26.07.2023

Die Kleinunternehmerregelung im Neugründungsjahr

Alle reden von Entbürokratisierung. Hier endlich einmal ein Fall, wo das offenbar durchgezogen wird: die Kleinunternehmerregelung. Sie befreit Sie als Unternehmer von der Erhebung von Umsatzsteuer, zumal im Jahr Ihrer Neugründung eine nicht unerhebliche bürokratische Entlastung.

Kleinunternehmerregelung

Was bedeutet in diesem Zusammenhang Neugründung? 

Der Begriff umfasst das erste Jahr, in welchem Sie als neuer Unternehmensgründer Ihr Unternehmen gründen. Ob Sie als Unternehmer Anspruch auf den Kleinunternehmerstatus haben, hängt davon ab, wie viel Umsatz Sie mit Ihrer Tätigkeit erzielen. Wenn der Umsatz Ihres neuen Unternehmens im laufenden Gründungsjahr, also seinem Erstjahr 22.000 Euro nicht übersteigt, können Sie die Kleinunternehmerregel anwenden. Wenn Sie schon länger als Gewerbetreibender oder Freiberufler tätig sind, sind Sie nach § 19 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UstG) Kleinunternehmer, wenn Ihr Vorjahresumsatz zuzüglich eventueller Umsatzsteuer die kritische Grenze  

  • von 22.000 Euro nicht überstiegen hat und  
  • Ihr Umsatz des laufenden Jahres voraussichtlich nicht über 50.000 Euro liegen wird. 

Fällt Ihr Unternehmen in diese Kategorie, bleiben Sie von der Umsatzsteuer verschont, auch wenn Ihre Umsätze eigentlich steuerpflichtig wären.  

Wie berechnet sich der Umsatz unter der Kleinunternehmerregelung? 

Laut einer Berechnung der IHK Hannover berechnet sich der maßgebende Gesamtumsatz wie folgt: 

          Steuerbare Umsätze 

./.      bestimmte steuerfreie Umsätze, §§ 4 Nr. 8i, Nr. 9 b, Nr. 11-29 UStG (z.B. Umsätze aus Vermietung) 

./.      bestimmte steuerfreie Hilfsumsätze, §§ 4 Nr. 8 a-h, Nr. 9 a, Nr. 10 UStG 

         (z.B. Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen) 

=      Gesamtumsatz gem. § 19 Abs. 3 UStG 

./.      darin enthaltene Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens 

         (Hilfsgeschäfte) 

=      Umsatz gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG 

+      darauf entfallende Umsatzsteuer 

=      Bruttoumsatz gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG 

Was, wenn Ihr neues Unternehmen nicht genau am 1. Januar die Tätigkeit aufnimmt? 

Bei Beginn seiner gewerblichen Tätigkeit im Laufe dieses ersten Jahres rechnet man den Umsatz auf zwölf Monate hoch. 

Dürfen Sie als Kleinunternehmer Umsatzsteuer berechnen? 

Nein, als Kleinunternehmer sind Sie von jeglicher Umsatzbesteuerung freigestellt und dürfen deshalb in ihren Rechnungen keine Umsatzsteuer ausweisen. Sie haben auch keine Möglichkeit, den Vorsteuerabzug in Anspruch zu nehmen. Für Ihre Rechnungstellung als Kleinunternehmer gilt also: 

  • Sie dürfen keine Umsatzsteuer gesondert in Ihren Rechnungen ausweisen, 
  • Sie erhalten die Umsatzsteuer, die Ihnen selbst berechnet wird, nicht als Vorsteuer vom Finanzamt erstattet, 
  • Ihre Abnehmer können und dürfen keine Vorsteuer ziehen. 

Als Kleinunternehmer dürfen Sie in Ihren Ausgangsrechnungen nicht nur keine Umsatzsteuer ausweisen, sondern auch den Steuersatz nicht angeben. Das ist insbesondere bei Rechnungen mit einem Gesamtbetrag von bis zu 250 Euro (Kleinbetragsrechnungen, § 33 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung, UStDV) wichtig. Der Ausweis des Steuersatzes an dieser Stelle kommt einer Angabe des Steuerbetrages gleich. Bei Abrechnung in Form einer Gutschrift für eine durch Sie als Kleinunternehmer ausgeführte Leistung, dürfen Sie als Aussteller der Gutschrift die Umsatzsteuer ebenfalls nicht gesondert ausweisen. Die Gutschrift gilt nämlich als Rechnung, mit der Sie als Unternehmer über einen an Sie ausgeführten Umsatz abrechnen. Wenn Sie in einer Rechnung als Kleinunternehmen dennoch Umsatzsteuer ausweisen, schulden Sie nach § 14c Abs. 2 UStG als Kleinunternehmer die unberechtigt ausgewiesene Umsatzsteuer. 

