Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU – Sichere elektrische Betriebsmittel
Die Niederspannungsrichtlinie (2014/35/EU) legt fest, welche grundlegenden Sicherheitsanforderungen elektrische Betriebsmittel erfüllen müssen, bevor sie im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht werden. Für Hersteller bedeutet das klare Pflichten – von der Risikobeurteilung über die Erstellung der technischen Dokumentation bis hin zur CE-Kennzeichnung.
Zuletzt aktualisiert am: 8. Dezember 2025

Welche Produkte fallen in den Anwendungsbereich der Niederspannungsrichtlinie, welche nicht?
Die Richtlinie gilt ausschließlich für elektrische Betriebsmittel, die zur Verwendung bei einer Nennspannung zwischen 50 und 1.000 Volt Wechselstrom (AC) oder zwischen 75 und 1.500 Volt Gleichstrom (DC) bestimmt sind.
Ein elektrisches Betriebsmittel im Sinne der Niederspannungsrichtlinie liegt nur dann vor, wenn ein Produkt entweder unmittelbar elektrische Energie nutzt oder elektrische Funktionen mit sicherheitsrelevanter Wirkung erfüllt. Komponenten, die lediglich als Bestandteile anderer Geräte dienen und nicht eigenständig funktionsfähig sind – etwa passive Bauelemente wie Widerstände, Kondensatoren oder Spulen – fallen nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie.
In Anhang II der Richtlinie sind die Betriebsmittel gelistet, die explizit vom Anwendungsbereich ausgenommen sind bzw. in den Anwendungsbereich von Spezialrichtlinien fallen. Dazu gehören z.B.
- Betriebsmittel zur Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen (siehe ATEX-Richtlinie),
- medizinische elektrische Geräte (siehe MDR) oder
- elektrische Teile von Aufzügen (siehe Aufzügerichtlinie).
Hier können Sie den Text der Niederspannungsrichtlinie einsehen: Niederspannungsrichtlinie (2014/35/EU)
Grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen nach Anhang I
Elektrische Betriebsmittel müssen so konstruiert und gefertigt sein, dass sie bei bestimmungsgemäßer Verwendung sowie vorhersehbarer Fehlanwendung keine Gefährdung für Personen, Tiere oder Sachwerte darstellen. Die Niederspannungsrichtlinie fordert daher, dass alle relevanten Risiken, u. a.
- thermische Gefährdungen,
- elektrische Gefährdungen,
- mechanische Gefährdungen etc.
bereits im Entwicklungsprozess erkannt und durch geeignete technische und organisatorische Schutzmaßnahmen minimiert werden.
Dabei spielt die Anwendung harmonisierter Normen eine zentrale Rolle, da sie die Vermutungswirkung für die Erfüllung der Sicherheitsanforderungen liefern. Zusätzlich müssen Nutzungs- und Sicherheitshinweise für Installation, Betrieb, Wartung und Entsorgung im Rahmen der technischen Dokumentation bzw. der Betriebsanleitung bereitgestellt werden, sodass das Produkt über den gesamten Lebenszyklus sicher genutzt werden kann.
Welche harmonisierten Normen stützen die Anforderungen der Niederspannungsrichtlinie?
Im Rahmen der Niederspannungsrichtlinie (2014/35/EU) spielen harmonisierte Normen eine zentrale Rolle, weil ihre Anwendung die Konformitätsvermutung mit den grundlegenden Sicherheitsanforderungen unterstützt. Für Hersteller elektrischer Betriebsmittel sind vor allem folgende Normen relevant:
Allgemeine Sicherheitsanforderungen
- DIN EN IEC 60598-1 VDE 0711-1:2022-03 „Leuchten – Teil 1: Allgemeine Anforderungen und Prüfungen“
- DIN EN 60335-1 VDE 0700-1:2024-07 „Sicherheit elektrischer Geräte für den Hausgebrauch und ähnliche Zwecke – Teil 1: Allgemeine Anforderungen“
- DIN EN 61010-1 VDE 0411-1:2020-03 „Sicherheitsbestimmungen für elektrische Mess-, Steuer-, Regel- und Laborgeräte – Teil 1: Allgemeine Anforderungen“
Elektrische Sicherheit
- DIN EN IEC 62368-1 VDE 0868-1:2025-01 „Einrichtungen für Audio/Video-, Informations- und Kommunikationstechnik – Teil 1: Sicherheitsanforderungen“
- DIN EN IEC 61558-1 VDE 0570-1:2019-12 „Sicherheit von Transformatoren, Netzgeräten, Drosseln und entsprechenden Kombinationen – Teil 1: Allgemeine Anforderungen und Prüfungen“
Praxistipp:
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Was ist bei Risikobeurteilung, Konformitätsbewertung und CE-Kennzeichnung zu beachten?
Im Rahmen der Risikobeurteilung müssen Hersteller alle Sicherheitsrisiken ihres Produktes erkennen, bewerten und minimieren. Die Anwendung der entsprechenden harmonisierten Normen erleichtern dabei die Konformitätsbewertung. Für die meisten Produkte, die in den Anwendungsbereich der Niederspannungsrichtlinie fallen, ist eine Selbstzertifizierung ausreichend. Das Hinzuziehen einer notifizierten Stelle ist somit meist nicht erforderlich.
