18.06.2019

Mehr Gleichberechtigung mit dem Betriebsrat

Viele Betriebsräte fragen sich, was sie konkret für die Gleichstellung von Frauen und Männern im Betrieb tun können. Denn dies gehört laut § 80 BetrVG zu ihren Aufgaben. Für deren Erfüllung ist es erforderlich zu wissen, wie der momentane Stand der Gleichstellung der Geschlechter ist und mit welchen konkreten Maßnahmen er (weiter) verbessert werden kann. Diese Maßnahmen müssen dann beschlossen, geplant und umgesetzt werden. Hierfür gibt es hilfreiche Werkzeuge, die die Arbeit erleichtern und voranbringen. Und es gibt die Möglichkeit, sich dabei mit finanzieller Förderung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes kompetent begleiten zu lassen. Interessiert?

Betriebsrat Gleichberechtigung

Das Prüfinstrument eg-check.de

Geschäftsführung Betriebsrat. Mit dem Prüfinstrumentarium eg-check.de (Entgeltgleichheits-Check) kann die Entgeltgleichheit im Betrieb überprüft werden. Zu einer solchen betrieblichen Prüfung sind gemäß § 17 Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) alle Betriebe mit über 500 Beschäftigten aufgefordert, aber auch für Betriebe mit weniger Beschäftigten gilt das Gebot der Entgeltgleichheit, sodass es sinnvoll ist zu untersuchen, wie es im Betrieb damit aussieht. Die Prüfung orientiert sich am europäischen und deutschen Recht und untersucht jeden Entgeltbestandteil einzeln: Grundentgelt, Erfahrungsstufen, Leistungsvergütung, Überstundenzuschläge und Erschwerniszuschläge.

Download: Werden Frauen und Männer fair bezahlt?

Der eg-check.de wurde im Jahr 2010 mit finanzieller Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung von der Autorin und ihrer Kollegin Karin Tondorf entwickelt und kann kostenlos heruntergeladen werden: https://www.eg-check.de

Das Prüfinstrument gb-check

Für alle anderen Bereiche des Erwerbslebens, in denen ebenfalls eine geschlechterbezogene Benachteiligung vorkommen kann, wurde im Jahr 2017 der gb-check (Gleichbehandlungs-Check) fertiggestellt. Mit ihm kann geprüft werden, wie es sich bei den Themen Stellenausschreibung, Personalauswahl, Beurteilungen, betriebliche Weiterbildung, Arbeitszeit und anderen Arbeits-und Beschäftigungsbedingungen (Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit, befristete Beschäftigung, Gesundheitsschutz, sexuelle Belästigung) mit dem Stand der Gleichstellung verhält.

Download: Werden Frauen und Männer fair behandelt?

Der gb-check wurde im Rahmen eines EU-geförderten Projekts von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Kooperation mit der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin entwickelt. Entwicklerinnen waren die Autorin sowie Karin Tondorf und Andrea-Hilla Carl. Auch er steht zum kostenlosen Download zur Verfügung: https://www.gb-check.de

Die Prüfmethoden von eg-check.de und gb-check

Die Prüfinstrumentarien eg-check.de und gb-check sind eng miteinander verwandt und ähneln in den Methoden der Prüfung. Es gibt drei verschiedene Arten von Prüfwerkzeugen: Erstens gibt es zu jedem Entgeltbestandteil oder Prüfbereich eine spezielle Statistik, die Hinweise auf Benachteiligungen eines Geschlechts geben kann. Zweitens gibt es Fragenkataloge, die auf spezifische Diskriminierungsgefahren hinweisen können. Bei jeder Frage gibt es eine Erläuterung zu der jeweiligen Diskriminierungsgefahr, rechtliche Hinweise oder Beispiele für eine gleichstellungsförderliche Gestaltung. Diese Fragenkataloge heißen Regelungs- Check (eg-check.de) bzw. Verfahrensanalyse (gb-check). Als dritte Werkzeugart stehen Paarvergleiche zur Verfügung. Mit ihnen kann die Gleichbehandlung auf der individuellen Ebene zwischen einer Frau und einem Mann geprüft werden.

Die Nutzung der Prüfinstrumentarien

Alle Prüfwerkzeuge und Hintergrundinformationen stehen auf den genannten Internetseiten zum Download zur Verfügung, sodass jede und jeder in Eigenregie mit ihnen arbeiten kann. Für eine erfolgreiche Nutzung und nachhaltige Umsetzung der Ergebnisse empfiehlt sich jedoch, ein Prüfprojekt durchzuführen. Die Prüfung wird gemeinsam von einer Projektgruppe durchgeführt. Ihr sollten Mitglieder des Betriebsrats und der Personalabteilung angehören, außerdem weitere Fachleute für die Themen, die geprüft werden sollen und eventuell auch gleichstellungspolitisch engagierte Beschäftigte und Führungskräfte. Wenn es Frauen- bzw. Gleichstellungsbeauftragte oder Diversity-Beauftragte im Unternehmen gibt, gehören sie selbstverständlich ebenfalls dazu.

