02.10.2023

Kein Entkommen: erweiterte Anforderungen an unvollständige Maschinen nach VO (EU) 2023/1230

Bisher stand es dem Hersteller einer unvollständigen Maschine frei, Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen, die für sein Produkt relevant waren, zu erfüllen oder auch nicht. Das geht nun nicht mehr. Die Anforderungen sind umfassend, und sie sind explizit geregelt. Welche Anforderungen an unvollständige Maschinen gelten nach der neuen Maschinenverordnung und was muss der Hersteller beachten?

Die Europäische Union

Bisher stand es dem Hersteller einer unvollständigen Maschine frei, Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen, die für sein Produkt relevant waren und die er erfüllen konnte, zu erfüllen oder auch nicht. Er musste dies im Zuge der Einbauerklärung lediglich deklarieren. Die Umsetzung aller nicht erfüllten Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen konnte er so auf den Maschinenbauer verlagern.

Das geht nun nicht mehr. Die Anforderungen an unvollständige Maschinen sind umfassend, und sie sind explizit geregelt. Sie entsprechen – bis auf technisch bedingte Ausnahmen – sinngemäß den Anforderungen an vollständige Maschinen. Welche Anforderungen an unvollständige Maschinen gelten nach der neuen Maschinenverordnung?

Das steht in der neuen Maschinenverordnung zu unvollständigen Maschinen

VO (EU) 2023/1230 Artikel 11: Pflichten der Hersteller von unvollständigen Maschinen

(1) Die Hersteller gewährleisten, wenn sie eine unvollständige Maschine in Verkehr bringen, dass diese gemäß den einschlägigen grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen nach Anhang III konstruiert und gebaut wurde.

(2) Vor dem Inverkehrbringen unvollständiger Maschinen erstellen die Hersteller die in Anhang IV Teil B aufgeführten technischen Unterlagen.

Wurde in den technischen Unterlagen gemäß Anhang IV Teil B nachgewiesen, dass eine unvollständige Maschine die einschlägigen grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen nach Anhang III erfüllt, so stellen die Hersteller die EU-Einbauerklärung gemäß Artikel 22 aus.

VO (EU) 2023/1230 Anhang III Kapitel 1.: Grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen, 1.1.1. Anwendungsbereich

Die in den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen festgelegten Verpflichtungen gelten für unvollständige Maschinen, soweit diese Anforderungen relevant sind.

Die einschlägigen Anforderungen an unvollständige Maschinen umfassen nicht die Anforderungen, die erst zum Zeitpunkt des Einbaus der unvollständigen Maschine erfüllt werden können. Die in Abschnitt 1.1.2 festgelegten Grundsätze für die Integration der Sicherheit gelten jedoch in jedem Fall.

