06.12.2019

Mitarbeiter-Apps: So bestimmt der Betriebsrat mit

Digitale Werkzeuge für die interne Unternehmenskommunikation, wie beispielsweise Mitarbeiter-Apps, bringen viele Vorteile, werfen aber auch Fragen auf. Denn digitale Arbeit ist oft in vorhandenen Vorschriften und Vereinbarungen schlicht nicht geregelt. Was sollten Betriebsräte beachten, wenn entsprechende Lösungen eingeführt werden?

Betriebsrat Mitarbeiter-Apps

Fast 90 Prozent aller Arbeitnehmer weltweit verfügen nicht über einen festen PC-Arbeitsplatz. Das schließt sie häufig von der internen Kommunikation aus. In der Hotellerie, der Produktion, in der Gebäudereinigung oder auf dem Bau investieren Unternehmensleitungen oft noch wenig in die Digitalisierung der Arbeitsplätze.

Doch das Blatt wendet sich, denn insbesondere in den traditionellen Branchen werden Angestellte in vielen Fällen durch eine Mitarbeiter-App überhaupt erst erreichbar. Aus diesem Grund setzen immer mehr Betriebe auf mobile Lösungen für Smartphones. So werden zum Beispiel Dienst- und Schichtpläne in Echtzeit aktualisiert und verfügbar.

Mitarbeiter-Apps: Neuland für Betriebsräte

Grundsätzlich bringen Mitarbeiter-Apps sowohl den Kollegen als auch dem Unternehmen Vorteile. Doch bei aller Begeisterung für neue Möglichkeiten sollte der Betriebsrat darauf achten, dass die Geschäftsführung nicht im Alleingang handelt. Denn im Zuge der Digitalisierung geraten viele Konstanten der Arbeitswelt ins Wanken.

Werden Arbeits- und Kommunikationsprozesse digitalisiert, wirft dies arbeitsrechtliche Fragen auf, zum Beispiel im Hinblick auf den Datenschutz oder die berufliche Nutzung privater Smartphones. Bei den meisten neuen Möglichkeiten der digitalisierten Arbeitswelt hinkt das Arbeitsrecht hinterher: Was bislang fehlt, sind schlicht Regulierungen, die den aktuellen Entwicklungen ausreichend Rechnung tragen.

Praxistipp: Als Betriebsrat weiterbilden

Da sich Technologien heute in atemberaubendem Tempo entwickeln, empfiehlt es sich für Betriebsräte, regelmäßig Schulungen zu besuchen und auf externen Sachverstand zurückzugreifen, um auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Dabei können beispielsweise Technologie-Beratungsstellen der Gewerkschaften helfen.

Mitarbeiter-Apps ermöglichen neue Formen der Kommunikation
Über Mitarbeiter-Apps erreichen Geschäftsleitung und Betriebsrat auch Mitarbeiter ohne PC-Arbeitsplatz

Betriebsvereinbarungen schließen Regelungslücken

Fehlende arbeitsrechtliche Regelungen sind aber kein Grund, auf die Vorteile von digitalen Lösungen zu verzichten. Betriebsvereinbarungen sind ein guter Weg, arbeitsrechtliche Lücken zu schließen und Unklarheiten auszuräumen. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich der Betriebsrat zunächst selbst über das Thema informiert. Idealerweise wird ein fester Ansprechpartner im Gremium bestimmt, der das notwendige Wissen aufbaut, um im Unternehmen solide Grundlagen für die Einführung neuer digitaler Arbeitsmittel legen zu können.

Fragen der Belegschaft ernst nehmen und klären

Die Einführung neuer Technologien wie z. B. Mitarbeiter-Apps ist mitbestimmungspflichtig. Einschlägig sind hier in jedem Fall die Mitbestimmungsrechte aus

  • 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Fragen der Ordnung des Betriebs) und aus
  • 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (Eignung der Maßnahme zur Kontrolle von Leistung und Verhalten der Arbeitnehmer).

Je nach Art und Inhalt der App können weitere Mitbestimmungsrechte betroffen sein (z. B. bei der Schichtplanung § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG). Betriebsräte sollten daher ihre Rechte nutzen und sich von Anfang an aktiv einbringen. Vieles muss im Detail vereinbart werden, so etwa die Frage, wie die Nutzung der Mitarbeiter-App auf dem privaten Smartphone außerhalb der Arbeitszeit geregelt wird. Hier sind wichtige Fragen zu klären: Inwieweit verpflichtet die App Angestellte dazu, permanent erreichbar zu sein, und wie wird die Arbeitszeit außerhalb des Betriebs erfasst?

