23.03.2015

Rhetorischer Frühjahrsputz

Wer häufig Reden halten muss, läuft schnell Gefahr, sich der immer gleichen Sprachfiguren zu bedienen. Unterziehen Sie Ihre Rhetorik daher gelegentlich einer Generalüberholung: Weg mit Allgemeinplätzen und verstaubten Floskeln – her mit einer frischen und authentischen Kommunikation!

Redner

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Das gilt auch für die Art, wie wir uns anderen mitteilen. Gerade bei Themen, die „Schwarzbrot“ des politischen Tagesgeschäfts sind, verfallen Redner oft in rhetorische Routine. Populäre Sprachbilder, altbekannte Appelle und Forderungen, ein gern verwendetes Zitat – die Verlockung ist groß, auch beim nächsten Sprechanlass auf vermeintlich Bewährtes zurückzugreifen.

Wirkung verpufft

Damit wächst allerdings auch das Risiko, dass das Gesagte beim Publikum nicht mehr verfängt. So brillant ein rednerischer Einfall auch sein mag – wird er fortan in ähnlichen Zusammenhängen reflexartig abgespult, verfehlt er bald seine Wirkung. Nicht nur, weil die Zuhörerschaft das Gesagte wahrscheinlich schon allzu oft konsumiert hat. Sondern auch, weil der Redner selbst seine Standard-Botschaften beim x-ten Mal kaum noch mit der notwendigen Verve vortragen wird.

Selbstkritische Inventur

Wiederholung kann ein bewusstes Stilmittel innerhalb einer Rede sein. Eine erstarrte, uninspirierte Rhetorik, die den immer gleichen Mustern folgt, ist es nicht. Räumen Sie daher dann und wann Ihr sprachliches Inventar auf: Welche Phrasen sind definitiv überstrapaziert und gehören ausgemustert? Was sind Ihre ganz persönlichen „Sprechblasen“, denen dringend neues Leben eingehaucht werden sollten? Gibt es womöglich Begriffe, Metaphern, Argumente, die Ihren künftigen Reden zu mehr Gewicht und gleichzeitig zu mehr Esprit verhelfen könnten?

Neue Überzeugungskraft

Zugegeben, es ist keine leichte Aufgabe, die eigene Rhetorik so schonungslos auf den Prüfstand zu stellen. Aber die Mühe lohnt sich. Sie werden Schwachstellen Ihrer öffentlichen Rede aufdecken, Inhalte hinterfragen und Ihre Positionen schärfen.
Zugleich werden Sie die schier unendliche Vielfalt und Wirkungsmacht der Sprache neu für sich entdecken. Von feinen Zwischentönen über Ironie bis hin zu verbaler Angriffslust: Indem Sie Ihr sprachliches Repertoire runderneuern, überraschen Sie die Empfänger Ihrer nächsten Ansprache. Grund genug also, den rhetorischen Frühjahrsputz nicht auf die lange Bank zu schieben – und mit einer Rede voller frischer, unverbrauchter Formulierungen zu glänzen.

Autor*in: Nicola Karnick (Nicola Karnick ist Redenschreiberin und Autorin von "Praktische Redenbausteine für Bürgermeister".)