11.08.2020

Zum Abschleppen wegen Parken im Bereich einer scharfen Kurve

Abschleppmaßnahme und Kostenentscheidung bei unerlaubtem Parken in einem scharfen Kurvenbereich sind rechtmäßig (VG München, Urteil vom 28.04.2020, Az. M 7 K 18.5617).

Parken scharfe Kurve

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Inanspruchnahme als Kostenschuldner im Zusammenhang mit einer Abschleppmaßnahme.

Nach den Feststellungen des Beklagten war das Fahrzeug der Klägerin in einem scharfen Kurvenbereich abgestellt. Durch einen anwesenden Polizeibeamten wurde das Abschleppen des Pkw angeordnet. Das angeforderte Abschleppunternehmen verbrachte den Wagen der Klägerin zur polizeilichen Verwahrstelle. Mit Leistungsbescheid stellte das Polizeipräsidium der Klägerin 222,24 € (Gebühr gemäß § 1 PolKV in Höhe von 54,00 €, Abschleppkosten in Höhe von 114,25 €, Grundgebühr für die Verwahrung in Höhe von 36,00 € sowie zwei Tagesgebühren à 9,00 €) in Rechnung.

Gegen diesen Bescheid haben die Klägerbevollmächtigten Klage erhoben.

Leistungsbescheid ist rechtmäßig

Der Leistungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat dementsprechend auch keinen Anspruch auf Rückzahlung der 222,24 € im Wege eines Folgenbeseitigungsanspruchs gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO.

Grundlage der streitigen Kostenerhebung ist Art. 9 Abs. 2 PAG bzw. Art. 28 Abs. 5 Satz 1 und 2 PAG. Danach werden für die Abschleppmaßnahme von den nach Art. 7 oder 8 PAG Verantwortlichen Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben. Zu den zu erhebenden Kosten gehören nach Art. 9 Abs. 2 bzw. Art. 28 Abs. 5 Satz 1 und 2 PAG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Nr. 5 KG auch die Kosten, die anderen Personen für ihre Tätigkeit zustehen.

Abschleppmaßnahme war rechtmäßig

Die auf Art. 9 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a PAG gestützte Abschleppanordnung war im maßgeblichen Zeitpunkt des polizeilichen Einschreitens rechtmäßig, sodass die Kostenerhebung nicht zu beanstanden ist.

Gegenwärtige Gefahr gegeben

Die Sicherstellung des Wagens der Klägerin nach Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a PAG in Gestalt der Verbringung in die amtliche Verwahrstelle ist rechtmäßig. Denn nach Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a PAG kann die Polizei eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Eine gegenwärtige Gefahr für die Rechtsordnung stellen dabei unter anderem auch bereits eingetretene und andauernde Störungen wie Verkehrsordnungswidrigkeiten dar.

Ordnungswidriges Abstellen des Fahrzeugs

Die Polizei war befugt, das Abschleppen des Fahrzeugs der Klägerin anzuordnen, da das Parken des Wagens im Bereich der …  eine Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß § 24 StVG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 12, § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVO dargestellt hat.

Nach § 49 Abs. 1 Nr. 12 StVO handelt ordnungswidrig im Sinn des § 24 StVG, wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift über das Halten oder Parken nach § 12 Abs. 1 StVO verstößt. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVO ist das Halten im Bereich von scharfen Kurven unzulässig.

Was ist eine Kurve?

Eine Kurve ist ein gekrümmter Straßenverlauf bezogen auf eine einheitliche Fahrbahn. Dies bedeutet, dass die Schnittstelle zweier Straßen an Kreuzungen und Einmündungen und Wendehammer (Wendeschleifen) nicht hierunter fallen. Scharf ist eine Kurve, wenn ihr Radius so klein ist, dass für Kraftfahrzeuge die Gefahr besteht, unabsichtlich auf die Gegenfahrbahn zu gelangen. In scharfen Kurven darf wegen der dort immer gefährlichen Sichtbehinderung durch haltende Fahrzeuge auch dann nicht gehalten/geparkt werden, wenn die Kurve selbst übersichtlich ist. Das Verbot des Kurvenparkens dient dem Verkehrsfluss im Straßenraum und dem möglichst weitgehenden Ausschluss von Gefährdungen, die im Falle seiner Zulassung durch Brems- und Ausweichmanöver entstehen könnten. Das Verbot trägt zudem dem Umstand Rechnung, dass Kraftfahrzeuge in Kurvenbereichen nicht per se zum Fahren auf Sicht verpflichtet sind und darauf vertrauen dürfen, dort durch stehenden Verkehr unbeeinträchtigt zu bleiben. Vor diesem Hintergrund wird das Halten durch die Worte „im Bereich von“ nicht nur in, sondern auch so nahe vor oder hinter scharfen Kurven verboten, dass sich die Gefahr, die ein haltendes Kfz bilden könnte, in der Kurve nicht auswirken kann. Zudem gilt das Verbot für beide Fahrbahnseiten, nicht nur für die Innenseite.

Der Tatbestand des unerlaubten Parkens im betreffenden Bereich war aufgrund näherer Feststellungen unerlaubt .

Keine Ermessensfehler

Die Abschleppmaßnahme war ermessensfehlerfrei (Art. 5 PAG, § 114 Satz 1 VwGO) und verhältnismäßig (Art. 4 PAG). Sie war geeignet und erforderlich, um die Beeinträchtigung des Halteverbots zu beseitigen. Mildere Mittel standen nicht zur Verfügung. Konkrete Anhaltspunkte, dass eine Versetzung des Fahrzeugs möglich gewesen wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 PAG kann die Polizei eine Maßnahme selbst oder durch einen Beauftragten ausführen, wenn der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme der nach Art. 7 oder Art. 8 PAG Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. Die Voraussetzungen für eine unmittelbare Ausführung der Maßnahme nach Art. 25 Nr. 1 PAG lagen vor, da der Zweck der Sicherstellung, das aus dem Halteverbot resultierende sofort vollziehbare Wegfahrgebot durchzusetzen, durch Inanspruchnahme der Klägerin mangels Anwesenheit nicht rechtzeitig erreicht werden konnte.

Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)