31.10.2018

Kundenbindung: So bleibt ein profitabler Kunde Ihr Kunde

Ist auch in Ihrem Unternehmen die Tendenz zu beobachten, dass sich der Vertrieb vor allem auf die Akquisition von Neukunden konzentriert und dem bestehenden Kundenstamm nicht genügend Aufmerksamkeit schenkt? Dann sollten Sie sich die Faustregel in Erinnerung rufen, dass es etwa fünfmal günstiger ist, einen Kunden zu halten, als einen neuen zu gewinnen.

Kundenbindung hat viele Vorteile und ist häufig effizienter als Kundenneuakquise.

Warum Kunden binden?

Ziel der Kundenbindung ist es, mit geeigneten Strategien und Maßnahmen die Loyalität und das Verhalten Ihrer Kunden mit dem Ziel zu beeinflussen, die Kundenbeziehung langfristig zu stabilisieren und auszuweiten. Sie sollen also von einem Wechsel zur Konkurrenz abgehalten werden. Kunden, die Ihrem Unternehmen loyal gegenüber stehen, tätigen nicht nur weitere Käufe und empfehlen Ihr Unternehmen weiter, sie retournieren auch weniger, verhalten sich kooperativ und liefern Ihnen wichtige Informationen zu Ihren Produkten und Dienstleistungen.

Außerdem sind sie in der Regel weniger preissensibel, wodurch sich Preiserhöhungsspielräume für Sie eröffnen. Auch kann Ihr Unternehmen durch langfristig gebundene Kunden Akquisitions-, Kommunikations- und Verwaltungskosten einsparen. In Anbetracht dieser positiven Wirkungen der Kundenbindung (siehe Abbildung 1) verwundert es, dass in der Praxis eine Vielzahl von Defiziten im Umgang mit Kunden zu beobachten sind.

Kundenbindung ist ein wichtiger Erfolgsfaktor, denn es ist fünfmal günstiger einen bestehenden Kunden zu halten als einen neuen Kunden zu gewinnen.
Kundenbindungsmanagement zahlt sich aus.

Wichtig: Kundenbindungsstrategie ableiten

Bei der Kundenbindung können Sie grundsätzlich zwischen der Gebundenheits- und Verbundenheitsstrategie unterscheiden. Wenn Sie die Gebundenheitsstrategie verfolgen, schaffen Sie Barrieren für Ihre Kunden, die den Wechsel zu einem anderen Anbieter erschweren, z. B. mit Rabattaktionen, Prämien, Bonussystemen, befristeten Angeboten, Kundenkarten, Kundenclubs und Mindestvertragslaufzeiten. Der Vorteil liegt darin, dass eine Gebundenheitsstrategie sofort wirksam ist. Sinkt jedoch die Zufriedenheit der Kunden mit Ihrem Unternehmen und seinen Leistungen, werden diese Kunden früher oder später realisieren, dass sie in eine Geschäftsbeziehung hineingezwungen worden sind.

Hier setzt die Verbundenheitsstrategie an. Sie zielt darauf ab, zufriedene und loyale Kunden zu schaffen und diese emotional an Ihr Unternehmen zu binden. Allerdings dauert es eine gewisse Zeit, bis Verbundenheit, also eine persönliche Bindung, einsetzt.

Warum Kunden nicht bei Ihrem Unternehmen bleiben

 Zu den Faktoren, die eine Kundenbindung hemmen, gehören:

  • lange Reklamationsbearbeitungszeiten,
  • unzureichend qualifizierte und demotivierte Mitarbeiter an der Schnittstelle zum Kunden,
  • unzureichende After-Sales-Betreuung,
  • ungenügende Kenntnis des Marktes und der eigenen Leistungen,
  • mangelnde Kenntnis der Kundenwünsche,
  • zu wenig Wissen über die Wettbewerber,
  • lange Wartezeiten bei der Telefonhotline,
  • mangelhafter Informationsfluss zum Kunden,
  • keine Ausrichtung der Unternehmensprozesse auf den Kunden (z. B. durch Ressort-Egoismen,
  • Schnittstellenprobleme und fehlende Abstimmung),
  • kein kundengerechtes Verhalten, z. B. Überheblichkeit und Ignoranz gegenüber dem Kunden und seinen Bedürfnissen,
  • lange Entscheidungswege,
  • fehlende Standards beim Umgang mit Kunden,
  • keine systematischen Kundenzufriedenheitsanalysen,
  • zu hoher Standardisierungsgrad bei Produkten und Dienstleistungen,
  • schlechte Erreichbarkeit der Kundendienstverantwortlichen.

