10.05.2023

Dürfen Feld- und Wirtschaftswege immer für den landwirtschaftlichen Verkehr genutzt werden?

Nachdem sich viele Ordnungsämter aus der Fläche zurückgezogen haben, präsentieren sich Feld- und Wirtschaftswege besonders im Frühjahr und Herbst in einem für Fußgänger und Radfahrer nicht akzeptablen und teilweise gefährlichen Zustand. Wir klären einige Rechtsfragen rund um dieses Thema.

Sind Feld- und Wirtschaftswege immer öffentliche Wege?

Nach ihrem Bau unterliegt eine Straße unabhängig vom Bauherrn, von ihrer Größe oder von ihrem Zweck der Verfügungsgewalt des Eigentümers. Ist der Eigentümer eine Gebietskörperschaft, wird die Straße als öffentliche Sache angesehen. Damit sie von der Allgemeinheit genutzt werden kann, wird sie für einen bestimmten Zweck, den Gemeingebrauch, gewidmet.

Die Widmung ergeht als Verwaltungsakt in der Form einer Allgemeinverfügung auf der Grundlage des FStrG des Bundes bzw. der Straßengesetze der Länder.

Bei alten Straßen ist ein Widmungsakt oft nicht mehr nachvollziehbar bzw. nachweisbar. Nur Nachforschungen können Hinweise ergeben, die auf einen Widmungsakt schließen lassen. Werden sie schon seit Langem durch die Allgemeinheit genutzt, kann von ihrem öffentlich-rechtlichen Charakter nach Gewohnheitsrecht ausgegangen werden.

Das bedeutet: Feld- und Wirtschaftswege sind somit nur dann öffentliche Wege, wenn sie von einer Gebietskörperschaft errichtet und der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt wurden oder wenn sich dies aus dem Gewohnheitsrecht ableiten lässt.

Wer darf Feld- und Wirtschaftswege benutzen?

Welche Personen die Feld- und Wirtschaftswege nutzen dürfen, ergibt sich aus der Widmung bzw. dem Gewohnheitsrecht. Im Allgemeinen steht die Benutzung von Feld- und Wirtschaftswegen im Gemeingebrauch, d.h. sie dürfen von allen Verkehrsteilnehmern genutzt werden.

Das OLG Stuttgart hat einschränkend mit Urteil vom 21.03.2023, Az. 6 U 191/22, im Hinblick auf den landwirtschaftlichen Verkehr entschieden: Es gibt keinen gewohnheitsrechtlichen Rechtssatz, wonach es Landwirten grundsätzlich immer gestattet ist, Feld- und Wirtschaftswege für den landwirtschaftlichen Verkehr zu nutzen.

Was bedeutet „öffentlich“?

Grundsätzlich sind alle Straßen und Wege „öffentlich“, es sei denn, bestimmte Verkehrsteilnehmer werden ausgeschlossen. Daher sind auch die tatsächlich von der Allgemeinheit genutzten Verkehrsflächen ohne Widmung bei ausdrücklicher oder stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten „öffentlich“. Abzustellen ist hierbei auf die äußeren erkennbaren Umstände.

Gilt auf Feld- und Wirtschaftswegen die StVO?

Für die Anwendung von verkehrsrechtlichen Vorschriften wie StVO und StVG kommt es nicht darauf an, ob eine Straße gewidmet wurde oder nicht. Werden Feld- und Wirtschaftswege ausdrücklich oder stillschweigend der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, gilt auf ihnen die StVO.

Gilt auf Feld- und Wirtschaftswegen die StVO?
… und alles andere als verkehrssicher

Müssen Feld- und Wirtschaftswege gereinigt werden?

Aus dem FStrG bzw. den Straßengesetzen der Länder ergibt sich die Verpflichtung des Trägers der Straßenbaulast, die Straßen in einem verkehrssicheren Zustand zu halten. Im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs hat er Verkehrshindernisse und Erschwernisse zu beseitigen. Das ist die verkehrsmäßige Reinigung.

Verunreinigungen, die das übliche Maß übersteigen, u.a. Äste und Geröll, Erdreich, Gegenstände nach Verkehrsunfällen (Gummireste, Plastikteile, Scherben) usw., sind vom Verursacher unverzüglich zu beseitigen (§ 7 Abs. 3 FStrG sowie die jeweiligen Straßengesetze der Länder). Ob die Verunreinigung schuldhaft verursacht wurde, ist hierbei unerheblich. Maßgebend ist das Aufrechterhalten der Verkehrssicherheit für alle Verkehrsteilnehmer, unabhängig von ihrer Fortbewegung.

Auch § 32 Abs. 1 StVO verbietet es, die Straße zu benetzen oder zu verschmutzen oder Gegenstände auf Straßen zu bringen oder dort liegen zu lassen, wenn dadurch der Verkehr gefährdet oder erschwert werden kann. Der Verantwortliche hat die verkehrswidrigen Zustände unverzüglich zu beseitigen und diese bis dahin ausreichend kenntlich zu machen. Dieses Verbot betrifft alle äußeren Einwirkungen auf die Straße im Interesse der Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs.

„Unverzüglich“ bedeutet nicht sofort, sondern nach dem Ende der Feldarbeit, d.h. spätestens abends.

Ergebnis und Empfehlung

Feld- und Wirtschaftswege sind kraft Widmung oder Gewohnheitsrecht „öffentlich“. Landwirte haben nach Gewohnheitsrecht keinen Anspruch auf ihre Benutzung. Der Träger der Straßenbaulast hat Feld- und Wirtschaftswege wie Straßen innerorts verkehrsmäßig zu reinigen. Verunreinigungen, die das übliche Maß übersteigen, hat der Verursacher (z.B. der Landwirt) zu entfernen.

Wir empfehlen den Kommunen, vor dem Hintergrund der Verkehrssicherungspflicht künftig verstärkt auf den Zustand der Feld- und Wirtschaftswege zu achten und die Landwirte der Gemeinde auf ihre Reinigungspflichten hinzuweisen sowie deren Einhaltung zu kontrollieren. Auf Verstöße kann mit dem Mitteln des Verwaltungs- bzw. Vollstreckungsrechts reagiert werden.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)