29.06.2023

Welchen Umfang hat die Anleinpflicht für Hunde?

Beim Reinigen der Leine vor dem Verbringen eines Hundes in einen PKW ereignete sich ein schwerer Beißvorfall. Das OVG Münster (Beschl. vom 28.04.2023, Az. 5 B 467/22) hatte zu klären, ob die angeordnete Leinenpflicht schon mit dem Abschluss eines Spaziergangs oder erst nach dem Verstauen des Hundes im Auto endet.

Beim Reinigen der Leine vor dem Verbringen eines Hundes in einen PKW ereignete sich ein schwerer Beißvorfall.

Beißvorfall beim Reinigen der Leine

Ein Hundehalter führte mehrere Hunde. Verschiedene Beißvorfälle nahm die Ordnungsbehörde zum Anlass, eine allgemeine Leinenpflicht für seine sämtlichen Hunde anzuordnen.

Auf einem Feldweg sprang ein nicht angeleinter Hund des Hundehalters eine Fußgängerin an, sodass diese zu Boden ging. Der Hund verbiss sich an ihrer rechten Körperseite. Die angegriffene Frau erlitt Bisswunden an Unterschenkel, Oberschenkel und Hals, Kratzwunden an Schulter und Oberkörper sowie Hämatome am Rücken und musste mehrfach operiert werden.

Die Ordnungsbehörde untersagte dem Hundehalter das Halten von Hunden. Dieser erhob Widerspruch mit der Begründung, der Vorfall habe sich ereignet, als er den vorher angeleinten Hund von der Leine genommen habe, um diese zu reinigen und ihn in seinem Auto zu verstauen.

Rechtsgrundlagen der Haltungsuntersagung

Die Rechtsgrundlage einer Haltungsuntersagung ergibt sich aus der HundeVO bzw. dem HundeG des jeweiligen Bundeslandes (hier: § 12 Abs. 1 LHundG NRW). Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde die notwendigen Anordnungen treffen, um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere Verstöße gegen die Vorschriften der HundeVO bzw. des HundeG, abzuwehren.

Umfasst die Leinenpflicht auch das Verbringen eines Hundes in ein Auto?

Die Ordnungsverfügung, mit der angeordnet wurde, die Hunde „ab sofort nur noch angeleint auszuführen“, bezieht sich auch auf ein Säubern der Leine oder der Hunde am Auto. Die vom Hundehalter vertretene Auslegung, der Vorgang des Saubermachens der Tiere „nach“ einem konkreten „Ausführen“ sei nicht Teil des Ausführens, trifft nicht zu. Eine solche Auslegung ließe gerade bei einer unübersichtlichen Situation im unmittelbaren Anschluss an einen Spaziergang mit Tieren, während derer der Halter unter Umständen zugleich mit dem Öffnen und Vorbereiten des Fahrzeugs, dem Säubern der Tiere und anderem beschäftigt und gegebenenfalls abgelenkt ist, eine Schutzlücke. Sinn und Zweck des dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit von Menschen sowie anderer Tiere dienenden Leinenzwangs lassen eine andere Auslegung als fernliegend erscheinen.

Praktische Folgen der Entscheidung des OVG

  • Eine hunderechtliche Ordnungsverfügung, mit der angeordnet wird, die Hunde „ab sofort nur noch angeleint auszuführen“, umfasst nicht allein den isolierten Zeitraum eines etwaigen „Spazierengehens“ mit dem Hund, sondern auch den Zeitraum einschließlich des sicheren Verbringens der Tiere in den abgeschlossenen Innenraum eines Fahrzeugs.
  • Nach den Maßstäben des einstweiligen Rechtsschutzes ist die Anordnung einer sogenannten isolierten erweiterten Haltungsuntersagung auch ohne konkrete Haltungsuntersagung voraussichtlich zulässig und findet ihre Rechtsgrundlage in den Hundegesetzen der Bundesländer (hier: § 12 Abs. 1 LHundG NRW).
  • In Fällen, in denen ein Hund nicht beanstandungsfrei gehalten wurde und es zu Schädigungen der körperlichen Unversehrtheit Dritter gekommen ist, gebietet Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein wirksames und effektives Einschreiten gegen die bestehende Gefahrenlage. Es liegt dann im überwiegenden öffentlichen Interesse, Menschen und Tiere vor etwaigen Angriffen durch einen Hund zu bewahren; Privatinteressen des Hundehalters und Tierschutzinteressen müssen dabei regelmäßig hintanstehen.

Ergebnis

Die angeordnete Untersagung des Haltens und Führens von gefährlichen Hunden, Hunden bestimmter Rassen und großen Hunden ist rechtmäßig, entschied das OVG, da der Halter wegen des Verstoßes gegen den angeordneten Leinenzwang unzuverlässig ist. Die Beschwerde des Hundehalters gegen die Ablehnung seines Antrags auf Wiederherstellen der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs wurde zurückgewiesen.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)