02.06.2022

Von Smart Information zum digitalen Typenschild

Smart Information als Voraussetzung für Information 4.0 gilt in der Branche der Technik-Dokumentation als festgezurrt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Smart Information als Standardstrategie der Technik-Dokumentation in der Praxis umgesetzt wird. Ein Anwendungsbeispiel von Smart Information, das nochmals die Effektivität und Effizienz bei der Suche des Produktnutzers um Faktoren erhöht, ist das digitale Typenschild.

Smart Information

Was ist Smart Information?

Kurz zusammengefasst bedeutet Smart Information einerseits die endgültige Abkehr vom Papier hin zur elektronischen Technik-Dokumentation unter Ausnutzen aktueller Technologien, um dem Nutzer punktgenau die Information verfügbar zu machen, die er jetzt braucht. Das bedeutet auch knappe Informationshäppchen statt monolithischer Dokumente, nutzerbezogen hinsichtlich seiner Rolle, seiner Qualifizierung und genau der Maschine, vor der er gerade steht – unabhängig von Varianten, aber genau diese kundenspezifische Ausführung.

Die Informationshäppchen – wir nennen sie „Snippets“ – erreichen den Nutzer über ein „Information Hub“ auf beliebigen Endgeräten, vom Smartphone über Maschinensteuerungsdisplays hin zur AR-Brille oder zum Desktop-Computer. Dies dank standardisierter Dateiformate, angereichert mit Metadaten zu Nutzer und Maschine sowie Apps mit komfortabler Benutzungsoberfläche zum schnellen Finden.

Alle Informationen, die mit dem Produkt zu tun haben, können per Metadaten gemäß dem Informationsbedarf in Snippets dem Nutzer unmittelbar angezeigt werden.

Das „digitale Typenschild“ – eine typische Anwendung auf Basis von Smart Information

Es gibt außer den genannten Vorteilen noch eine ganze Reihe Szenarien der neuen Technik. Auf eine davon gehen wir in diesem Beitrag näher ein: das „digitale Typenschild“. Aber was ist das überhaupt?

Das übliche Typenschild kennen Sie, eine Plakette auf jeder Maschine, auf jeder Komponente oder Baugruppe. Hier dokumentiert der Hersteller

  • seinen Namen,
  • den Gerätetyp,
  • die Seriennummer und
  • bestimmte technische Daten, wie sie die verschiedenen Normen und Richtlinien vorschreiben.

Denn ein großer Teil von Normen und EU-Richtlinien verweist auf dieses Typenschild und spezifiziert im Detail, was an Informationen draufgehört.

Viele Informationen also auf einer kleinen Fläche, die oft durch die Abmessungen des Produkts begrenzt wird. Alle anderen Informationen zum Produkt kann der Nutzer in der mitgelieferten Betriebsanleitung nachschauen – zumindest, wenn er sie mit sich führt oder weiß, wo er sie in der Produktionshalle findet. Oder auf dem Smartphone, wenn er Glück hat und weiß, wo er suchen muss. Aber das muss doch viel einfacher gehen! Ja, geht es auch, mit eben dem „digitalen Typenschild“.

Digitales Typenschild – Wie funktioniert das in der Praxis?

Es gibt verschiedene Studien großer Institutionen, die die Vorteile des digitalen Typenschilds in den Vordergrund stellen. Ein Beispiel findet sich beim DKE (Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik).

Das ist auch die Quelle für den Vergleich klassischer und digitaler Typenschilder, woraus klar die Vorteile digitaler Typenschilder abzulesen sind:

  • Auf Geräteinformationen kann global zugegriffen werden.
  • Informationen können visuell auf jedem Display betrachtet werden.
  • Die Informationsmenge ist digital und somit praktisch unlimitiert.
  • Informationen sind dynamisch und können bei Bedarf angepasst werden.
  • vereinfachte Dokumentation des Lebenslaufs einzelner Komponenten

Eine andere hervorragende Quelle, um sich einen vertieften Überblick über das digitale Typenschild zu verschaffen, bietet der ZVEI.

