04.10.2021

Wahlplakate „Hängt die Grünen“: erlaubte Meinungsäußerung?

Innerhalb welcher Grenzen ist eine Meinungsäußerung erlaubt, ohne das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu verletzten?

Wahlplakate Meinungsäußerung

Umstrittene Plakatierung

Die Partei „Der Dritte Weg“ stellte Wahlplakate mit dem Text „Hängt die Grünen“ auf. Die Stadt Zwickau und die Landeshauptstadt München forderten die Partei „Der Dritte Weg“ auf, die Plakate zu entfernen. Gegen die behördlichen Verfügungen klagte die Partei „Der Dritte Weg“.

Beschl. des VG Chemnitz

Der gegen die Verfügung der Stadt Zwickau gerichtete Eilantrag hatte vor dem VG Chemnitz Erfolg (Beschl. vom 13.09.2021, Az. 7 L 393/21).

Das VG erklärte, dass es – ausgehend von den vom BVerfG aufgestellten Grundsätzen für Wahlwerbung – derzeit offen ist, ob die strengen Voraussetzungen für einen solchen Eingriff in das Grundrecht auf Meinungsfreiheit vorliegen. Bei der Interessenabwägung hielt es das VG für angemessen, durch die Maßgabe einer räumlichen Trennung von 100 Metern der Wahlplakate einerseits eine von der Wahlwerbung der Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ losgelöste Wahrnehmung der streitgegenständlichen Wahlwerbung zu gewährleisten und andererseits deren kommunikatives Anliegen nicht zu beeinträchtigen.

Das OVG Bautzen (Beschluss vom 21.09.2021, Az. 6 B 360/21) entschied als Beschwerdeinstanz, die Plakate stellen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Parteien dürfen Kritik an anderen Parteien auch in überspitzter und polemischer Form äußern, weil die Meinungsfreiheit dies erlaube. Diese findet aber ihre Grenzen, wenn die Äußerung gewichtige Straftatbestände erfüllt. Das Plakat mit dem Text „Hängt die Grünen“ erfüllt den Tatbestand der Volksverhetzung, entschied das OVG. Der Text beziehe sich eindeutig auf die Partei „Bündnis90/Die Grünen“.

Beschl. des LG München I

Das sah das LG München I (Beschl. vom 17.09.2021, Az. 25 0 12449/21) hingegen anders. Die Formulierung jemanden „zu hängen“ werde in der Regel dahin verstanden, jemanden aufzuhängen, in sonstiger Weise zu töten oder körperlich zu verletzen, erklärte das LG seine Sicht auf das Plakat. Der Äußerung „Hängt die Grünen“ verletze das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Partei „Bündnis 90/Die Grünen“.

Bei der Sinndeutung der Äußerung kommt es nicht auf die subjektive Absicht oder das subjektive Verständnis des Äußernden an, sondern auf den objektiven Sinngehalt im Kontext der Aussage. Die strittige Aussage verstehe der verständige Leser dahingehend, dass es darum gehe, der Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ Schaden zuzufügen.

Reaktionen

Während die Polizei in Bayern damit beschäftigt war, die Wahlplakate des „Dritten Weges“ abzuhängen, beschritten die Grünen in Zwickau noch vor der Entscheidung des OVG Bautzen einen anderen Weg: Sie riefen zu einer flächendeckenden Plakatierung von Plakaten „Bündnis 90/Die Grünen“ auf. Es sollen so viele Wahlplakate aufgestellt werden, dass es dem „Dritten Weg“ unmöglich ist, den Abstand von 100 Metern zu Plakaten der Grünen einzuhalten.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)