09.12.2016

Verbesserungspotenziale identifizieren und ausschöpfen

In diesem Beitrag zeigen wir Ihnen sinnvolle und praktikable Wege auf, mit intern vorhandenen Mitteln den maximalen Nutzen aus erkennbaren Verbesserungspotenzialen zu erzielen.

Verbesserungspotenziale entdecken und heben: So gehen Sie es an!

Mögliche Quellen der Verbesserungspotenziale

Es gibt typischerweise eine ganze Reihe von Quellen, aus denen Sie Verbesserungspotenziale schöpfen können, bspw.

  • Audits
  • Betriebliches Vorschlagswesen (BVW)
  • Reviews
  • Arbeitskreise oder Meetings
  • andere Begutachtungen (z.B. Innenrevision oder Wirtschaftsprüfung)
  • Steuerberater
  • Unternehmensberater
  • Benchmarks
  • Reklamationen
  • Lieferanten und Partner
  • sonstiges

Es macht Sinn, die dort gewonnen Erkenntnisse erst einmal zu konsolidieren, ohne dabei die Quellen der Vorschläge aus den Augen zu verlieren. Dies ist eine wichtige Teilinformation, um die Beiträge auch entsprechend anerkennen zu können.

Gruppierung von Verbesserungspotenzialen

Die Frage stellt sich, nach welcher Logik man die Potenziale am besten gruppiert, um eine gute Übersicht zu erhalten. Normal ist, dass man nach einigen Wochen schon zwischen einem guten Dutzend bis hin zu fast 50 Hinweise erhalten hat. Wenn Sie sich im unteren Feld bewegen, werten Sie doch mal aus, welche Quellen nicht sprudeln, und warum das so ist.

Ein externes Audit, welches nicht wenigstens 3 bis 5 hilfreiche Potenziale aufzeigt, ist ein Grund, den Auditor zu wechseln. Ein funktionierendes und honoriertes BVW sollte mindestens 5 Hinweise pro Woche bringen. Aus anderen Quellen kann ebenfalls ein Beitrag zur Verbesserung kommen. Gerade in Sitzungen jeglicher Art ist es wertvoll, am Ende zu fragen, ob es aus dem Treffen Erkenntnisse gibt, die man als Verbesserungspotenzial festhalten könnte.

Praxistipp

Sie sollten sich auch bei den  Vorschlagenden von verworfenen Potenzialen für ihren Input bedanken.

Viele Unternehmen gruppieren übrigens auch nach internen und externen Hinweisen. Es lassen sich – als weitere Perspektive – die akzeptierten von den verworfenen Verbesserungspotenzialen unterscheiden.

Verworfene Ideen als Rohstoffe der Zukunft

Eine Übersicht der verworfenen Potenziale inkl. einer Verschlagwortung kann eine wertvolle Sammlung noch nicht umgesetzter Ideen sein. Ich sehe das analog einer Müllhalde, auf der irgendwann „Abfall der Vergangenheit“ zu Rohstoffen der Zukunft wird. So kann es manchen verworfenen Potenzialen auch gehen. Perfektionisten haben eine Datenbank für alle Verbesserungsvorschläge angelegt. Pragmatisch gesehen kann auch eine Excel-Liste mit einer entsprechenden Zuordnung über die Sortierfunktionen im Wesentlichen die gleiche Übersicht generieren.

Priorisierungsmethoden

Bevor Sie über eine Priorisierung nachdenken, bietet es sich an zu klären, welche Kapazitäten zur Bearbeitung von Verbesserungspotenzialen überhaupt vorhanden sind. Je nachdem muss der Filter dann die Zahl der in Betracht kommenden Potenziale mehr oder weniger reduzieren.

Es hat sich als nachteilig erwiesen, zu viele Projekte zu starten. Exzellente Unternehmen hinterfragen den Erfolg ihrer Verbesserungstätigkeit. Typische Kenngrößen sind der Anteil erfolgreich/rechtzeitig abgeschlossener Projekte und die durchschnittliche Dauer von Projekten bzw. die Termintreue bzgl. der vereinbarten Termine. Der typische Ansatz ist eine Priorisierungsmatrize. Die Kriterien, nach denen die Priorisierung durchgeführt werden soll, können mannigfaltig sein. Typischerweise werden folgende Kriterien genutzt:

  • Machbarkeit (Können wir das überhaupt?)
  • Aufwand/Kosten
  • Nutzen/Wirkung
  • Spürbar für Kunden
  • Spürbar für Mitarbeiter
  • Stärkt die Wettbewerbsfähigkeit
  • Unterstützt die Strategie
  • Notwendig zur Einhaltung von Gesetzen

Sie können die Kriterien mit Faktoren belegen, um deren subjektive Wichtigkeit für die Priorisierung zu modifizieren. Es kann beispielsweise die „Notwendigkeit zur Einhaltung von Gesetzen mit einem Faktor 100 belegt sein, so dass dieses Kriterium eine Maßnahme definitiv zur Umsetzung QM priorisiert. Die Diskussion dieser Faktoren sollte einmal dezidiert stattfinden, damit man die Faktoren über die Zeit stabil lassen kann.

