11.02.2014

Veröffentlichung von Bildern eines Bordellbesuchers im Internet

Er war nicht nur Bordellbesucher, sondern auch Täter von „Geruchsüberfällen“: In einem Bordell ließ ein Besucher mehrfach Stinkbomben platzen. Offensichtlich hatte er nicht damit gerechnet, dass ihn dabei eine Videoüberwachungsanlage aufzeichnete. So konnte er über eine Veröffentlichung der Bilder im Internet identifiziert werden. Nachdem seine Identität darüber festgestellt worden ist, sei eine weitere Veröffentlichung der Bilder im Internet jedoch unzulässig, urteilte das Oberlandesgericht Koblenz.

Veröffentlichung-von-Bildern-eines-Bordellbesuchers-im-Internet

In seinem Urteil vom 15.01.2014 musste das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz (Az.: 5 U 1243/13) als Berufungsinstanz darüber entscheiden, ob die andauernde Internet-Veröffentlichung von Bildern eines Bordellbesuchers, die eine Videokamera aufgenommen hatte, zulässig ist.

Geruchsüberfälle

Ausgangspunkt der gerichtlichen Auseinandersetzung waren „Geruchsüberfälle“ eines Bordellbesuchers: Im Januar 2013 warf er zweimal Stinkbomben in das Etablissement, wodurch es zu einem nicht unerheblichen Ausfall kam.

Notarielle Einigung

Aufgrund des mit dem Stinkbombenüberfalls einhergehenden Schadens einigten sich Besucher und Bordellbetreiber auf eine vom Besucher zu zahlende Summe in Höhe von 12.000,- EUR nebst Zinsen. Im Gegenzug verpflichtete sich der Bordellbetreiber, die Bilder aus dem Internet zu entfernen. Diese Einigung wurde als Schuldanerkenntnis in einem notariellen Termin (inkl. Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung) vereinbart.

Anfechtung der Einigung

Nach Abschluss der Vereinbarung besann sich der Besucher jedoch eines anderen und ging gegen die Einigung vor: Er habe sie rechtswirksam angefochten, denn er habe der Zahlung nur zugestimmt, weil er mit der Veröffentlichung der Bilder im Internet unter Druck gesetzt worden sei. Zudem sei die Vereinbarung wucherisch. In jedem Fall sei die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde unzulässig.

Entscheidung in der ersten Instanz

Vor dem Landgericht hatte der Besucher sich nicht durchsetzen können. Der Kläger habe ein Anerkenntnis abgegeben. Daher sei ihm der Einwand nicht (mehr) möglich, mit der Zahlungssumme überfordert zu sein. Insbesondere sei er auch nicht in verwerflicher Weise bedroht worden.

Entscheidung in der Berufungsinstanz

Die Entscheidung des Landgerichts wollte der Besucher nicht auf sich sitzen lassen und zog in die Berufung – mit Erfolg. Das OLG Koblenz sieht in der Veröffentlichung der Bilder aus der Videoaufzeichnung im Internet einen unzulässig ausgeübten Zwang, der zur Anfechtung des Schuldanerkenntnisses berechtigt (§ 123 Abs. 1 BGB). Folglich sei auch die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde unzulässig.

Zwang jedenfalls konkludent ausgeübt

Nach Auffassung der Oberlandesrichter ging dieser Zwang jedenfalls konkludent, d.h. durch schlüssiges Verhalten des Bordellbesitzers im Hinblick auf die andauernde Publikation der Fotos aus. Es komme nicht darauf an, ob der Zwang möglicherweise nicht wörtlich ausgesprochen wurde. Entscheidend sei vielmehr, dass der Bordellbesitzer zu verstehen gegeben habe, die laufende Veröffentlichung der Fotos erst dann zu beenden, wenn der Besucher die notarielle Verpflichtungserklärung abgegeben habe.

Darüber hinaus sei ein entsprechender Zusammenhang auch im Text der notariellen Urkunde ersichtlich. So sei die Herausnahme der streitgegenständlichen Fotos aus dem Internet gerade als Gegenleistung zum Schuldanerkenntnis ausgestaltet worden.

Hinweis auf fortlaufende Publikation ist widerrechtliche Drohung

Nach Auffassung des OLG Koblenz ist die notarielle Zahlungszusage des Besuchers nur durch den Hinweis auf die ansonsten fortdauernde Publikation der Fotos herbeigeführt worden. Damit habe der Bordellbesitzer eine widerrechtliche Drohung zum Ausdruck gebracht, weil die Veröffentlichung gegen das Gesetz verstoße und unabhängig von jedwedem Entgegenkommen des Klägers hätte beendet werden müssen.

Verstoß gegen Kunsturhebergesetz

Im Internet veröffentlichte Fotos des Besuchers unterliegen nach Auffassung des OLG Koblenz dem Kunsturhebergesetz (KunstUrhG). Da eine Veröffentlichung von Bildnissen grundsätzlich nur mit der Erlaubnis der abgebildeten Person zulässig sei, diese aber vorliegend nicht vorliege, sei eine (fortgesetzte) Publikation nach § 22 KunstUrhG verboten und damit ohne Weiteres zu unterlassen.

Ursprüngliche Veröffentlichung unerheblich

Das OLG Koblenz geht gar nicht weiter auf die Frage ein, ob die ursprüngliche Veröffentlichung der Fotos des Besuchers zu dessen Identifizierung zulässig gewesen ist. Darauf komme es nämlich gar nicht mehr an, nachdem die Identität des Besuchers ermittelt worden sei. Spätestens ab diesem Zeitpunkt bestehe für die fortgesetzte Veröffentlichung der Bilder im Internet kein sachlicher Grund mehr. Vielmehr verstoße die Publikation gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beklagten und sei daher rechtswidrig.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Koblenz differenziert richtigerweise, zu welchem Zweck Bildaufnahmen veröffentlicht werden. Geschieht dies zur Identifizierung eines „Täters“ – wenn auch nur von „Geruchsüberfällen“ –, spricht einiges dafür, dass dies trotz des kompromittierendes Charakters vom Bordellbesucher hingenommen werden muss.

Etwas anders gilt aber dann, wenn nach Feststellung der Identität die andauernde Veröffentlichung als Druckmittel – für eine Zahlungszusage in erheblicher Höhe – ausgenutzt werden soll.

Die Entscheidung bestätigt damit nicht nur die grundsätzlich gebotene Vorsicht bei der Veröffentlichung von (privaten) Fotos von Dritten im Internet ohne deren Erlaubnis. Vielmehr wird das Ausnutzen einer kompromittierenden Zwangslage als klare Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen gewertet.

Das Urteil des OLG Koblenz vom 15.01.2014 (Az.: 5 U 1243/13) ist im Internet unter folgender Adresse abrufbar: http://www.damm-legal.de/olg-koblenz-zur-anfechtung-eines-vertrags-der-unter-der-drohung-zustandekommt-anderenfalls-wuerden-im-internet-veroeffentlichte-bilder-von-einem-bordellbesuch-nicht-geloescht

Autor*in: Peer Lambertz (Peer Lambertz ist Rechtsanwalt und Datenschutz-Experte.)