29.06.2023

Müssen Anwohner Ladesäulen hinnehmen?

Zwei Drittel der Bürger befürworten den Ausbau der Elektromobilität. Aber nicht vor meiner Haustür, sagten sich Anwohner, als in der Nähe ihrer Wohnhäuser eine Ladestation errichtet wurde. Nach einer Niederlage vor dem VG Berlin riefen sie das OVG Berlin-Brandenburg an (Besch. vom 11.10.2022, Az. OVG 1 S 28/22).

Zwei Drittel der Bürger befürworten den Ausbau der Elektromobilität. Aber nicht vor meiner Haustür, sagten sich Anwohner.

Anwohner befürchten weniger Parkmöglichkeiten und nächtliche Ruhestörungen

Anwohner gingen gegen eine straßenrechtliche Anordnung zum Einrichten von Ladesäulen für E-Fahrzeuge vor. Sie beklagten,

  • der Anliegergebrauch bleibe berücksichtigt, weil sie nicht angehört wurden, und
  • die zeitliche Dauer der Benutzung der Ladestation sei mit 3 Stunden zu lang und Berufspendlern werden Stellplätze entzogen.
  • Außerdem werde die Nachtruhe durch die Ladevorgänge gestört. Elektrofahrzeuge würden auch nachts die Ladestation anfahren.

Sie beantragten vor dem OVG Berlin-Brandenburg, das Laden solle auf Wochentage beschränkt bzw. an Sonn- und Feiertagen untersagt werden.

Die Entscheidung des OVG

Das OVG Berlin-Brandenburg bestätigte das Urteil des VG Berlin vom 10.03.2022, Az. VG 11 L 145/22, und entschied:

  1. Anwohner müssen vor dem Erlass der straßenverkehrsrechtlichen Anordnung nicht angehört werden. Das Unterbleiben der Anhörung hat daher keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Anordnung.
  2. Die Rechtsgrundlagen für das Errichten von Ladestationen ergeben sich aus § 45 Abs. 1g, § 45 Abs. 10 Alt. 1 StVO i.V.m. § 3 Abs. 1 Elektromobilitätsgesetz (EmoG). Weitere Vorgaben enthält die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO Rn 45b–45d).
  3. Die gesetzlichen Voraussetzungen der straßenverkehrsrechtlichen Anordnung liegen vor. Die Argumente der Anwohner stehen der Rechtmäßigkeit der Anordnung nicht entgegen, insbesondere nicht der Anliegergebrauch und der Schutz der Nachtruhe.
  4. Die Anordnung wurde auch ermessensfehlerfrei erlassen und ist verhältnismäßig. Die Interessen der Allgemeinheit an der Förderung und dem Ausbau der E-Mobilität sind höher zu gewichten als die Interessen der Anwohner an optimalen Parkmöglichkeiten.

Ergebnis

Die Klage der Anwohner wurde auch in der 2. Instanz abgewiesen.

Hinweis

In der nächsten Aktualisierung der Ordnungsamtspraxis wird die Rechtslage detailliert dargestellt und insbesondere erläutert, mit welchen Argumenten das VG und das OVG die Einwände der Anwohner entkräftet hat.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)