07.07.2021

Rechte des Arbeitgebers bei Überwachung der Corona-Maßnahmen

Arbeitgeber sind für den Arbeitsschutz im Betrieb verantwortlich – und damit auch die Entwicklung, Umsetzung und Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen. Doch wie weit dürfen Geschäftsleitungen gehen, wenn sie diesbezüglich kontrollieren? Wann darf der Betriebsrat dabei mitbestimmen?

Betriebsrat Corona-Maßnahmen

Mitbestimmung. Der Betriebsrat kann bei der Kontrolle der Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen im Betrieb mehrere erzwingbare Mitbestimmungsrechte ausüben. Am besten ist es, hierzu eine gesonderte Betriebsvereinbarung abzuschließen, in der die Beteiligung und auch der Ablauf der Kontrollen detailliert geregelt werden. Wichtigste Grundlage der Mitbestimmung ist auch hier wie so oft § 87 Abs. 1 BetrVG, vor allem die Nrn. 6 und 7: Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG kann der Betriebsrat bei der Einführung und Verwendung aller technischen Einrichtungen mitbestimmen, die zur Überwachung der Arbeitnehmer geeignet sind. Hier ist z. B. an die Videoüberwachung zu denken, die der Arbeitgeber nicht im Alleingang durchsetzen darf. Dazu kommt das Recht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG und damit die Möglichkeit, bei allen Fragen des Arbeitsschutzes mit ins Boot geholt zu werden. Das betrifft einen weit gefächerten Bereich an Maßnahmen: Sei es das Einhalten der AHA-Regeln, die Umgestaltung von Büros oder Produktionsflächen (z. B. Plexiglasschutzwände etc.), aber auch das Beachten der Maskenpflicht und möglicherweise Coronatests im Betrieb oder (freiwillige) Impfaktionen.

Videoüberwachung: Datenschutz muss beachtet werden

Eine Videoüberwachung der Beschäftigten durch den Arbeitgeber ist immer rechtlich heikel, da diese Maßnahme einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten darstellt. Wenn Kameras im Betrieb das Geschehen und das Verhalten von Personen aufzeichnen, ist das rechtlich betrachtet eine Verarbeitung personenbezogener Daten. Daher muss die Überwachung mit dem Datenschutzrecht vereinbar sein. Zugrunde zu legen sind das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Danach ist eine Kameraüberwachung nur dann erlaubt, wenn es dafür eine Rechtfertigung gibt. Anwendbar sein könnten hier z. B. entweder Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO (Einwilligung des/der Beschäftigten) oder Art. 6 Abs. 1 lit. F DSGVO (berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Überwachung). Der Fall des Art. 6 Abs. 1 lit. F DSGVO könnte als Rechtfertigung der Videoüberwachung zur Überprüfung der Einhaltung der Schutzmaßnahmen dienen. Voraussetzung dafür ist, dass die Interessen des Arbeitgebers sowie die Interessen und Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten gegeneinander abgewogen werden und die Schutzinteressen des Arbeitgebers überwiegen.

Der Arbeitgeber darf kein milderes Mittel zur Verfügung haben

Die Frage der Erforderlichkeit entscheidet darüber, wann eine Videoüberwachung am Arbeitsplatz zulässig ist. Das bedeutet: Immer dann, wenn der Zweck der Überwachung auf gleiche Weise durch ein milderes, aber gleichermaßen effektives Mittel erreicht werden kann, ist dieses Mittel auszuschöpfen. Bezogen auf Corona bedeutet das: Wenn der Arbeitgeber überprüfen möchte, ob die Beschäftigten einen Mund-Nasen-Schutz tragen oder die Abstandsvorschriften einhalten, müsste das vielleicht nicht unbedingt per Videoüberwachung erfolgen. Denkbar wären auch mehrere unangekündigte Rundgänge durch den Betrieb. Es kann je nach Lage des Einzelfalls aber auch vertretbar und erforderlich sein, zumindest stichprobenartig die Videoüberwachung einzusetzen, um die Einhaltung der Schutzmaßnahmen zu kontrollieren. Das dürfte insbesondere dann gelten, wenn eine Videoüberwachung bereits zu anderen Zwecken erfolgt.

Hinweis: Zweck der Überwachung festlegen

Der Zweck der Überwachung und die Dauer der Datenspeicherung müssen – und zwar für jede eingesetzte Videokamera – vorab festgelegt und dokumentiert werden („Wozu dient die Maßnahme?“). Nur dann bleibt die Maßnahme bei einer Kontrolle durch den Datenschutzbeauftragten bzw. die Aufsichtsbehörden nachvollziehbar.

Privatsphäre ist zu beachten

Eine Videoüberwachung in Bereichen, die überwiegend der privaten Lebensgestaltung der Beschäftigten dienen, ist dagegen grundsätzlich unzulässig. Dies gilt insbesondere für WC, Sanitär-, Umkleide- und Schlafräume. Beschäftigte sollten in diesen Räumen vor jeglicher Überwachung durch den Arbeitgeber geschützt sein; der Schutz der Intimsphäre überwiegt hier stets die Interessen des Arbeitgebers an einer Überwachung. Hier kann der Arbeitgeber also keine Masken- oder Abstandspflichten kontrollieren.