Fokus auf den Nutzen für das Unternehmen

Die Bewertung des Nutzens der Maßnahmen, die sich aus den Verbesserungspotenzialen ergeben, sollte herausarbeiten, welchen belegbaren Mehrwert das Unternehmen durch diese Tätigkeiten erreicht. Exzellente Unternehmen messen den monetären Mehrwert der Maßnahmen und setzen ihn zum Aufwand der Maßnahmen in Relation. Dadurch erkenne ich die Wertschöpfung aus den Projekttätigkeiten. Oft ist es möglich, im Schnitt ein 1:5-Verhältnis zu erreichen: Aus 1 Euro, der für Maßnahmen eingesetzt wird, entstehen 5 Euro Mehrwert. Ein gut organisiertes Verbesserungswesen kann für Ihr Unternehmen sichtbar lukrativ sein. Ich habe Kollegen kennengelernt, die die Langzeitwirkung der Verbesserungspotenziale auf einer Zeitachse betrachtet haben. So ergibt sich eine deutlich eindrucksvollere Darstellung der Wirkung (siehe Abbildung 1).

Verbesserungspotenziale mit dem KVP nutzen

Die RADAR-Bewertungslogik bei der Priorisierung nutzen

RADAR ist ein Instrument, welches bei der Anbahnung von Verbesserungsmaßnahmen seltener genutzt wird. Die grundsätzliche Überlegung geht dahin, zu ermitteln, welche Elemente und Attribute der RADAR-Logik vermehrt zu Verbesserungspotenzialen korrelieren. Wenn Sie zu jedem Verbesserungspotenzial eine Zuordnung zu den RADAR-Attributen herstellen, können Sie erkennen, ob Ihre Organisation im Schwerpunkt Potenziale in der Planung/Konzeption hat oder doch mehr in der Umsetzung (richtig erdacht, aber nicht optimal ausgeführt) oder ob bestimmte Aktivitäten nicht hinreichend gesteuert werden. Um die Fragestellungen zu finden, bietet es sich an, die Verknüpfung des Verbesserungspotenzials mit dem Kriterienmodell zu ermitteln. Dazu kann man durch die Teilkriterien gehen und sich überlegen, zu welchen Teilkriterien ein Sinnzusammenhang besteht.

Beispiel aus der Praxis

Der Beschaffungsprozess einer Organisation zeigt Optimierungspotenzial. Wenn man also die Kriterien hinsichtlich ihres Bezugs zum Beschaffungsprozess analysiert, so ergeben sich einige Teilkriterien, die mit dem Beschaffungsprozess stärker in Wechselwirkung stehen. Diese Beziehungen sind in Abbildung 2 dargestellt.

Verbesserungspotenziale im Beschaffungsprozess identifizieren

Analyse der relevanten Kriterien

Zu jedem Teilkriterium müssen spezifische Fragen gestellt werden, um das entsprechende Verbesserungspotenzial klar zu erfassen.

1b Fortschritt steuern

  • Wie stellt die Führung fest, ob die Abläufe des Managements gut funktionieren?
  • Wodurch wurde die Leitung darauf aufmerksam, dass der Beschaffungsprozess nicht gut läuft?
  • Woran würde die Leitung erkennen, dass der Beschaffungsprozess besser läuft?

Resümee: Aktuell gibt es Beschwerden und die Zahl der Rückläufer vermittelt einen ungünstigen Eindruck. Der Eindruck der Reife des Prozesses ergibt sich subjektiv. Eine valide Steuerung über die Wahrnehmung der Leitung ist mit der aktuellen Arbeitsweise nicht möglich.

1e Definiere & manage Veränderung

  • Inwieweit existieren Festlegungen zum Projektmanagement?
  • Wie werden Entscheidungsbedarfe im Projektablauf eskaliert?
  • Wer ist für die Durchführung des Verbesserungsprojekts zum Beschaffungsprozess verantwortlich?
  • Wie bringt sich die Leitung in das Projekt ein?
  • Wer ist im Projektteam mit eingebunden?
  • Welcher Zeitrahmen ist im Projektauftrag hinterlegt? Welche Meilensteine wurden festgelegt?
  • Welche Verzahnungen existieren zu anderen bestehenden Projekten?

Resümee: Das Projekt läuft schon und die Verantwortlichkeiten sind vergeben. Es soll bis Ende Oktober beendet sein.