Auf die profitablen Kunden kommt es an

Da Programme und Maßnahmen zur Kundenbindung, die auf eine intensive Kundenbetreuung abzielen, teuer sind, sollten Sie sich dabei vor allem auf Ihre profitablen Kunden konzentrieren. Daher empfiehlt es sich zunächst, eine gründliche Kundenanalyse im Hinblick auf deren Erfolgsbeitrag für Ihr Unternehmen vorzunehmen. Ein einfaches Instrument dazu ist die ABC-Analyse. Denken Sie an das Pareto-Prinzip: Danach entfallen auch in Ihrem Unternehmen etwa 80 Prozent des Umsatzes auf nur 20 Prozent Ihrer Kunden. Genau diese sollten Sie in den Fokus nehmen.

Wenn Sie einen Kunden nicht nur rein montaär bewerten möchten, sondern auch andere Bewertungskriterien anlegen möchten, dann können Sie Ihre Kunden mithilfe des Excel-Tools Kunden-Scoring bewerten. Es ermöglicht Ihnen, neben monetären Maßstäben wie Umsätzen oder Kundendeckungsbeiträgen zusätzlich qualitative, also nicht in Euro messbare Bewertungskriterien zu berücksichtigen. Dies sind z. B. Kauffrequenzen, das Weiterempfehlungsverhalten, die Abwanderungswahrscheinlichkeit, die Bonität, das Reklamations- und Beschwerdeverhalten, Auftragsgrößen, der Betreuungsaufwand und die Reaktion des Kunden auf Werbung.

Nicht vergessen: Relevante Kundengruppen segmentieren

Haben Sie sich einen Überblick über Ihre profitablen Kunden verschafft, versuchen Sie jetzt, möglichst homogene Kundengruppen zu bilden. Dazu beschreiben Sie Ihre Kunden anhand von charakteristischen Merkmalen. Dies können soziodemographische Daten, die regionale Verteilung der Kunden oder aber Wege und Medien sein, über die Ihre Kunden ansprechbar sind. Darüber hinaus können Sie folgende Fragen bei der Segmentierung von Kundengruppen unterstützen:

  • Wer entscheidet bei Ihren Kunden über den Einkauf?
  • Sind Ihre Kunden auch Nutzer des Produktes oder der Dienstleistung?
  • Bei welchen Konkurrenten kaufen Ihre Kunden noch?
  • Welche Kunden haben in Zukunft das größte Einkaufspotenzial?
  • Welche Kunden haben den größten Einfluss auf Meinungsbildner und Multiplikatoren?
  • Welche Kunden sind aus Ihrer Sicht an einer langfristigen Geschäftsbeziehung interessiert?

Anreize für Kunden schaffen – aber richtig

Insbesondere, wenn Sie die Verbundenheitsstrategie verfolgen, ist es wichtig, Kundenbindungsmaßnahmen einzusetzen, um langfristig eine Vertrauensbasis bei Ihrem Kunden aufzubauen. Entsprechende Anreize schaffen Sie z. B. im Rahmen der Konditionenpolitik mit einer Übernahme von Versandkosten bei Sonderaktionen oder einer Gewährung von Zahlungszielen. Auch ein besonderer Lieferservice, Schnäppchenangebote, Newsletter, Foren zum Meinungsaustausch, Kundenzeitschriften, Spenden für gemeinnützige Zwecke und kleine Aufmerksamkeiten wie Werbegeschenke und Grußkarten sind geeignet, um die Geschäftsbeziehungen zu Ihren Kunden und deren Loyalität Ihrem Unternehmen gegenüber zu stärken.