Müssen Sie als Kleinunternehmer in Ihrer Rechnung auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung hinweisen? 

Nein, eine Pflicht dazu besteht nicht. Nehmen Sie gleichwohl besser einen Hinweis darauf auf, empfiehlt die IHK Hannover. Dies kann zum Beispiel durch den Zusatz geschehen: „Kein Steuerausweis aufgrund der Anwendung der Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG)“.  

Müssen Sie als Kleinunternehmer Umsatzsteuervoranmeldung abgeben?  

Nein, Sie schulden ja weder Umsatzsteuer noch können Sie Vorsteuer geltend machen. Allerdings geben Sie eine Umsatzsteuerjahreserklärung für das abgelaufene Kalenderjahr ab. 

Was, wenn Sie als Steuerpflichtiger gerade erst eine gewerbliche Tätigkeit aufnehmen? 

Haben Sie z.B. Ihre gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit erst im Laufe des Jahres aufgenommen, kann nicht auf einen Vorjahresumsatz zurückgegriffen werden. Daher rechnen Sie in diesem Fall Ihren voraussichtlichen Umsatz des laufenden Jahres in einen voraussichtlichen Jahresumsatz hoch. Angefangene Kalendermonate behandeln Sie dabei wie volle Kalendermonate, es sei denn, die Umrechnung nach Tagen führt zu einem geringeren Gesamtumsatz. Als Unternehmer können Sie die Kleinunternehmerbesteuerung im Gründungsjahr aber nur dann in Anspruch nehmen, wenn der voraussichtliche, hochgerechnete Gesamtumsatz nicht mehr als 22.000 Euro beträgt. Die Umsatzgrenze von 50.000 Euro ist in diesem Fall nicht anzuwenden. 

Berücksichtigen Sie als Unternehmer dabei Vorbereitungshandlungen? 

Nein, bei der Umrechnung auf einen Jahresumsatz ist der Zeitraum maßgeblich, in dem Sie Ihre unternehmerische Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben. Beginn dieser Tätigkeit ist, wenn Ihre Handlungen als Unternehmer gegenüber Dritten auf die Ausführung entgeltlicher Umsätze gerichtet sind oder wenn Sie dafür von Dritten Lieferungen oder sonstige Leistungen beziehen, für die Sie zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Somit zählen konkrete Vorbereitungshandlungen in Form von Leistungsbezügen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, zur unternehmerischen Tätigkeit. 

Und wenn Sie als Unternehmer mehrere umsatzsteuerpflichtige Unternehmen und Tätigkeiten haben? 

Dann gilt eine Umsatzsumme. Falls Sie also tatsächlich mehrere Gewerbebetriebe führen und verschiedene selbständige Tätigkeiten ausüben, ziehen Sie sämtliche umsatzsteuerpflichtigen Einnahmen aller Ihrer Betriebe für umsatzsteuerliche Zwecke zusammen. Ihr Kleinunternehmerstatus ist an Ihre Person als Unternehmer gebunden. Sie können sich also nicht mehrfach auf die Kleinunternehmerregelung berufen und womöglich jeweils bis zu 22.000 Euro Umsatz machen, ohne Umsatzsteuer auszuweisen. Das heißt allerdings nicht, dass Sie nicht verschiedene kleine und große Unternehmen nebeneinander betreiben können. Nur können Sie eben nicht für jedes Kleinunternehmerstatus gesondert beanspruchen.  

Einen „Sonderfall zu Unternehmern mit steuerfreien Einnahmen“ haben wir Ihnen unter www.gmbh-brief.de dargestellt. 

Müssen Sie gegebenenfalls die Kleinunternehmerregelung anwenden? 

