18.07.2022

Keine Rückzahlung von Fortbildungskosten bei jeglicher Eigenkündigung

Eine Klausel in einer Fortbildungsvereinbarung, die eine Pflicht zur Rückzahlung von Fortbildungskosten unabhängig vom Grund einer Eigenkündigung vorsieht, ist laut dem BAG unwirksam, weil sie betroffene Beschäftigte unangemessen benachteiligt.

Fortbildung

Worum geht es?

Eine in einer Reha-Klinik angestellte Altenpflegerin schloss im Februar 2019 einen Vertrag über die Teilnahme an einer von Juni bis Dezember 2019 an 18 Arbeitstagen stattfindenden Fortbildung.

Der Arbeitgeber verpflichtete sich, die Kosten von 4.090 € (Kursgebühren sowie bezahlte Freistellung) zu übernehmen. Gemäß § 3 des Vertrages sollte die Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber bei einer Eigenkündigung die von diesem übernommenen Gesamtkosten zurückzahlen. Nach dem Ende der Fortbildung sollten pro Beschäftigungsmonat 1/6 des gesamten Rückzahlungsbetrages erlassen werden.

Die Altenpflegerin kündigte zum 01.02.2020. Daraufhin wurde sie vom Arbeitgeber zur anteiligen Rückzahlung von Fortbildungskosten in Höhe von 2.730 € aufgefordert. Als sie die Zahlung verweigerte, kam es zum Prozess.

Das sagt das Gericht

Das BAG gab der Arbeitnehmerin Recht. § 3 des Fortbildungsvertrages führe zu einer unangemessenen Benachteiligung der Altenpflegerin und sei deshalb unwirksam. Laut dieser Klausel führe jede nicht vom Arbeitgeber zu vertretende Arbeitnehmerkündigung zu einer Rückzahlungspflicht.

Dies umfasse auch eine Eigenkündigung der Altenpflegerin unabhängig von ihrem Grund. Also auch eine Kündigung, weil sie aus persönlichen, aber nicht von ihr zu vertretenden, Gründen dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, ihrer Arbeit nachzugehen.

In solchen Fällen sei das Interesse der Arbeitnehmerin an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses höher zu bewerten als das des Arbeitgebers am Fortbestehen. Im Streitfall sehe der Fortbildungsvertrag aber dennoch eine Rückzahlung vor. Dies benachteilige die Arbeitnehmerin unangemessen.

Als Konsequenz sei die Rückzahlungsklausel insgesamt unwirksam und gelte faktisch als nicht vereinbart. Daher könne die Rehaklinik keine Erstattung der Fortbildungskosten verlangen. BAG, Urteil vom 01.03.2022, Az.: 9 AZR 260/21

Das bedeutet für Sie als Betriebsrat

Die Rechtsprechung erlaubt es, dass die Rückzahlungsverpflichtung an eine verhaltensbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber anknüpft. Unzulässig sind hingegen Klauseln, die auch eine Rückzahlungspflicht von Fortbildungskosten vorsehen, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus betriebs- oder krankheitsbedingten Gründen erfolgt. Bei einer Kündigung durch den Arbeitnehmer kommt ebenfalls keine Erstattung in Betracht, wenn – wie im Eingangsfall – nicht vertretbare personenbedingte Gründe (z. B. Krankheit) Ursache für die Eigenkündigung waren und die personenbedingten Kündigungsgründe mindestens bis zum Ablauf der Bindungsfrist (vgl. Übersicht) andauern.

BAG definiert maximale Bindungsdauer bei Rückzahlungsklauseln

Die Zulässigkeit von Rückzahlungsklauseln hängt von der Fortbildungs- und Bindungsdauer ab. Beide müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen. Von welchem Verhältnis das BAG in ständiger Rechtsprechung ausgeht, können Sie der Übersicht entnehmen. Besteht die Ausbildung aus mehreren Unterrichtsabschnitten, werden die dazwischen liegenden Unterbrechungszeiten, in denen gearbeitet wird, bei der Berechnung der Fortbildungsdauer nicht mitberücksichtigt.

Übersicht: Zeitliche Staffelung der Bindungsdauer bei Rückzahlungsklauseln

Fortbildungsdauer Maximale Bindung
bis zu 1 Monat 6 Monate
bis zu 2 Monaten 12 Monate
bis zu 4 Monaten 24 Monate
bis zu 12 Monaten 36 Monate
bis zu 24 Monaten 60 Monate

 

Autor*in: Daniel Roth (ist Chefredakteur des Beratungsbriefs Urteils-Ticker Betriebsrat.)