Beachten Sie: Je homogener eine Kundenzielgruppe ist, desto besser können Sie konkrete Kundenbindungsmaßnahmen für die Gruppe planen.

Maßgeschneiderter After-Sales-Service

Immer wichtiger wird auch die Nachkaufphase. Unterstützen Sie Ihre Kunden zielgerichtet bei der Nutzung Ihrer Produkte und Dienstleistungen. Bieten Sie ihnen einen zuverlässigen After-Sales-Service. Stellen Sie kundenindividuelle Informationen bereit und führen Sie Produktschulungen durch. Sorgen Sie dafür, dass die zuständigen Ansprechpartner erreichbar sind, z. B. über eine 24-Stunden-Hotline. Wichtig ist, dass Sie mit Ihren Kunden in Kontakt bleiben und auch in der Nachkaufphase deren Bedürfnisse verstehen und darauf eingehen. Hören Sie Ihren Kunden zu und helfen Sie umgehend, wenn Probleme auftreten. Achten Sie auf Glaubwürdigkeit und versprechen Sie nichts, was Sie nicht halten können.

Reklamationsmanagement als Erfolgsfaktor

Ein bedeutender Erfolgsfaktor für ein hohes Maß an Kundenloyalität ist der effektive Umgang mit Reklamationen und Beschwerden. Dies beginnt damit, dass Sie Ihren Kunden Möglichkeiten zur Reklamation und Beschwerde anbieten, z. B. auf der Homepage Ihres Unternehmens. Klären Sie, wer für die Annahme und Weiterleitung zuständig ist und wie sich diese Personen zu verhalten haben. Bestätigen Sie Reklamationen und Beschwerden schriftlich, sorgen Sie dafür, dass diese zügig bearbeitet werden und geben Sie Ihren Kunden ggfs. einen Zwischenbescheid. Denken Sie daran: Gerade wenn Sie einen Kunden durch ein fehlerhaftes Produkt oder eine unzureichende Serviceleistung verärgert haben, ist die Gefahr groß, dass dieser Ihrem Unternehmen den Rücken kehrt.

Kunden integrieren – so geht’s besser

Scheuen Sie nicht davor zurück, Ihre Kunden in Ihre Unternehmensprozesse zu integrieren. Arbeiten Sie eng mit ihnen zusammen, z. B. bei der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen. Das kann auch bedeuten, dass Sie Mitarbeiter vorrübergehend zu einem Kunden abordnen oder dass es gar einen Mitarbeiteraustausch mit Ihrem Kunden gibt. Achten Sie darauf, dass Ihre Außendienstmitarbeiter in einem intensiven Informationsaustausch mit Ihren Kunden bleiben. Eine enge Zusammenarbeit schafft ein hohes Maß an Vertrauen und Loyalität.

Ohne Kontrolle geht es nicht

Schließlich sollten Sie die Kundenbindung in Ihrem Unternehmen überwachen. Entsprechende Informationen können Sie im Rahmen einer Analyse des Kaufverhaltens gewinnen. Dazu erheben Sie geeignete Indikatoren zur Messung der Kundenbindung und werten diese regelmäßig aus.

Wichtige Kennzahlen sind:

  • die Wiederkaufrate,
  • der Umsatz aus Weiterempfehlungen und Cross-Selling,
  • die Kaufintensität
  • die Kundendurchdringungsrate,
  • Kundenabwanderungen und
  • Kosten, die durch Kundenbindungsmaßnahmen verursacht werden.

Expertentipp

Die Grundlage für ein effektives Kundenbindungsmanagement bildet eine Kundendatenbank, in der Sie alle relevanten Kundendaten erfassen und pflegen. Dabei sollten Sie unbedingt die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (seit 25.05.2018 gültig) gegen Datenmissbrauch beachten.

Autor*in: Jens Harmeier