Nein, als Unternehmer brauchen Sie das nicht unbedingt; denn sie kann sich nachteilig auf Ihr Unternehmen auswirken. Sie verzichten ja auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung samt deren Vorteilen. Folge dessen ist, dass das Finanzamt Sie wie einen normalen Unternehmer behandelt und Sie den allgemeinen Vorschriften der Umsatzsteuer unterliegen. Sie versteuern dann alle Ihre der Regelbesteuerung unterliegenden Umsätze und können aus Ihren Eingangsrechnungen die Vorsteuer geltend machen. Die Kleinunternehmerregelung ist keine Steuerbefreiungsvorschrift. Als Kleinunternehmer sind Sie nur von der Erhebung der Umsatzsteuer ausgenommen und insoweit ein Nichtunternehmer. Deshalb haben Sie als Kleinunternehmer aus Ihren Eingangsrechnungen keinen Vorsteuerabzug. Dies gilt auch für die Einfuhrumsatzsteuer. Die Verzichtserklärung geben Sie ohne besondere Form gegenüber dem Finanzamt ab. 

Für wie lange gilt die Verzichtserklärung? 

Für fünf Kalenderjahre. Die Option zur Regelbesteuerung kann laut IHK Hannover grundsätzlich sinnvoll sein, wenn Sie als Unternehmer: 

  • zu Beginn Ihrer Geschäftstätigkeit hohe Anfangsinvestitionen haben und daher viel Umsatzsteuer an Ihre Lieferanten zahlen müssen. Durch den Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung kommen Sie in den Genuss des Vorsteuerabzugs. 
  • selbst überwiegend an andere Unternehmer und nicht an Privatkunden leisten. Abnehmer, die Unternehmer sind, können die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer ihrerseits als Vorsteuer geltend machen. Da Sie als Kleinunternehmer die selbst gezahlte Umsatzsteuer aus Ihren Eingangsrechnungen in Ihre Preiskalkulation einbeziehen werden, können Sie Ihre Leistungen nur teurer anbieten. 

Können Sie nach den fünf Jahren zur Kleinunternehmerregelung zurückkehren? 

Ja, aber: 

  • Sie müssen die Umsatzgrenzen einhalten und dazu die Option nach Ablauf der Frist gegenüber Ihrem Finanzamt widerrufen.  
  • Sie können Ihren Verzicht nur mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen.  
  • Den Widerruf erklären Sie spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung für das betreffende Kalenderjahr. 

Gelten die Regelungen als Kleinunternehmen auch grenzüberschreitend? 

In gewissem Umfange ja. Als Kleinunternehmer nehmen Sie grundsätzlich zwar nicht an der Regelbesteuerung teil. Bei Lieferungen und Dienstleistungen über die Grenze gelten aber die folgenden umsatzsteuerlichen Vorschriften auch für Sie als Kleinunternehmer: 

  • die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer 
  • die Besteuerung von innergemeinschaftlichen Erwerben 
  • die innergemeinschaftliche Lieferungen von Fahrzeugen 
  • die Steuerschuldumkehr nach § 13b UStG  
  • die Steuerschuldnerschaft im Dreiecksgeschäft nach § 25b UStG 

Das bedeutet, dass Sie als Kleinunternehmer beispielsweise die Einfuhrumsatzsteuer für Waren schulden, die Sie von einem indischen Lederfabrikanten einkaufen und bei der zuständigen Zolldienststelle zum freien Verkehr abfertigen lassen. Darüber hinaus versteuern Sie als Kleinunternehmer den innergemeinschaftlichen Erwerb, sofern er die Erwerbsschwelle von 12.500 Euro übersteigt oder zur Erwerbsbesteuerung optiert hat (§ 1a Abs. 3 und 4 UStG). Zu dieser optieren Sie auch bei Verwendung einer Ihnen als Kleinunternehmer erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) gegenüber dem Lieferer. Diese Option bindet Sie als Kleinunternehmer mindestens für zwei Kalenderjahre.  

Was, wenn sich Ihre Geschäfte wider Erwarten besser entwickeln? 

Dann entfällt die Kleinunternehmerregelung nicht nachträglich. Es kommt allein auf die Prognose für das Erstjahr an. Allerdings darf das Finanzamt von Ihnen als Unternehmer den Nachweis verlangen, auf welche Umstände Sie Ihre Prognose zu Beginn des Kalenderjahres gestützt haben. Nehmen Sie also besser die Unterlagen, beispielsweise die betriebswirtschaftlichen Berechnungen, auf deren Grundlage die Prognose basiert, zu den Akten! 

Autor*in: Franz Höllriegel