Expertentipp: Datensparsamkeit und Schulung einfordern

Achten Sie auf Datensparsamkeit und stimmen Sie entsprechend der DSGVO nur der Verarbeitung von aggregierten und anonymisierten Daten zu, um Leistungs- und Verhaltenskontrollen zu verhindern. Fordern Sie den Arbeitgeber dazu auf, diejenigen Mitarbeiter, die mit persönlichen Daten zu tun haben, regelmäßig zu Schulungen zu schicken.

Umfragen sind schnell und einfach durchgeführt und werden von den Mitarbeitern besser angenommen, das sie mit einem Klick beantwortet werden können

Besondere Aufmerksamkeit sollte man dem Umgang mit den Daten der Beschäftigten widmen. Unternehmen erheben, verarbeiten und speichern seit jeher große Mengen personenbezogener Daten, aber mit der Nutzung von digitalen Tools erreicht das Datenaufkommen eine neue Dimension. Die Aufgabe des Betriebsrates besteht darin, die Interessen der Beschäftigten wahrzunehmen und genau zu prüfen, wie und wo Daten und Metadaten erhoben und gespeichert werden und ob dadurch die Gefahr entsteht, Verhalten oder Leistung zu kontrollieren.

Die Daten der Beschäftigten im Blick haben

Orientierungshilfe bietet die im Mai 2018 in Kraft getretene Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU. Auch wenn viele Detailfragen offenbleiben, gibt es doch einige Grundsätze, denen Unternehmen folgen müssen. Dazu zählt das Gebot der Datensparsamkeit. Es dürfen von vornherein nur solche Daten erhoben und gespeichert werden, die zwingend benötigt werden. Mitarbeiter-Apps sollten zudem die Vorgabe erfüllen, nur aggregierte und anonymisierte Daten zu auszuwerten. Dadurch kann ein Profiling verhindert werden, das mittels der Analyse von persönlichen Daten Rückschlüsse auf Arbeitsleistung, wirtschaftliche Situation, Gesundheit, persönliche Vorlieben, Interessen, Zuverlässigkeit, das Verhalten und Aufenthaltsorte zulassen würde. Der Arbeitgeber muss darüber hinaus garantieren, dass sämtliche intern weitergegebenen Daten für Drittpersonen unzugänglich sind.

Für die private Nutzung entwickelte Apps wie WhatsApp oder Facebook erfüllen diese Anforderungen nicht, sind für die berufliche Kommunikation ungeeignet und oft sogar rechtlich problematisch. Betriebsräte sollten also unbedingt darauf achten, dass neue Lösungen mit dem gesetzlichen Datenschutz konform sind. Auch eine Zertifizierung des Anbieters nach ISO ist ein Hinweis darauf, dass Datenschutz und Datensicherheit ernst genommen werden.

Hinweis: Kompetenz hilft gegen Angst

Die Digitalisierung der Arbeitswelt macht vielen Beschäftigten Angst. Daher sollten Sie den Arbeitgeber dazu auffordern, die Digitalkompetenz innerhalb der Belegschaft zu verbessern. Das geht nur durch Schulungen und Hilfestellung während und nach der Umstellung interner Arbeitsprozesse.

Binden Sie als Betriebsrat die Beschäftigten ein

Weisen Sie die Geschäftsführung darauf hin, dass sich nur dann ein langfristiger Erfolg bei der fortschreitenden Digitalisierung interner Arbeitsprozesse einstellt, wenn die Belegschaft eingebunden wird. Nur dann werden die Veränderungen akzeptiert und im Unternehmen auch gelebt. Das heißt konkret: Wenn der Arbeitgeber Abläufe digitalisieren möchte, steht an erster Stelle die frühzeitige und vollständige Information der Beschäftigten. Am besten sollten auch Ideen aus dem Kollegenkreis und Verbesserungsvorschläge genutzt werden.