2d Umsetzung von Unterzielen und Maßnahmen

  • Wo ist der Projektauftrag in der Strategieplanung angesiedelt?
  • Wie sehr entspricht das Vorgehen bzgl. des Verbesserungsprojekts gängigen Standards?
  • Ist die Einbindung in die strategische Planung vollständig gegeben?
  • Woran ist der Projektfortschritt zu erkennen?
  • Woran ist zu erkennen, dass das Projekt vollständig erledigt ist?

 

Resümee: Es werden Protokolle der Projektbesprechung hinterlegt und die Fortschritte werden durch die Leitung besprochen. Der Projektauftrag ist ausführlich beschrieben und es wird durch die Leitung entschieden, wann die Zielstellung erreicht ist.

 3b Wissen entwickeln

  • Welches Wissen müssen Mitarbeiter haben, um korrekt im Beschaffungsprozess zu arbeiten?
  • Hat das Projektteam, welches den Beschaffungsprozess bearbeiten soll, die notwendigen Kompetenzen, um den Prozess zu verbessern?
  • Woran wird klar, dass ein hinreichendes Wissen zum Beschaffungsprozess in der Breite vorhanden ist?
  • Welche Defizite zum Beschaffungsrecht bestehen?
  • Welche Mitarbeiter müssen im Beschaffungsprozess kompetent sein?

 

Resümee: Die Projektmitarbeiter sind im Alltag mit Beschaffung befasst und sind damit in der Sache kompetent. In der Organisation müssen aber nicht alle dahingehend kompetent sein. Es werden generelle Informationen in ein Wiki eingestellt. Es kann sein, dass eine Gruppe von Mitarbeitern eine Fortbildung zur Sache benötigt, wahrscheinlich durch die verantwortliche Führungskraft.

3c Einbindung zum selbstständigen Handeln

  • Welche Befugnisse haben die Mitarbeiter auf den unterschiedlichen Ebenen?
  • Wer hat welche Befugnisse im Rahmen des Prozesses?
  • Wie werden die Sachbearbeiter beim Ausfüllen der Beschaffungsanträge unterstützt?

 

Resümee: Die Sachbearbeiter werden durch einige Mitarbeiter unterstützt. Es gibt eine Spezialisierung in einem Geschäftsbereich, über die nur wenige Mitarbeiter verfügen. 4c Material managen: – Welches Wissen besteht darüber, welches Material in der Organisation zur Verfügung steht? – Wie werden alte Maschinen nach der Neubeschaffung weiter verwertet? – Wie können Materialien von Schwesterstandorten entliehen werden?

Resümee: Der Materialbestand ist gelistet und Material ist tw. spezifischen Mitarbeitern zugeordnet. Die alten Materialien werden entweder weiter genutzt oder verkauft. Es gibt eine Vorgehensweise, um Material von anderen Einheiten zu entleihen.

5a Prozessmanagement gestalten

  • Gibt es ein klares Bild, wie der Beschaffungsprozess ablaufen soll?
  • Sind Vorgaben für die Gestaltung von Prozessen festgelegt?
  • Wie ist die Prozessverbesserung als grundsätzliche Aufgabe festgeschrieben?
  • Welche Erkenntnisse sind aus der Umsetzung des Prozesses heraus vorhanden?

Resümee: Es gibt eine Beschreibung des Beschaffungsprozesses. Eine generelle Vorgabe für Prozesse gibt es noch nicht. Es existieren Vorurteile der beteiligten Personen, die eine valide Festlegung der Sachlage erschweren.

9a Schlüsselergebnisse, 9b Durchlaufzeit/ Beanstandungsquote

  • Welche Ergebnisse beschreiben den Erfolg des Beschaffungsprozesses? (9a)
  • Woran kann die Leistung des Beschaffungsprozesses erhoben werden? (9b)

Resümee: Es wird gemessen, wie lange ein Beschaffungsvorgang dauert und wie viele Nachfragen aufkommen. Aktuell kann nicht exakt gemessen werden, wie gut der Prozess läuft.

Durch die beschriebene Arbeitsweise ergibt sich aus der Analyse von Verbesserungspotenzialen sofort eine klare Vorstellung, wie das Potenzial in der Projektarbeit angegangen werden kann und welche kritischen Punkte zu beachten sind. Das Arbeiten nach diesem Ansatz ist analog dem Toyota-Prinzip zu deuten, dass man lieber in der Startphase mehr Aufmerksamkeit in eine Maßnahme steckt als später die Folgeprobleme bearbeiten zu müssen.

Autor*in: André Moll (Dr. Moll ist Geschäftsführer der ILEP, die excellenten Unternehmen den Ludwig-Erhard-Preis verleiht.)