12.03.2019

Auch Teilzeitbeschäftigte haben Anspruch auf Überstundenzuschläge

Erfreuliche Nachrichten für Teilzeitbeschäftigte: Das BAG hat entschieden, dass Teilzeitkräfte von ihrem Arbeitgeber Mehrarbeitszuschläge verlangen können – und zwar auch dann, wenn sie die Arbeitszeit einer Vollzeittätigkeit nicht überschritten haben. Dies gebiete das Diskriminierungsverbot für Teilzeitkräfte.

Betriebsrat Überstunden Teilzeit

Worum geht es?

Arbeitsrecht. Eine Arbeitnehmerin ist in einem Einzelhandelsunternehmen als stellvertretende Filialleiterin in Teilzeit beschäftigt. Auf ihr Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Systemgastronomie Anwendung. Dieser regelt u. a. Mehrarbeitszuschläge und gestattet es – wie im Fall der Arbeitnehmerin – eine Jahresarbeitszeit festzulegen. Für den nach Ablauf des Zwölfmonatszeitraums bestehenden Zeitsaldo bezahlte ihr der Arbeitgeber die Grundvergütung. Mehrarbeitszuschläge erhielt die Arbeitnehmerin nicht, weil ihre Arbeitszeit nicht die einer Vollzeittätigkeit überschritt. Die Arbeitnehmerin fühlte sich durch diese Regelung benachteiligt und forderte ihren Arbeitgeber deshalb auf, ihr für die Arbeitszeit, die über ihre vereinbarte Arbeitszeit hinausging, Mehrarbeitszuschläge zu leisten. Nachdem der Arbeitgeber die Zahlung verweigert hatte, zog die Arbeitnehmerin vor Gericht.

Das sagt das Gericht

Die Erfurter Bundesrichter gaben der Arbeitnehmerin Recht. Die Auslegung des Tarifvertrages ergebe, dass Teilzeitbeschäftigte mit vereinbarter Jahresarbeitszeit einen Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge für die Arbeitszeit haben, die über ihre individuell festgelegte Arbeitszeit hinausgeht. Diese Auslegung entspreche höherrangigem Recht. Sie sei mit dem in § 4 Abs. 1 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) verankerten Diskriminierungsverbot vereinbar. Zu vergleichen seien die einzelnen Entgeltbestandteile und nicht die Gesamtvergütung. Teilzeitbeschäftigte würden benachteiligt, wenn die Zahl der Arbeitsstunden, von der an ein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung entsteht, nicht proportional zu ihrer vereinbarten Arbeitszeit vermindert würde. BAG, Urteil vom 19.12.2018, Az.: 10 AZR 231/18

Das bedeutet für Sie als Betriebsrat

Eines vorweg: Der Betriebsrat vertritt die Interessen aller Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG. Die näheren Einzelheiten des Arbeitsvertrages spielen für die Zuständigkeit des Betriebsrats grundsätzlich keine Rolle, sodass er auch die Interessen der Teilzeitbeschäftigten und befristet beschäftigten Arbeitnehmer vertritt. Informieren Sie deshalb in Ihrer Funktion als betrieblicher Interessenvertreter Ihre in Teilzeit tätigen Kolleginnen und Kollegen über dieses wichtige Grundsatzurteil, das ihnen im Falle von Überstunden eine höhere Bezahlung beschert – vorausgesetzt, es existiert eine tarifliche Regelung, die Überstundenzuschläge vorsieht. Mit dieser Entscheidung vollzog der Zehnte Senat des höchsten deutschen Arbeitsgerichts eine Kehrtwende in seiner Rechtsprechung und stärkte damit die Rechte der rund neun Millionen Teilzeitbeschäftigten in Deutschland.

Gesetzgeber hat Informationsanspruch des Betriebsrats erweitert

Seit dem Inkrafttreten des TzBfG im Jahr 2001 hat der Betriebsrat einen auf die Teilzeitarbeit im Betrieb bzw. Unternehmen gerichteten Informationsanspruch gegen den Arbeitgeber, der bis zum 31.12.2018 in § 7 Abs. 3 TzBfG geregelt war. Seit dem 01.01.2019 gilt ein erweiterter Informationsanspruch, der im neu hinzugekommenen Absatz 4 verankert ist. Danach muss der Arbeitgeber den Betriebsrat – wie bisher auch – über vorhandene oder geplante Teilzeitarbeitsplätze und die Umwandlung von Teilzeitarbeitsplätzen in Vollzeitarbeitsplätze oder umgekehrt informieren. Neu ist, dass der Betriebsrat nun auch Auskunft über die von Beschäftigten nach § 7 Abs. 2 TzBfG geäußerten Arbeitszeitwünsche verlangen kann.

Beispiel Überstunden einer Teilzeitkraft

Überschreitet eine Teilzeitkraft, die laut Arbeitsvertrag eine 20-Stunden-Woche hat, ihre individuell vereinbarte Arbeitszeit, so muss ihr der Arbeitgeber ab der 21. Stunde (Überstunde) – sofern ein entsprechender Tarifvertrag anwendbar ist – einen Überstundenzuschlag bezahlen.

Autor*in: Daniel Roth (ist Chefredakteur des Beratungsbriefs Urteils-Ticker Betriebsrat.)