Vorausgesetzt, die Dokumente oder Snippets sind vorbereitet und zusammengestellt, liegen sie in einem Serverbereich mit Internetzugang bereit. Weiter vorausgesetzt, die Dateien sind in einem international anerkannten Dateiaustauschformat abgelegt und die Metadaten zum Auffinden von Informationen werden in irgendeiner schlauen Form damit verknüpft. Und letztlich vorausgesetzt, der Nutzer hat erlaubten Zugang zu diesem Server, ggf. je nach Konzept eine App auf seinem Endgerät installiert oder arbeitet mit seinem Webbrowser.

Er steht vor der Maschine, findet das Typenschild und scannt es mit der Kamera seines mobilen Endgeräts.

digitales Typenschild mit QR-Code

Quelle: Lasergravur München

Ein Bereich des Typenschilds ist mit einem digital lesbaren Code bedruckt (z.B. 2-D-Matrixcode, QR-Code) oder mit einem sog. RFID-Chip ausgestattet.

Egal welche Lösung gewählt wurde: Der Nutzer wird nach dem Scan unmittelbar auf das Portal des Herstellers geführt, wo er unter den dargebotenen Informationen oder Dokumenten wählen kann, die dann ebenfalls unmittelbar angezeigt werden. Wird eine App verwendet, stehen komfortable Suchfunktionen zur Verfügung, ggf. mit Eingabemöglichkeiten, um dringend gesuchte technische Daten, Lösungsvorschläge oder Handlungsanleitungen auf kurzem Weg zu erhalten.

Da wäre noch … der (Industrie-)Kunde

Grundsätzlich lässt sowohl die Codierung des digital erweiterten Typenschilds als auch die Darbietung der Dokumente auf dem eigenen Webserver dem Produkthersteller alle Freiheiten, solange der Nutzer auf schnellem Wege an die gesuchten Informationen herankommt. Es gibt sehr viele Wege, das zu gewährleisten, unabhängig von bestehenden Regelwerken.

Dennoch sehen die großen Industriekunden, die wie BASF oder Bayer gigantische Mengen an verfahrenstechnischen Klein- und Großgeräten einkaufen, eine erhebliche Erleichterung bei der eigenen Anlagendokumentation, wenn die Lieferantendokumente aus den Portalen der Hersteller kompatibel zu einem Standard sind. Erst dann können alle Beteiligten, nämlich Lieferanten UND Kunden, den maximalen Nutzen aus dem digitalen Typenschild ziehen. Für den Lieferanten bedeutet das z.B., dass er keine weiteren Unterlagen mitliefern muss als die, die er ohnehin auf dem Portal seines digitalen Typenschilds vorhalten muss.

Fazit

Allgemein kann man davon ausgehen, dass das bisherige analoge oder klassische Typenschild auf Dauer ersetzt (und nicht nur ergänzt) werden wird durch einen elektronisch lesbaren Verweis auf ein Portal, in dem nicht nur sämtliche gesetzlich vorgeschriebenen Mindestinformationen abrufbar sind, sondern darüber hinaus alle beim Hersteller verfügbaren Informationen und Dokumente zum Produkt, sozusagen der Personalausweis des Produkts. Bis dahin dürfte es aber noch ein weiter Weg sein, sowohl auf der Seite des Gesetzgebers als auch auf der Seite der Hersteller unter Berücksichtigung der Akzeptanz des Kunden.

Den kompletten Fachbeitrag sowie weiterführende Informationen zum Thema „Smart Information“ finden Sie in unserem Praxismodul CE von A bis Z.

Autor*in: Prof. Dr. -Ing. Ulrich Thiele (Selbstständiger Technikautor, Dozent an der Fachhochschule Gießen.)