Nach erfolgreicher Konformitätsbewertung und hinreichender Minimierung der Risiken darf der Hersteller die CE-Kennzeichnung durchführen. Die Anbringung des CE-Zeichens muss
- sichtbar
- gut lesbar und
- dauerhaft erfolgen.
Das CE-Kennzeichen zeigt an, dass ein Produkt den geltenden EU-Richtlinien entspricht, die für Sicherheit, Gesundheitsschutz und Umweltschutz relevant sind. Mit der CE-Kennzeichnung erklärt der Hersteller, dass das Produkt:
- die grundlegenden Anforderungen der entsprechenden EU-Richtlinien erfüllt (z. B. Niederspannungsrichtlinie, EMV-Richtlinie, Maschinenrichtlinie),
- für den Verkehr im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zugelassen ist,
- und dass der Hersteller die Verantwortung für die Konformität übernimmt.
Inhalte der Technischen Dokumentation und Konformitätserklärung
Die vollständige Technische Dokumentation eines elektrischen Betriebsmittels beinhaltet u.a.:
| Inhalte der technischen Dokumentation | |
| Produktbeschreibung | Funktionsweise, Verwendungszweck, Typ/Modell, technische Daten |
| Konstruktions- und Fertigungsunterlagen | Schaltpläne, Baupläne, Stücklisten, Layouts, Gehäusedesign |
| Risikobeurteilung / Sicherheitsanalyse | Identifikation aller Risiken, Maßnahmen zur Minimierung, Verweis auf Normen |
| Prüfberichte | Typprüfungen, Routineprüfungen, Sicherheits- und Isolationsprüfungen, Normkonformität |
| Liste der angewandten Normen und Richtlinien | Harmonisierte Normen, ergänzende Richtlinien (z. B. EMV) |
| Bedienungs-, Installations- und Wartungsanleitungen | Sicherheits- und Warnhinweise, Hinweise zum sicheren Betrieb; Betriebsanleitung |
| EU-Konformitätserklärung | Nachweis der Richtlinienkonformität, Angaben zu Hersteller, Produkt und Normen |
| Die technischen Unterlagen müssen mindestens 10 Jahre nach Inverkehrbringen aufbewahrt werden. | |
Mit der Konformitätserklärung bestätigt der Hersteller, dass sein Produkt den europäischen Vorgaben an Sicherheit und Gesundheitsschutz entspricht. Ohne die Konformitätserklärung ist ein Inverkehrbringen nicht möglich.
Inhalte der Konformitätserklärung sind:
- Firmenbezeichnung und vollständige Anschrift des Herstellers
- Angaben zum Bevollmächtigten, der für die Erstellung der technischen Dokumentation verantwortlich ist. Dieser gilt als Ansprechpartner für die Marktaufsichtsbehörden.
- Erklärung der Konformität, d.h. ein Satz, der bestätigt, dass das Produkt allen einschlägigen Bestimmungen der Niederspannungsrichtlinie entspricht.
- Ggf. Name, Anschrift und Kennnummer der benannten Stelle
- Ggf. Liste der angewandten harmonisierten Normen
- Ggf. weitere Richtlinien, in deren Anwendungsbereich das Produkt fällt
- Ort und Datum
- Angaben zum Unterschriftsberechtigten und dessen Unterschrift.
Als kostenlosen Download können Sie sich hier eine Muster-Konformitätserklärung nach Niederspannungsrichtlinie herunterladen:
Die Pflichten der Hersteller im Überblick
- Sicheres Produkt entwickeln: Elektrische Betriebsmittel müssen in allen vorgesehenen und vorhersehbaren Nutzungszuständen sicher sein.
- Risikobeurteilung durchführen: Alle relevanten Risiken identifizieren, bewerten und minimieren.
- Technische Dokumentation erstellen: Enthält Produktbeschreibung, Konstruktionsunterlagen, Prüfberichte, Risikobeurteilung, Normenliste und Bedienungsanleitungen; Aufbewahrungspflicht: min. 10 Jahre.
- Konformitätsbewertung durchführen: Anwendung harmonisierter Normen; in den meisten Fällen Selbstzertifizierung ohne Notified Body.
- EU-Konformitätserklärung erstellen: Bestätigung der Richtlinienkonformität mit Angaben zu Hersteller, Produkt und Normen.
- CE-Kennzeichnung anbringen: Sichtbar, lesbar und dauerhaft am Produkt.
- Informationen bereitstellen: Bedienungs-, Installations- und Wartungsanleitungen mit Sicherheits- und Warnhinweisen.
- Überwachung nach Inverkehrbringen: Abhilfemaßnahmen bei Nichtkonformität (Korrektur, Rückruf, Meldung an Behörden).
Natürlich haben neben dem Hersteller auch andere Wirtschaftsakteure laut Niederspannungsrichtlinie gewisse Pflichten. So müssen Importeure sicherstellen, dass eingeführte Produkte über alle notwendigen Nachweise der Konformität verfügen und entsprechend gekennzeichnet sind. Auf Anfrage müssen sie die Technische Dokumentation bereitstellen.
Händler dürfen ihrerseits nur Produkte in Verkehr bringen, die konform mit den einschlägigen Richtlinien und mit dem CE-Kennzeichen versehen sind. Bei Kenntnis von Nichtkonformität müssen sie entsprechende Maßnahmen ergreifen – nämlich das Produkt keinesfalls auf dem Markt bereitstellen bzw. die Nichtkonformität melden.
