14.10.2016

Steinschlaggefahr: Wie weit geht die Straßenverkehrssicherungspflicht?

Besondere Maßnahmen gegen Steinschlaggefahr außer der fortlaufenden Beobachtung sind regelmäßig nur dann erforderlich, wenn mit einer Gefährdung durch Steinschlag als naheliegend zu rechnen ist (LG Coburg, Urteil vom 10.06.2016, Az. 22 O 688/15).

Straßenverkehrssicherungspflicht

Nach der Beschädigung seines Pkw durch einen Steinschlag machte der Kläger Schadensersatzansprüche aus einer behaupteten Amtspflichtverletzung geltend. Die Ehefrau des Klägers hatte zuvor mit dem Fahrzeug eine Staatsstraße befahren, die mit dem Warnschild „Steinschlaggefahr“ versehen war. Durch von links auf die Straße rollendes Gestein sei dann das Fahrzeug des Klägers nicht unerheblich beschädigt worden.

Hat der Beklagte die Straßenverkehrssicherungspflicht verletzt?

Der Kläger meint, der Beklagte habe seine Straßenverkehrssicherungspflicht auf der bekanntermaßen häufiger von Felsabbrüchen betroffenen Strecke verletzt. Das Warnschild alleine sei hierfür nicht ausreichend und starke Regenfälle nur zwei Tage vor dem Unfall hätten einen verstärkten Anlass zur Felskontrolle gegeben.

Der Beklagte verwies demgegenüber hauptsächlich auf die einmal wöchentlich bis täglich durchgeführten Kontrollen durch einen Straßenwärter und darüber hinaus auf länger zurückliegende Felskontrollen, die jeweils ohne Auffälligkeiten geblieben waren.

Das Landgericht Coburg hat die Klage des Fahrzeughalters abgewiesen.

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Entscheidungsgründe

  • Dem Fahrzeughalter stehen Schadensersatzansprüche wegen einer behaupteten Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht nicht zu. Die engmaschigen Kontrollen der von Steinschlägen betroffenen und mit einem entsprechenden Warnschild versehenen Strecke durch einen Straßenwärter waren ausreichend.
  • Im Rahmen der Vorsorge gegen die Steinschlaggefahr wurde die fragliche Strecke fortlaufend beobachtet.
  • Weitere Maßnahmen sind jedoch nur dann erforderlich, wenn mit einer Gefährdung durch Steinschlag als naheliegend zu rechnen ist.
  • Auf die Rechtsprechung des BGH und des OLG Jena (Urt. vom 21.03.2000, Az. 3 U 653/99) wird hingewiesen.
  • Unter Berücksichtigung der konkreten örtlichen Verhältnisse an der Unfallstelle und der regelmäßig mindestens dreimal pro Woche und stets an Freitagen durchgeführten Kontrollen der betroffenen Strecke, zuletzt ohne Auffälligkeiten noch am Tag vor dem Unfall, werden weitergehende Verpflichtung des Beklagten verneint.
  • Anhaltspunkte für eine naheliegende Gefährdung, die Anlass für weitere Maßnahmen hätten sein können und die der Kläger hätte nachweisen müssen, sind nicht gegeben. Hierfür genügte die vage Behauptung des Klägers, auf der betroffenen Strecke käme es immer wieder zu Steinschlägen, ebenso wenig wie die starken Regenfälle zwei Tage vor dem Unfall.
  • Nach der Regelung in Art. 72 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes erfolgt die Überwachung der Verkehrssicherheit der öffentlichen Straßen in Ausübung eines öffentlichen Amtes. Für eine Verletzung dieser Amtspflicht haftet nach § 839 BGB zwar zunächst der betroffene Beamte. Diese Haftung wird jedoch gemäß Art. 34 GG auf den Staat bzw. die Körperschaft, in deren Dienst dieser Beamte steht, übergeleitet, so dass der Freistaat Bayern hier der richtige Beklagte war.
  • Gerade bei den hier betroffenen Straßenverkehrssicherungspflichten ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein Schutz vor allen nur möglichen Naturgewalten nicht erwartet werden kann. Vielmehr sind die Eigenverantwortung und das allgemeine Lebensrisiko der Straßennutzer mit den Sicherungspflichten der Straßenverantwortlichen in Ausgleich zu bringen.

Hinweis

LG Coburg, Urteil vom 10.06.2016, Az. 22 O 688/15. Das Urteil ist rechtskräftig.

Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)