie Sie die Aktivitäten des Betriebsrats nach außen darstellen können. So können Sie die Frequenz der Informationen am Schwarzen Brett und im Intranet erhöhen, geplante Umfragen unter den Arbeitnehmern vorziehen und einen Infostand organisieren, bei dem Sie die Haltung des Betriebsrats zu bestimmten Themen darstellen.
  • Rechtsmittelmissbrauch: Agieren Sie in allen Fällen so, dass Sie für eine mögliche gerichtliche Auseinandersetzung gewappnet sind. Klopfen Sie zum Beispiel die aktuelle Betriebsratspraxis auf rechtliche Schwachstellen ab. Ist die Beschlussfassung einwandfrei? Ist die Kostenerstattung für Anwälte, Gutachter oder ähnliches in allen laufenden Fällen geklärt? Achten Sie in der Kommunikation mit dem Arbeitgeber verstärkt auf Formalität und stellen Sie beispielsweise von mündlichen Absprachen auf E-Mail-Verkehr um.
  • Unlautere Kommunikation: Die Strategie der Arbeitgeberseite kann auch sein, über die Kommunikation Unfrieden im Betriebsrat zu stiften und ihn so zu schwächen: Der Arbeitgeber bezieht einzelne in die Kommunikation ein und grenzt andere aus. Oder verschiedene Arbeitgebervertreter kommunizieren an verschiedene Betriebsratsmitglieder unterschiedliche Positionen und Sachverhalte, so dass niemand mehr weiß, wie die Position des Arbeitgebers eigentlich ist. Das alles hat das Ziel, Uneinigkeit im Betriebsrat zu erzeugen. Um diese schädlichen Einflüsse zu begrenzen, sollten der Betriebsratsvorsitzende und sein Stellvertreter Sprachrohr des Betriebsrats sein: Die Kommunikation läuft nur über sie.

Rechtsmissbrauch ist persönlich gemeint

In der Regel geht der Arbeitgeber beim Rechtsmissbrauch (zum Beispiel ungerechtfertigten Kündigungen) nicht davon aus, dass er damit durchkommt. Vielmehr will er die betroffenen Betriebsratsmitglieder zermürben. Nicht selten sucht er sich für Angriffe Personen aus, die nicht gerne im Rampenlicht stehen und Konflikte eher meiden. Hier hilft nur der emotionale Beistand des Betriebsratsteams sowie konkrete Hilfestellungen (Beistand durch Rechtsanwalt, Stellungnahmen, Gegenmaßnahmen).

So setzt sich der Betriebrat durch

Bereiten Sie sich auf die Eskalation vor für den Fall, dass der Arbeitgeber die Betriebsratsarbeit systematisch behindert. Konkret gibt es verschiedene Ansätze, wie sich der Betriebsrat wehren kann:

  • Kommt der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nach dem BetrVG nicht nach, so kann der Betriebsrat ein Verfahren nach § 23 Abs. 3 BetrVG anstrengen. Ziel dieser Maßnahme ist es, den Arbeitgeber durch das Arbeitsgericht anweisen zu lassen, eine Handlung zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen. Hierbei gibt es auch die Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung. Bleibt der Arbeitgeber uneinsichtig, kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht ein Zwangsgeld (§ 23 Abs. 3 S. 3 BetrVG) bzw. ein Ordnungsgeld (§ 23 Abs. 3 S. 2 BetrVG) durchsetzen. Ordnungsgeld und Zwangsgeld können nach 23 Abs. 3 S. 4 BetrVG bis zu 10.000 Euro betragen.
  • 119 Abs. 1 Nr. 2 definiert die Behinderung oder Störung der Tätigkeit des Betriebsrats als Straftat. Bei einer Verurteilung drohen dem Arbeitgeber bis zu einem Jahr Haft oder eine Geldstrafe.