VO (EU) 2023/1230 Anhang XI: Montageanleitung für eine unvollständige Maschine

  1. Die Montageanleitung für unvollständige Maschinen muss eine Beschreibung der Bedingungen enthalten, die erfüllt sein müssen, um sicherzustellen, dass die unvollständige Maschine ordnungsgemäß in die Maschine oder in eine andere unvollständige Maschine oder Ausrüstung eingebaut wird, und dass die Maschine oder eine andere unvollständige Maschine oder Ausrüstung mit der eingebauten unvollständigen Maschine die Sicherheit und Gesundheit von Personen und ggf. von Haustieren und Sachen sowie, soweit anwendbar, der Umwelt nicht gefährdet.
  2. Die Montageanleitung muss einschlägige Informationen enthalten, die in der Anleitung der Maschine oder sonstigen unvollständigen Maschine oder Anlage, in denen die unvollständige Maschine montiert werden soll, zu verwenden sind. Jede Montageanleitung muss erforderlichenfalls folgende Mindestangaben enthalten:
    1. eine allgemeine Beschreibung der unvollständigen Maschine
    2. die für den Einbau in die vollständige Maschine, die Wartung und Instandsetzung der unvollständigen Maschine und zur Überprüfung ihres ordnungsgemäßen Funktionierens erforderlichen Zeichnungen, Schaltpläne, Beschreibungen und Erläuterungen
    3. Warnhinweise in Bezug auf Fehlanwendungen der Maschine oder der unvollständigen Maschine, zu denen es erfahrungsgemäß kommen kann
    4. Anleitungen zur Montage, zum Aufbau und zum Anschluss der unvollständigen Maschine, einschließlich der Zeichnungen, Schaltpläne und der Befestigungen, sowie Angabe des Maschinengestells oder der Anlage, auf das bzw. in die die unvollständige Maschine montiert werden soll
    5. Informationen über Lärm oder Vibrationen, die durch die Einarbeitung wahrscheinlich verringert werden
    6. Informationen über die grundlegenden Gesundheitsschutz- und Sicherheitsanforderungen nach Anhang III, die für die unvollständige Maschine gelten
    7. die wesentlichen Merkmale der Werkzeuge, die an der unvollständigen Maschine angebracht werden können
    8. Bedingungen, unter denen die unvollständige Maschine die Anforderungen an die Standsicherheit beim Transport, bei der Montage, bei der Demontage, wenn sie außer Betrieb ist, bei Prüfungen sowie bei vorhersehbaren Störungen erfüllt
    9. Sicherheitshinweise zum Transport, zur Handhabung und zur Lagerung, mit Angabe des Gewichts der unvollständigen Maschine und ihrer verschiedenen Bauteile, falls sie regelmäßig getrennt transportiert werden müssen
    10. bei Unfällen oder Störungen erforderliches Vorgehen; falls es zu einer Blockierung kommen kann, ist in der Betriebsanleitung anzugeben, wie zum gefahrlosen Lösen der Blockierung vorzugehen ist
    11. Beschreibung der vom Nutzer durchzuführenden Einrichtungs- und Wartungsarbeiten sowie der zu treffenden vorbeugenden Wartungsmaßnahmen, die unter Berücksichtigung der Konstruktion zu beachten sind
    12. Anweisungen zum sicheren Einrichten und Warten einschließlich der dabei zu treffenden Schutzmaßnahmen
    13. Spezifikationen der zu verwendenden Ersatzteile, wenn diese sich auf die Sicherheit und Gesundheit der Bediener auswirken
    14. eine klare Beschreibung der Version der Montageanleitung, die dem Modell der unvollständigen Maschine entspricht
  3. Die Montageanleitung für unvollständige Maschinen enthält die EU-Einbauerklärung oder die Internetadresse oder den maschinenlesbaren Code, für die die EU-Einbauerklärung zugänglich ist.

Was bedeutet das für Hersteller?

Der Hersteller der unvollständigen Maschine muss die Maschine bis zur Schnittstelle zum Einbaugewerk sicher machen – und hierfür alle entsprechenden Nachweise erbringen.

Hierzu gehört auch die dritte Stufe im Sicherheitskonzept der Maschinenverordnung: die Montageanleitung. Aus dem Fünfzeiler in der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG ist eine veritable Benutzerinformation geworden, die den Namen „Montaganleitung“ nicht mehr verdient.

Die Montageanleitung: Was ist neu?

Neben der Sicherheit und Gesundheit von Personen muss nun explizit auch die Sicherheit von Haustieren, Sachen und Umwelt berücksichtigt werden.

Die Montageanleitung muss jene Informationen ausweisen, die in die Anleitung des Einbaugewerks integriert werden müssen. Dies bedeutet, dass die Montageanleitung künftig zwei Zielgruppen bedienen muss: den montierenden Betrieb und den Betreiber. In der Gliederung der Montaganleitung muss deshalb eindeutig erkennbar sein, welcher Teil der Montageanleitung sich an welche Zielgruppe richtet.

Die Montageanleitung muss alle sicherheitsrelevanten Ersatzteile spezifizieren und es muss klar ersichtlich sein, zu welchem Einbaugewerk sie gehört. Zur Herausforderung wird dies z.B., wenn die unvollständige Maschine in ein Einbaugewerk eingebaut wird, das sich ständig selbst neu konfiguriert (Industrie 4.0).

Wenn die unvollständige Maschine für die Verwendung in Maschinen bestimmt ist, die unter Anhang III Kapitel 2 bis 6 fallen, muss die Montageanleitung auch die einschlägigen Angaben enthalten, die in der Anleitung für diese Maschinen zu verwenden sind.  In Anhang III Kapitel 2 bis 6 werden diese Maschinen gelistet.

Die Montageanleitung muss die EU-Einbauerklärung enthalten. Über die Art der Darbietung kann der Hersteller selbst entscheiden.

Praxistipp

Die Einhaltung der relevanten Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der Maschinenverordnung und die konforme Erstellung der Montageanleitung sind wichtige Teilprozesse des Compliance-Managements für unvollständige Maschinen. Das Aufsetzen bzw. Optimieren dieser Prozesse erfordert Zeit. Organisieren Sie diese Prozesse deshalb frühzeitig. Lassen Sie sich ggf. extern beraten.

Den kompletten Fachbeitrag mit weiterführenden Informationen finden Sie in unserem Praxismodul „Maschinenverordnung“.

Autor*in: Elisabeth Wirthmüller (ce konform GmbH. Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Technische Dokumentation.)