Eckpfeiler Mitbestimmung und Datenschutz

Mitarbeiter-Apps fallen regelmäßig in den Geltungsbereich der erzwingbaren Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Danach muss der Betriebsrat mitbestimmen, wenn der Arbeitgeber den Einsatz technischer Einrichtungen plant, die zumindest dazu geeignet sind, die Mitarbeiter zu überwachen. Dies eröffnet einen großen Einfluss für das Gremium, denn damit kann die Interessenvertretung das Thema nicht nur auf die Tagesordnung setzen (Initiativrecht), sondern sogar den Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung erzwingen. Zusätzlich können je nach Prozessgestaltung weitere Mitbestimmungsrechte greifen (z. B. § 90 BetrVG). Außerdem gilt bei der Planung und beim Einsatz von Mitarbeiter-Apps natürlich dem Datenschutz besondere Beachtung: Die Beschäftigtendaten dürfen nur unter strenger Berücksichtigung der Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) erhoben und verarbeitet werden.

Expertentipp: Betriebsvereinbarungen müssen flexibel bleiben

Um das schnelle „Veralten“ der Betriebsvereinbarung zu verhindern, ist es sinnvoll, flexible Formulierungen einzubauen und betriebsinterne Lösungen zu finden, um mit diesen stetigen Weiterentwicklungen umzugehen. Denn oft basieren Mitarbeiter-Apps auf einer „Software-as-a- Service“-Lösung. Hier ist die Software nicht als Lizenzversion in die IT-Infrastruktur des Unternehmens integriert, sondern läuft in einer Cloud und damit im Rechenzentrum des Anbieters. Dieser spielt regelmäßige Updates ein, die dann automatisch in der Mitarbeiter-App wirksam werden und diese verändern.

Betriebsvereinbarung: nur maßgeschneiderte Lösungen helfen

Soll eine Mitarbeiter-App in Ihrem Betrieb eingeführt werden, ist es unerlässlich, dies mit einer Betriebsvereinbarung zu flankieren. So gelten verbindliche Regelungen und Konflikte werden vermieden. Das funktioniert jedoch nur, wenn die Vereinbarung die Besonderheiten und konkrete Situation des Betriebs beschreibt sowie individuell für die jeweiligen Bedürfnisse ausgehandelt wurde. Eine übernommene Muster-Vereinbarung ist meist nicht zielführend, weil sie zu allgemein gehalten und unpräzise ist. Möglicherweise werden hier Punkte geregelt, die für den spezifischen Betrieb nicht wichtig sind, und andere Aspekte, die wichtig wären, fehlen. Deshalb führt der Weg zum Erfolg nur über Verhandlungen der Betriebsparteien hin zu einer maßgeschneiderten Lösung.

Tragen Sie schnellen technischen Veränderungen Rechnung

Betriebsvereinbarungen sollen dauerhafte Stabilität und Klarheit bringen. Bei Themen wie Urlaubsgrundsätzen oder Überstunden funktioniert dies auch sehr gut – die Eckpfeiler sind jahrelang erprobt und bewährt. Wegen ihres geringen Veränderungs-bzw. Anpassungsbedarfs könnte man solche Betriebsvereinbarungen auch als „starr“ bezeichnen. Verträge, die sich mit der Digitalisierung beschäftigen, brauchen jedoch einen gewissen Spielraum für Veränderungen. Bei Mitarbeiter-Apps ist es zum Beispiel so, dass diese in der Regel von einem Software-Anbieter zur Verfügung gestellt werden. Dieser wird regelmäßig Updates und Funktionserweiterungen durchführen – ist die Betriebsvereinbarungen hier zu starr formuliert und kalkuliert sie solche Weiterentwicklungen nicht mit ein, ist sie schnell veraltet und damit unbrauchbar.

Die Autoren

Dr. Cristian Grossmann, Gründer & CEO Beekeeper AG. Bevor Cristian Grossmann Beekeeper 2012 gegründet hat,
arbeitete er als IT-Stratege für Accenture und betreute in diesem Rahmen mehrere große internationale Projekte.
www.beekeeper.de

Marco Holzapfel ist Mitbestimmungsloste und begleitet Betriebsräte und Arbeitgeber zeitgleich in Veränderungsprozessen. Er war in leitenden HR-Positionen in Unternehmen verschiedener Branchen
tätig und war auch selbst Betriebsrat.
www.betriebsdialog.de

Silke Rohde, Chefredakteurin von Betriebsrat KOMPAKT.

Autor*in: WEKA Redaktion