Verbotene Beeinflussung oder erlaubte Wahlwerbung?
Die Wahlen zum Betriebsrat unterliegen strengen gesetzlichen Vorschriften. Eine der wichtigsten ist § 20 BetrVG. Sie dient dem Wahlschutz und regelt unter anderem das Verbot der Wahlbehinderung durch den Arbeitgeber, den Schutz der Arbeitnehmer und das Verbot der Wahlbeeinflussung.
Zuletzt aktualisiert am: 18. August 2025

Das Verbot der Wahlbehinderung besagt: Niemand darf die Wahl des Betriebsrats behindern. Insbesondere darf kein Arbeitnehmer in der Ausübung seines aktiven und passiven Wahlrechts beschränkt werden (§ 20 Abs. 1 BetrVG). Diese Vorschrift richtet sich an alle; in erster Linie betrifft sie aber natürlich den Arbeitgeber.
Übersicht: Pflichten des Arbeitgebers
- Er darf den Betriebsrat nicht daran hindern, den Wahlvorstand zu bestellen.
- Er darf das Sammeln von Unterschriften für Wahlvorschläge nicht behindern.
- Er darf dem Wahlvorstand nicht verbieten, alle im Betrieb vorhandenen Informations- und Kommunikationsmittel zu nutzen, um Wahlausschreiben oder andere Wahlunterlagen auch in elektronischer Form bekannt zu machen (§ 2 Abs. 4 WahlO).
- Er muss entsprechend ausgestattete Wahlräume zur Verfügung stellen.
- Er darf den Arbeitnehmern nicht verbieten, den Arbeitsplatz zum Zweck der Abstimmung zu verlassen.
- Er muss den besonderen Kündigungsschutz für Wahlbewerber beachten (§ 15 Abs. 3, 3a KSchG).
- Er darf keine zulässigen Werbeaktionen verhindern.
Verbot der Wahlbeeinflussung
Niemand darf den Wählern oder Wahlbewerbern Nachteile androhen, aber auch keine Vorteile versprechen oder gewähren (§ 20 Abs. 2 BetrVG). Kurz: Niemand, insbesondere nicht der Arbeitgeber, darf die Wahl beeinflussen.
Neutralitätsgebot des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber hat sich bei der Betriebsratswahl strikt jeder Meinungsäußerung und jeglichen Einflusses auf die Zusammensetzung des Betriebsrats zu enthalten. Er muss neutral bleiben. Konkret heißt das:
- Er darf überhaupt keine Wahlwerbung machen. Die Betriebsratswahl ist ausschließlich die Sache der Belegschaft.
- Er darf keine Unterscheidung zwischen den Kandidaten treffen: Keine Unterstützung bestimmter Kandidaten oder Listen, keine Herstellung einer Wahlzeitung nur einer Liste, bzw. finanzielle, organisatorische oder personelle Unterstützung bestimmter Kandidaten.
- Er darf keine Wahlempfehlungen abgeben.
Gewerkschaften dürfen grundsätzlich Einfluss nehmen
Das Verbot der Wahlbeeinflussung gilt grundsätzlich auch für Gewerkschaften. Hier gibt es allerdings eine wichtige Ausnahme, die durch den besonderen Schutz der Koalitionsfreiheit in
Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes bedingt ist. So dürfen Gewerkschaften Einfluss auf Mitglieder ausüben, dass diese nicht auf fremden Listen kandidieren. Notfalls haben Sie sogar das Recht, den Ausschluss der betreffenden Personen anzudrohen bzw. durchzusetzen (BVerfG, Beschluss vom 24.02.1999, Az.: 1 BvR 123/93).
Übersicht: Wahlwerbung
Bei Betriebsratswahlen ist Wahlwerbung grundsätzlich erlaubt, muss aber bestimmte Regeln beachten. Hier sind die wichtigsten Punkte:
- sachliche und faire Werbung: Die Werbung muss sachlich bleiben und darf keine persönlichen Angriffe oder Verleumdungen enthalten.
- Gleichbehandlungsgrundsatz: Der Wahlvorstand muss sicherstellen, dass alle kandidierenden Listen oder Einzelkandidaten die gleichen Möglichkeiten zur Werbung erhalten.
- Nutzung betrieblicher Ressourcen: Aushänge am Schwarzen Brett, betriebliche E-Mails oder andere innerbetriebliche Kommunikationswege dürfen genutzt werden, sofern dies allen Kandidaten in gleicher Weise ermöglicht wird.
- keine Wahlwerbung durch den Arbeitgeber: Der Arbeitgeber darf sich nicht in die Wahl einmischen, keine Wahlwerbung für bestimmte Kandidaten machen und muss neutral bleiben (§ 20 BetrVG).
- betriebsinterne Versammlungen: Wahlveranstaltungen oder Kandidatenvorstellungen sind erlaubt, solange sie den Betrieb nicht stören und fair organisiert sind.