Kündigen Sie solche Maßnahmen an, um den Arbeitgeber von seinem Konfliktkurs abzubringen. Gelingt dies nicht, führen Sie eine Eskalation herbei, damit der Betriebsrat handlungsfähig bleibt.

Strafantrag nötig

Bei § 119 BetrVG gilt: Ohne Antrag kein Delikt. Eine Strafverfolgung wird nur dann eingeleitet, wenn Betriebsrat oder die im Betrieb vertretene Gewerkschaft Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft, bei Gericht oder der Polizei stellen (§ 119 Abs. 2 BetrVG). Die Frist für das Stellen eines Strafantrags beträgt gemäß § 158 der Strafprozessordnung drei Monate.

Ebnen Sie den Weg zur Versöhnung

Das Porzellan zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber ist schnell zerschlagen, eine Rückkehr zu einer vernünftigen Zusammenarbeit dagegen oft mühsam und langwierig. Wenn der Arbeitgeber entsprechende Signale aussendet, versuchen Sie, eine Deeskalation herbeizuführen:

  • Häufig braucht es einige gerichtliche Auseinandersetzungen, bis dem Arbeitgeber klar wird, dass Gesetze auch für ihn gelten. Ist der Arbeitgeber auf dem Boden der rechtlichen Tatsachen angekommen, können Sie wieder sachlich verhandeln und zu tragfähigen Lösungen und Kompromissen gelangen.
  • Arbeitgeber arbeiten oft mit einer destruktiven Informationspolitik, um dem Betriebsrat eine vernünftige Arbeit schwer oder gar unmöglich zu machen. Sie verschweigen, verschleiern oder sagen die Unwahrheit. Wenn sie dagegen wieder an einer konstruktiven Zusammenarbeit interessiert sind, geben sie Informationen frühzeitig heraus, um spätere Konflikte zu vermeiden. Ein Beispiel dafür sind Abmahnungen. Diese können zwar grundsätzlich ohne Beteiligung des Betriebsrats ausgesprochen werden, da aber Arbeitnehmer den Betriebsrat in diesem Fall häufig konsultieren, ist eine Information des Betriebsrats hilfreich.
  • Ein weiteres Zeichen der Deeskalation ist der Übergang von einer bewusst formell geführten zu einer eher informellen Kommunikation. Der Umgang damit ist besonders schwierig, weil dazu das Vertrauen gehört, dass Informationen nicht missbraucht werden. Ein Anfang ist gemacht, wenn die formellen Arbeitgebergespräche wieder regelmäßig und ernsthaft durchgeführt werden und beide Seiten sich gut und konstruktiv darauf vorbereiten. Hier können beide Seiten ihre formellen Positionen sicher austauschen, durch den ernsthaften Willen zu einer guten Zusammenarbeit aber wieder so weit Vertrauen aufbauen, dass informelle Dialoge wieder möglich werden.

Letztlich müssen beide Seiten, Arbeitgeber und Betriebsrat, ein Interesse daran haben, aus ihrer jeweiligen „Wagenburg“ wieder herauszukommen und zu einem konstruktiven Dialog zurückzufinden. Jedoch ist es am Arbeitgeber, dies anzustoßen, da er aus einer Position des Stärkeren versucht hat, den Betriebsrat zu vernichten. Der Betriebsrat ist nicht in der Pflicht, den ersten Schritt zu unternehmen. Aber es liegt in seinem Interesse, entsprechende Signale aufzunehmen und konstruktiv zu beantworten.

Den Konflikt hinter sich lassen

Wer als Betriebsratsvorsitzender vom Arbeitgeber gegängelt oder attackiert wurde, tut sich nicht leicht, ihm wieder die Hand zum Dialog zu reichen. Hilfreich ist dabei die Haltung, dass es vom Grundsatz ja nicht um Personen geht, sondern dass man professionell die Interessen der Arbeitnehmer vertreten will. Und dies schließt eben manchmal auch ein, dass man über „seinen Schatten“ springen muss.

Autor*in: Redaktion Mitbestimmung