11.04.2016

Wareneingangsprüfung: Darauf sollten Sie achten

Alltag im Qualitätsmanagement – bei der Wareneingangsprüfung wird ein Fehler bei gelieferten Produkten entdeckt. Wenn Ihr Unternehmen dies dem Lieferanten nicht rechtzeitig anzeigt, können Sie unter Umständen die wichtigen BGB-Gewährleistungsrechte (Rücktritt, Schadensersatz oder Minderung) vollständig verlieren. Die Ursache dafür ist vom Gesetzgeber so gewollt – bei B2B-Geschäften (Geschäften unter Kaufleuten) gilt § 377 HGB (Handelsgesetzbuchs), der die sogenannte „Mängelrügeobliegenheit“ regelt und Verstöße mit dem Verlust der Gewährleistung bestraft.

Waren müssen beim Eingang rechtzeitig geprüft werden.

§ 377 HGB regelt die Wareneingangsprüfung

Kurzgefasst lässt sich festhalten, dass § 377 HGB vorschreibt, dass der Käufer einer Ware die gelieferte Ware unverzüglich beim Wareneingang (hier Ablieferung genannt) untersuchen und – sofern Mängel festgestellt werden – diese seinem Lieferanten melden muss. Unterbleibt eine solche Mängelrüge, gilt die Lieferung der Wage als genehmigt, der Käufer verliert die Gewährleistungsrechte.

Nachfolgend der Wortlaut dieser Kernvorschrift des Unternehmensrechts.

§ 377 HGB: Untersuchungs- und Rügepflicht

(1) Ist der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft, so hat der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgang tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen.

(2) Unterlässt der Käufer die Anzeige, so gilt die Ware als genehmigt, es sei denn, dass es sich um einen Mangel handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war.

(3) Zeigt sich später ein solcher Mangel, so muss die Anzeige unverzüglich nach der Entdeckung gemacht werden; anderenfalls gilt die Ware auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt.

(4) Zur Erhaltung der Rechte des Käufers genügt die rechtzeitige Absendung der Anzeige.

(5) Hat der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen, so kann er sich auf diese Vorschriften nicht berufen.

Problemfall 1: Unverzügliche Untersuchung

377 HGB schreibt in Absatz 1 vor, dass der Käufer die Ware unverzüglich untersuchen (also eine Wareneingangsprüfung vornehmen) und – sofern ein Mangel entdeckt wird – diesen dem Lieferanten anzeigen muss. Hier stellt sich natürlich für den rechtlichen Laien die Frage, was „unverzüglich“ denn bedeutet.

Die Antwort finden Sie in § 121 Absatz 1 Satz 1 BGB (Anfechtungsfrist).

Dort wird „unverzüglich“ mit der Formulierung „ohne schuldhaftes Zögern“ übersetzt. „Unverzüglich“ bedeutet nicht automatisch „sofort“. Lediglich wenn Sie schuldhaft nicht rechtzeitig (!) prüfen und anzeigen, droht Ihnen der Verlust der Gewährleistungsrechte. Landet der Fall vor Gericht, wird dort untersucht, wie schnell, aber auch wie vertieft eine solche Untersuchung in der jeweiligen Branche und Unternehmensgröße üblicherweise vorgenommen wird. Die höchstrichterliche Rechtsprechung (also BGH und Oberlandesgerichte) neigen hier meist dazu, strenge Anforderungen zu stellen. So ist eine Wareneingangsprüfung schuldhaft verzögert, wenn dem Unternehmen Nachlässigkeiten vorgeworfen werden können, die beim „ordnungsgemäßen“ Geschäftsgang vermeidbar gewesen wären.

Wie schon oben angeführt, kommt es bei der Frage nach der Unverzüglichkeit immer auf den jeweiligen Einzelfall ein.

Gerichte haben schon Fristen von nur zwei Tagen für verbindlich angesehen, in manchen Fällen wurden dagegen sogar bis zu sieben Tage als ausreichend erachtet. Es ist deshalb anzuraten, die entsprechenden Fristen schon im Kaufvertrag (unabhängig davon, ob es sich um eine Einzel- oder Dauerbelieferung handelt) entsprechend festzuschreiben.

Eine Dauer von mehr als sieben Tagen ist aber nur dann zulässig, wenn es dafür einen triftigen Grund (bspw. aufwendige Materialprüfungen) gibt.

Eine Argumentation, dass der erfahrene Wareneingangsprüfer frei hatte oder erkrankt war, wird vor Gericht nicht helfen. Das Unternehmen hat für solche (vorhersehbaren) Fälle immer entsprechende Vorkehrungen zu treffen.

Problemfall 2: Die sogenannte Mängelanzeige

In Absatz 2 wird die entscheidende Rechtsfolge des § 377 HGB festgehalten – wenn der Käufer einen entdeckten Mangel dem Verkäufer nicht anzeigt, gilt die Ware als genehmigt. Die Mängelrüge hat ebenfalls unverzüglich (s. o.) nach der Entdeckung des Mangels (Juristen sprechen hier vom Sachmangel) zu erfolgen. Die Definition für den Sachmangel finden Sie im Bürgerlichen Gesetzbuch.