Der Arbeitgeber muss die Beschäftigten informieren

Ist eine Videoüberwachungsanlage im Einsatz, muss der Arbeitgeber als Verantwortlicher seinen Informationspflichten nach Art. 12, 13 DSGVO nachkommen. Zunächst sind alle Personen, die den betroffenen Bereich betreten, auf die Überwachung hinzuweisen. Die Beschäftigten müssen offen und gut verständlich darüber informiert werden, ob, wo und warum die Videoüberwachung eingesetzt wird. Es muss auch über die Kontaktdaten des Arbeitgebers (Ansprechpartner als verantwortliche Stelle) aufgeklärt werden. Denkbar sind hier unterschiedliche Kommunikationsmedien, z. B. ein gut wahrnehmbares und möglichst im Zutrittsbereich der überwachten Fläche angebrachtes Schild, einen Hinweis im Intranet oder eine E-Mail etc.

Rechte des Betriebsrats sind zu beachten

Eine erste Gerichtsentscheidung zum Thema Videoüberwachung und Corona des ArbG Wesel (Beschluss vom 24.4.2020, Az.: 2 BVGa 4/20) verdeutlicht auch die Wichtigkeit der Rolle des Betriebsrats: Er muss vor Ein- und Durchführung der Videoüberwachung beteiligt werden und ihr zustimmen; andernfalls ist diese unzulässig. Im vom Gericht entschiedenen Fall gab es eine Betriebsvereinbarung zur Videoüberwachung, die hier vom Arbeitgeber nicht beachtet worden war: Der Arbeitgeber hatte nämlich eine Software zur Anonymisierung der Bildaufnahmen eingesetzt, die auf Servern im Ausland gespeichert waren. Diese Übermittlung der Daten ins Ausland hätte vom Betriebsrat abgesegnet werden müssen.

Darf der Arbeitgeber verpflichtende Coronatests verlangen?

Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, ihre Beschäftigten zu schützen – auch vor Coronainfektionen. Seit Ende April ist diese Verpflichtung um ein weiteres Element ergänzt worden: Durch eine Verordnung der Bundesregierung, die zunächst bis zum 30.6.2021 gilt, müssen Arbeitgeber ihren Beschäftigten nun die Testmöglichkeit am Arbeitsplatz anbieten. Es handelt sich um (mindestens) zwei vom Arbeitgeber zu zahlende Tests pro Woche, soweit die Beschäftigten nicht im Homeoffice arbeiten. Erlaubt sind PCR-, Antigen-Schnell- und Selbsttests. Die Unternehmen müssen nicht dokumentieren, dass ihre Mitarbeiter die Tests auch tatsächlich in Anspruch nehmen. Es besteht keine generelle Testpflicht für die Beschäftigten – das hängt vom Einzelfall ab. Einige Bundesländer haben z. B. für die Mitarbeiter von Alten- und Pflegeheimen verpflichtende Tests angeordnet. Grundsätzlich gilt, dass bei Erkältungssymptomen am Arbeitsplatz in jedem Fall das Interesse an der Testpflicht überwiegt. Auch bei Berufen, in denen die Beschäftigten den Kunden/Patienten etc. körperlich nahe kommen, ist der Schutz der anderen wichtiger. Doch auch sonst dürfte eher gelten, dass der Nutzen der Tests als Instrument zur Eindämmung der Pandemie höher zu bewerten ist als der damit verbundene Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten.

Hinweis: Privilegien für Geimpfte

Privilegien für geimpfte Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber sind zulässig, um einen Impfanreiz zu schaffen, z. B. in finanzieller Hinsicht. Dies ist von der Vertragsfreiheit gedeckt. Darin liegt auch keine (gesetzlich verbotene) Maßregelung oder Benachteiligung der Impfverweigerer. Dennoch bleibt das Impfen natürlich freiwillig.

Keine generelle Impfpflicht

Es gibt keine allgemeine gesetzliche Impfpflicht zur Eindämmung von Corona und es wird wohl auch keine geben – und das, obwohl das Infektionsschutzgesetz grundsätzlich die Möglichkeit einer Verpflichtung vorsieht. Diese ist z. B. auch die Grundlage des Masernschutzgesetzes. Da die Impfung nicht gesetzlich gefordert ist, stellt sich die Frage, inwieweit Arbeitgeber eine Impfpflicht über ihr Direktionsrecht durchsetzen könnten. Dies wird regelmäßig eindeutig verneint, da eine solche Verpflichtung ein zu starker Eingriff in die durch das Grundgesetz geschützten Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer bedeuten würde. Das dürfte bei Corona genauso gelten wie etwa bei der Grippeschutzimpfung: Hier können Arbeitgeber zwar Impfangebote machen, deren Annahme durch die Arbeitnehmer beruht aber auf Freiwilligkeit.

Autor*in: Silke Rohde (ist Rechtsanwältin & Journalistin sowie Chefredakteurin des Fachmagazins Betriebsrat KOMPAKT.)