09.06.2022

Betriebsrat in der Pflege: Präventiver Arbeitsschutz am besten

Gerade in Pflegeberufen sind überdurchschnittlich viele Kollegen von einem Burnout bedroht, nach Untersuchungen trifft das fast auf ein Drittel (!) der Beschäftigten zu. Der Wunsch, perfekte Arbeit zu leisten und für die zu Pflegenden da zu sein, muss in Einklang gebracht werden mit einer oft dünnen Personaldecke und daraus folgender hoher Arbeitsbelastung. Dazu kommen noch anstrengende Schichtdienste.

Arbeitsschutz in der Pflege

Ein Burnout ist in der Regel ein schleichender Prozess. Oft bleiben die ersten Anzeichen unbemerkt, bis sich die gesundheitlichen Probleme nach einer längeren Phase, vielleicht erst nach einigen Jahren, dann so verstärken, dass nichts mehr geht: Die Kollegen fühlen sich ausgebrannt und sind nicht mehr so leistungsfähig. Hinzu kommt eine ganze Anzahl körperlicher Symptome wie Bluthochdruck, Schlaflosigkeit, Gereiztheit, Hautprobleme etc.

Viele Ursachen – viele Gegenmaßnahmen

Die Ursachen für Burnout in der Pflege sind mittlerweile klar erkannt (siehe Übersicht „Ursachen für Burnout). Und daraus lässt immer wieder dieselbe Schlussfolgerung ziehen: Am wirksamsten ist die rechtzeitige Prävention, damit ein Burnoutsyndrom gar nicht erst entstehen kann. Dabei ist natürlich in erster Linie der Arbeitgeber gefragt, aber auch die Beschäftigten selbst und Sie als Betriebsrat haben hier wichtige Aufgaben zu übernehmen.

Gefährdungsbeurteilung legt den Grundstein

Der Arbeitgeber kann viel tun, um seine Beschäftigten vor dem Burnout-Syndrom zu schützen. Die passenden Maßnahmen zur Prävention müssen dabei jeweils für die konkrete Situation geeignet sein, d. h., es gibt nicht das Patentrezept, sondern immer eine Mischung mehrerer Schutzkonzepte. Deshalb ist es zunächst einmal wichtig, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, die auch psychische Belastungen beinhaltet. In diesem Rahmen ist zu prüfen, welche Ursachen für den Burnout (Fachbegriff: Stressor), wie etwa die Leistungsmenge oder vorhandene Zeitvorgaben, in Ihrem Betrieb vorhanden sind und wie massiv diese auftreten. Dabei sollte auch ein Optimalziel definiert werden. Anschließend werden Schutzmaßnahmen entwickelt, um sich dem Soll-Zustand zumindest anzunähern. Durch diese Gefährdungsbeurteilung erfährt man schon viel darüber, wo die Burnout-Gefahren lauern.

Die auf der Basis der Gefährdungsbeurteilung gewonnene Einschätzung der Gesundheitsrisiken muss jedoch nicht mit dem persönlichen Eindruck der Kollegen übereinstimmen. Deshalb ist es in der Burnout-Prävention auch wichtig, dass die Mitarbeiter zu einer Selbsteinschätzung aufgefordert werden. Können sie die Leistungen erbringen, die gefordert werden? Haben sie genug Zeit dazu?

Übersicht: Ursachen für Burnout

  • ständiger Zeitdruck
  • permanente Überforderung (fachlich, zeitlich und emotional)
  • nicht ausreichende Qualifikation für die zu verrichtende Arbeit
  • unzureichende Einarbeitung
  • Schwierigkeiten im Umgang mit den Pflegebedürftigen und deren Angehörigen
  • geringe Kenntnisse im Bereich Gesprächsführung
  • Schichtdienst und Wochenendarbeit (wenig Zeit für die Familie)
  • fehlender Ausgleich im Privatleben
  • Angst um den Arbeitsplatz
  • schlechtes Betriebsklima
  • geringe soziale Unterstützung durch Kollegen, Führungskraft und Familie
  • schlechte Arbeitsbedingungen
  • fehlende Anerkennung
  • keine Aufstiegschancen
  • mehrere Vorgesetzte geben widersprüchliche Arbeitsanweisungen
  • Rollenunklarheit

Reden hilft

Ein wichtiges Instrument, um Burnout wirksam vorzubeugen, sind regelmäßige Mitarbeitergespräche: In den Gesprächen tauschen sich Mitarbeiter und Vorgesetzte über die Situation im Unternehmen sowie Ziele und Wünsche aus. Im Anschluss können die Arbeitsanforderungen entsprechend angepasst werden. Dabei ist es auch besonders wichtig, den Mitarbeitern Respekt und Wertschätzung entgegenzubringen. Dass Arbeitgeber dies in vielen Fällen zu selten tun, ist auch eine Mitursache für Burnout. Außerdem arbeiten gute Geschäftsleitungen mit klaren Zielvorgaben und Erfolgskriterien: Wenn klare Ziele definiert sind, fällt es den Mitarbeitern leichter einzuschätzen, wie gut sie arbeiten. Nur wer seine eigene Leistung beurteilen kann, kann effektiv arbeiten und fühlt sich wohl.