- Verbot von Druck und Einflussnahme: Weder Arbeitgeber noch Kollegen dürfen Druck auf Wahlberechtigte ausüben oder sie in ihrer freien Entscheidung beeinflussen.
Fazit: Wahlwerbung ist erlaubt, muss jedoch fair, sachlich und diskriminierungsfrei sein. Der Wahlvorstand sorgt für Chancengleichheit und der Arbeitgeber darf sich nicht einmischen.
In welchem Rahmen ist Wahlwerbung zulässig?
Die Wahlwerbung zählt zu den wahlvorbereitenden Maßnahmen. Sie ist durch die Grundrechte des Art. 5 Grundgesetz (GG) (Meinungsfreiheit) und Art. 9 Abs. 3 GG (Koalitionsfreiheit) geschützt und ein wesentlicher Bestandteil der Wahl. Sowohl die Arbeitnehmer als auch die im Betrieb vertretene Gewerkschaft dürfen werben. Der Arbeitgeber darf zulässige Wahlwerbung nicht verbieten oder behindern, sondern muss sie gestatten. Zulässig sind grundsätzlich alle Aktionen, durch die der betriebliche Ablauf nicht gestört wird (während der Arbeitszeit), z. B.:
- das Verteilen von Handzetteln mit Kandidatenlisten
- die Einstellung von Wahlaufrufen ins Intranet
- die Nutzung des Intranet zur Wahlwerbung generell (umstritten)
- Aushang von Wahlplakaten
Kritik ja, Beleidigungen nein
Welche Grenzen gibt es im Rahmen der Wahlwerbung zu beachten? Zunächst: Wie bei jedem anderen politischen Wahlkampf auch kann es im Wahlkampf zur Betriebsratswahl schon mal etwas schärfer zur Sache gehen. In einer Demokratie muss es zulässig sein, überspitzt und pointiert zu formulieren, um seinen Standpunkt und vor allem die Abgrenzung zu dem des Gegners klarzumachen. Es ist demzufolge ebenfalls erlaubt, Kritik zu üben, sowohl am Arbeitgeber als auch an konkurrierenden Kandidaten bzw. Listen. Nur konstruktiv muss sie sein; die politischen Kontrahenten und auch Arbeitgeber und amtierender Betriebsrat müssen im Umgang miteinander sachlich bleiben. Der Spaß ist zu Ende, wenn Kandidaten persönlich angegriffen werden. Daher sind verboten:
- Diffamierungen
- Beleidigungen
- Hetze
- Ehrverletzungen
- Lügen
Praxistipp
Das Verbot von Beleidigungen, Diffamierungen und Hetze ist insbesondere im Lichte der zunehmenden Bedeutung von Social Media eine wichtige Einschränkung. Alle Kandidaten der Betriebsratswahl sollten sich ihrer besonderen Verantwortung bewusst sein und trotz einer harten sachlichen Auseinandersetzung nicht persönlich werden.
Wahrheitswidrige Werbung kurioserweise erlaubt
Nach dem Motto „Wo gehobelt wird, fallen auch Späne“ hat sich bei den Arbeitsrechtsspezialisten die Meinung durchgesetzt, dass Wahlpropaganda nicht immer der Wahrheit entsprechen muss. Schließlich sei das in der Politik auch nicht so; es sei gewissermaßen ein Bestandteil der Demokratie. Dann aber gibt es eine interessante Einschränkung: Unzulässig soll es laut der Fachliteratur sein, grob wahrheitswidrige Wahlpropaganda zu verbreiten. Aha, lügen ist also erlaubt, aber nicht zu sehr! Wer kennt sich da noch aus? Wo verläuft die Grenze zwischen wahrheitswidrig und grob wahrheitswidrig? Das kann wohl niemand mit Bestimmtheit sagen.
Praxistipp
Verzichten Sie wegen dieser zweifelhaften rechtlichen und moralischen Situation besser auf wahrheitswidrige Wahlwerbung. Das haben Sie doch nicht nötig! Kämpfen Sie hart, aber fair. Die meisten Arbeitnehmer werden es Ihnen danken. Denen geht es nämlich ausschließlich um die Sache.
Vergleichende Werbung erlaubt
Was in der echten Werbung lange verboten war, ist im Wahlkampf für die Betriebsratswahl zulässig: vergleichende Werbung. Das geht auch fast nicht anders; schließlich lassen sich so Standpunkte und Konzepte besonders gut voneinander abgrenzen.
Beispiel:
Die Liste A hat den Plan, sich nach der Betriebsratswahl für einen Betriebskindergarten einzusetzen. Die Liste B greift die Idee auf und kritisiert das als zu teuer sowie nicht umsetzbar. Sie schlägt vor, stattdessen Platzkontingente in umliegenden Krippen und Kindergärten zu buchen: „Unser Vorschlag zur Kinderbetreuung ist kostengünstiger als der der Liste A.“ Das ist zulässig.