Praxistipp: Holen Sie sich Begleitung von Experten

Es ist sinnvoll, wenn die Projektgruppe von erfahrenen Beratern oder Wissenschaftlern in ihrer Arbeit unterstützt und begleitet wird. Dies können die Entwicklerinnen der Instrumentarien sein, aber auch andere Experten oder Expertinnen im Bereich Gleichstellung und Entgeltgleichheit.

Der Ablauf eines Prüfprojekts

Das Prüfprojekt läuft üblicherweise in folgenden Schritten ab:

  • Einführungs- oder Startworkshop
  • Sammeln von Daten für die Statistiken und Bereitstellen von Informationen
  • Analyse-Workshops (meist zwei Tage, pro Prüfbereich  ca. ein Tag)
  • schriftlicher Abschlussbericht
  • Abschlussworkshop

Die Förderung durch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) betreibt die beiden Internetseiten mit den Prüfinstrumentarien und weiteren Informationen. Den Unternehmen, die sie anwenden, verleiht sie ein Zertifikat und unterstützt die Öffentlichkeitsarbeit hierzu. Und – nicht zuletzt! – finanziert sie in jedem Jahr für vier bis fünf Unternehmen einen Teil der wissenschaftlichen Begleitung und Beratung der betrieblichen Projektgruppen. Die Unternehmen tragen einen Eigenanteil, der jedoch nur den kleineren Teil der Beratungskosten umfasst. Um interessierte Unternehmen zu gewinnen, versendet die ADS gezielte Anschreiben und informiert auf den Internetseiten (www.eg-check.de und www.gb-check.de).

Nehmen Sie Kontakt mit der Förderstelle auf

Interessierte Vertreter und Vertreterinnen eines Unternehmens können sich an die ADS wenden und zunächst formlos das Interesse an einer Förderung bekunden (Kontaktdaten siehe Kasten). Der ADS liegt es daran, möglichst verschiedene Größen, Branchen und Regionen an der Förderung zu beteiligen. Die Prüfung mit eg-check.de wird allerdings nur für Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten gefördert. Denn größere Unternehmen sind vom EntgTranspG aufgefordert, betriebliche Prüfverfahren durchzuführen und es darf nicht mit staatlichen Finanzmitteln gefördert werden, wenn Unternehmen dieser gesetzlichen Aufforderung nachkommen. Die Anwendung von gb-check kann hingegen auch für größere Unternehmen gefördert werden.

Praxistipp: Beschluss im Gremium und Vereinbarung mit dem Arbeitgeber

Hat ein Betriebsrat Interesse an einem Prüfprojekt und der Förderung durch die ADS, sollte zunächst im eigenen Gremium ein entsprechender Beschluss gefasst und mit dem Arbeitgeber die Durchführung eines Prüfprojekts vereinbart werden.

Bisherige Erfahrungen: positiv!

In mehr als 30 Unternehmen wurden die Instrumente eg-check.de oder gb-check bereits angewendet und die Erfahrungen waren überwiegend positiv. Die moderierte Zusammenarbeit führte zu einem gemeinsamen Verständnis in der Projektgruppe zu gleichstellungspolitischen Themen und Problemen und schärfte den Blick der Beteiligten für bislang nicht wahrgenommene Diskriminierungsgefahren. Konkrete Maßnahmen konnten erarbeitet und umgesetzt werden, wie beispielsweise neue Regeln für gleichstellungsförderliche Stellenausschreibungen, andere Wege zur Erhöhung des Anteils weiblicher Führungskräfte, der konsequentere Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung oder Ansatzpunkte für eine geschlechtergerechte Bewertung und Vergütung von Arbeit.

Kontaktdaten zur Förderung eines Prüfprojekts mit eg-check.de oder gb-ccheck:

Antidiskriminierungsstelle des Bundes Charlotte Kastner (Projektleitung)

E-Mail: Charlotte.Kastner@ads.bund.de, Telefon: 030 18 555 1812

Autor*innen: Silke Rohde (ist Rechtsanwältin & Journalistin sowie Chefredakteurin des Fachmagazins Betriebsrat KOMPAKT.), Dr. Andrea Jochmann-Döll