§ 434 BGB Sachmangel

(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,

  1. wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst
  2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

Zu der Beschaffenheit nach Satz 2 Nr. 2 gehören auch Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers (§ 4 Abs. 1 und 2 des Produkthaftungsgesetzes) oder seines Gehilfen insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann, es sei denn, dass der Verkäufer die Äußerung nicht kannte und auch nicht kennen musste, dass sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in gleichwertiger Weise berichtigt war oder dass sie die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte.

Der Wortlaut der Vorschrift ist natürlich für rechtliche Laien nicht besonders leicht zu verstehen.

Daher eine Hilfsdefinition: Eine Sache ist dann mit einem Sachmangel behaftet, wenn ihre Soll-Beschaffenheit von der Ist-Beschaffenheit erkennbar abweicht. Wenn Sie also 10.000 Metallbolzen mit einer bestimmt definierten Festigkeit und Länge von 100 mm bestellt haben und diese nur 90 mm lang sind, ist dies ein klassischer Sachmangel.

Falschlieferung oder Mengenfehler

Bis zum Inkrafttreten der Schuldrechtsreform wurden Falschlieferungen bzw. Mengenfehler in einer eigenen Vorschrift (dem ehemaligen § 378 HGB) geregelt. Dieser wurde gestrichen und durch den neuen § 434 Absatz 3 BGB ersetzt. Danach „steht es einem Sachmangel gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache oder eine zu geringe Menge liefert.“

Der Inhalt der Mängelanzeige

Logischerweise müssen Sie den Sachmangel in der Mängelanzeige eindeutig und verständlich beschreiben. Eine Mängelanzeige ohne Angabe des konkreten Grundes ist grundsätzlich unzulässig.

Bei einem Handelsgeschäft können Sie auch nicht einfach kommentarlos die Annahme bei der Anlieferung verweigern, weil bspw. schon die Verpackung beschädigt ist. Hier müssen Sie die Bestellung unter Vorbehalt annehmen und den Verkäufer dann diesbezüglich informieren.

Praxisbeispiel: Der „Zelthallenfall“

Hier hatte ein Unternehmen, dass Zelthallen für Messen vermietete, bei einem Metallbauer bestimmte Metallteile bestellt. Bei der ersten Anlieferung der Teile beanstandete der Käufer bei einigen Teilen eine mangelhafte Maßhaltigkeit. Daraufhin verständigten sich die Parteien, diese zu reparieren bzw. neu fertigen zu lassen. Die Teile wurden am 26.08. geliefert, allerdings wieder mit Sachmängeln behaftet. Am selben Tage, so der Käufer, habe einer ihrer Angestellten den Verkäufer angerufen und die Lieferung mit den Worten „wieder derselbe Mist geliefert“ gerügt. Eine schriftliche Mängelanzeige erfolgte erst am 15.10. Der Fall ging durch die Instanzen und landete beim Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf.

Die Richter gaben dem Verkäufer Recht, der Käufer ist seiner Rügeverpflichtung nicht ausreichend nachgekommen, außerdem sei die (schriftliche) Mängelanzeige verspätet.

Eine korrekte Mängelanzeige muss den Verkäufer in die Lage versetzen, aus seiner Sicht und Kenntnis der Dinge zu erkennen, in welchen Punkten und in welchem Umfang der Käufer die gelieferte Ware als nicht vertragsgemäß beanstandet. Nur so kann der Verkäufer die Beanstandungen prüfen und ggf. abstellen – gleichzeitig soll er sich auch gegen ein Nachschieben anderer Beanstandungen durch den Käufer schützen. Aus diesen Gründen muss die Mängelanzeige Art und Umfang der Beanstandungen zumindest in allgemeiner Form benennen. Diesen Anforderungen wird die geltend gemachte telefonische „Beschwerde“ des Angestellten nicht gerecht.

(OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.01.2001; Az.: 22 U 99/00)

Offene und versteckte Sachmängel

In § 377 Absatz 3 HGB wird zwischen offenen und versteckten Sachmängeln unterschieden. Wie Sie aus Ihrer eigenen Praxis wissen, gibt es häufig versteckte Mängel, die auch durch eine ordnungsgemäße Wareneingangsprüfung und Qualitätskontrolle nicht sofort aufgedeckt werden, sondern erst im weiteren Produktionsprozess oder beim Endkunden zu Tage treten. Wird solch ein versteckter Mangel dann entdeckt, muss ebenfalls unverzüglich der Lieferant davon in Kenntnis gesetzt werden. Hier sollten Sie unverzüglich allerdings mit „sofort“ gleichsetzen.

Bei der Mängelanzeige ist die Absendung entscheidend

In § 377 Absatz 4 HGB wird vorgeschrieben, dass nur die rechtzeitige Absendung der Mängelanzeige für den Erhalt der Käuferrechte maßgeblich ist. Die Rechtsprechung räumt diesbezüglich in der Regel nur ein bis zwei Tage ein.

Wann die Anzeige dann tatsächlich beim Verkäufer (Empfänger) eintritt, ist hier im Grunde unerheblich – wichtig ist der Nachweis der Absendung. Die Anzeige selbst ist an keine Form gebunden, aus Beweisgründen empfiehlt sich hier jedoch ein Einschreiben oder Fax bzw. E-Mail. Absatz 5 macht deutlich, dass sich ein Verkäufer, der einen Mangel arglistig verschwiegen hat, nicht auf § 377 HGB berufen darf.

 

Autor*in: Ernst Schneider