Gute Arbeitgeber schätzen ihre Mitarbeiter wert

Ein gutes Mittel gegen Burnout sind auch umfangreiche Qualifizierungsangebote: Sie steigern die Motivation und das Wohlbefinden der Mitarbeiter. Außerdem hat es sich bewährt, dass der Arbeitgeber die Beschäftigten ermutigt, ihr Können und ihre persönlichen Fähigkeiten in die Tätigkeit einzubringen. Und wer als Arbeitgeber ganz besonders fortschrittlich sein will, bietet den Kollegen soziale Unterstützung an: Dazu zählen z. B. Mentorenprogramme.

Work-Life-Balance: Mehr als ein Modewort

Durch das Konzept der Work-Life-Balance soll die Arbeitsorganisation grundlegend modernisiert werden. Das Ziel: Das Verhältnis von Erwerbstätigkeit und privaten Lebenszusammenhängen wird vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen, technologischen und gesellschaftlichen Wandels mittels neuer Modelle und Instrumente neu definiert. Dabei geht es übrigens nicht nur um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Sondern darum, wie sich Beruf- und Privatleben insgesamt möglichst stressfrei so kombinieren lassen, dass Platz für beides bleibt. So sollen etwa Phasen der Familiengründung, der Qualifizierung, Auslandsaufenthalte, ehrenamtliche Tätigkeiten etc. mit einer kontinuierlichen Erwerbsfähigkeit verbunden werden können.

Ganzheitlicher Ansatz

Integrierte Work-Life-Balance-Konzepte gehen über reine Arbeitszeitmanagementansätze hinaus und beinhalten unter anderem:

  • bedarfsspezifisch ausgestaltete Arbeitszeitmodelle
  • eine angepasste Arbeitsorganisation
  • Führungsrichtlinien
  • weitere unterstützende und gesundheitspräventive Leistungen für die Beschäftigten

Weniger Belastung – weniger Geld

Arbeitszeitexperten haben einen weiteren Vorschlag, wie Arbeitnehmer länger gesund bleiben können: Dabei steht die Prävention von Krankheiten aufgrund hoher Arbeitsbelastungen im Vordergrund: Statt mit Geld sollen Überstunden und Mehrarbeit künftig nur noch durch Freizeit ausgeglichen werden. Ziel ist es, Belastungen durch lange und ungünstige Arbeitszeiten zu verringern, die Arbeitsfähigkeit zu erhalten und damit den längeren Verbleib im Erwerbsleben zu sichern. Es erscheint logisch: Belastungen infolge langer (Überstunden) und ungünstiger Arbeitszeiten während der Nacht und im Wechselschichtrhythmus ließen sich reduzieren, würde man die für diese Arbeitszeitformen gezahlten Geldzuschläge in entsprechenden Freizeitausgleich umwandeln. Für die Unternehmen wäre das Prinzip des Freizeitausgleichs weitgehend kostenneutral. Die betroffenen Beschäftigten tauschen Geld gegen Freizeit, Belastungen gegen Regeneration.

Übersicht: Handlungsfelder von Work-Life-Balance

Work-Life-Balance-Maßnahmen lassen sich drei wesentlichen Handlungsfeldern zuordnen:

  • Maßnahmen zur intelligenten Verteilung der Arbeitszeit im Lebensverlauf und zu einer ergebnisorientierten Leistungserbringung (z. B. vollzeitnahe Teilzeitarbeit, Teilzeitarbeit bis 24 Stunden, Sabbaticals, Langzeitkonten)
  • Maßnahmen zur Flexibilisierung von Zeit und Ort der Leistungserbringung (gleitende Arbeitszeit, Arbeitszeitkonten, Job-Sharing, teilautonome Teams, Personeneinsatzpool)
  • Maßnahmen, die auf Mitarbeiterbindung zielen (z. B. Sensibilisierung der Führungskräfte, Mentoring, Wiedereinstiegsprogramme, Qualifizierungsangebote, Sozialberatung, haushaltsnahe Dienstleistungen, Unterstützung bei der Kinderbetreuung)

Dieser Ansatz funktioniert allerdings nur, wenn es auch genügend Menschen gibt, die dann zusätzlich eingestellt würden. Leider ist es aber gerade in der Pflegebranche schwer, diese Fachkräfte zu finden. Hier sind neue Wege gefragt: Die Betriebe könnten z. B. neue Arbeitskräfte durch Umschulungen und Zusatzqualifikationen gewinnen.

Die meisten Fragen der Arbeitszeitgestaltung unterliegen Ihrer Mitbestimmung. Durch § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 BetrVG öffnen sich Ihnen weitreichende Möglichkeiten, um mitzugestalten und eigene Akzente zu setzen. Im Notfall können Sie als Betriebsrat Ihre Geschäftsleitung sogar mihilfe der Einigungsstelle dazu zwingen, mit Ihnen über derartige Fragen zu verhandeln.

Autor*in: Silke Rohde (ist Rechtsanwältin & Journalistin sowie Chefredakteurin des Fachmagazins Betriebsrat KOMPAKT.)