Shop Kontakt

KI am Arbeitsplatz: Spielräume für Mitbestimmung

Künstliche Intelligenz (KI) entwickelt sich in rasantem Tempo weiter und wird vor allem auch das Arbeitsleben immens verändern. Insbesondere in der Personalarbeit von Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen etwa bei der Personalgewinnung, bei Automatisierungsprozessen oder der internen Kommunikation kommt KI immer stärker zum Tragen. Aber wie können diese Prozesse sicher und in geregelten Bahnen ablaufen?

Junge Frau arbeitet an Laptop und denkt nach

Mit der Anwendung von KI gehen auch Risiken einher, was zum AI Act der Europäischen Union führte, dem rechtlichen europaweiten Rahmen für die Anwendung von KI. Dazu haben sich die beiden Arbeitsrechtsexperten Prof. Dr. Wolfgang Däubler, Universität Bremen i.R., und Dr. Ernesto Klengel, Wissenschaftlicher Direktor des Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeits- und Sozialrecht der Hans-Böckler-Stiftung, in einem Interview mit dem Bund-Verlag geäußert.

KI übernimmt großen Teil der geistigen Arbeit

KI kann im Arbeitsprozess einen beträchtlichen Teil der geistigen Arbeit übernehmen, so wie einst die Maschine ein großes Stück der körperlichen Arbeit ersetzt hat. Künstliche Intelligenz stütze sich auf „lernende Systeme“, die sich aufgrund ihres „Trainings“ und gemachter Erfahrungen weiterentwickeln. Auf die Frage, inwieweit der „AI Act“ der Europäischen Union dafür ein adäquates Mittel ist, antwortete Ernesto Klengel, dass die KI-Verordnung Leitplanken für die Nutzung von KI-Anwendungen im Betrieb setze. Dazu gehörten rechtliche Vorgaben, die in Zukunft in erster Linie von den Anbietern der Systeme sowie von deren Nutzerinnen und Nutzern, den Arbeitgebern, zu beachten seien. Beschäftigte und deren Interessenvertretungen könnten sich auf einige wichtige Bestimmungen berufen wie den Grundsatz, dass arbeitsrechtlich relevante Entscheidungen am Ende immer von einem Menschen getroffen werden müssten. Wichtig sei, dass die Beschäftigten und ihre Interessenvertretungen bei der Einführung und Anwendung von IT-Systemen beteiligt würden. Dafür kenne die KI-Verordnung ein umfassendes Auskunftsrecht.

Was die jeweilige KI kann und zu welchen Zwecken sie eingesetzt werden soll

Hinsichtlich der Rolle der Interessenvertretungen erklärte Wolfgang Däubler, dass die Einschaltung der betrieblichen Interessenvertretung in erster Linie dem Schutz der Beschäftigten diene. Dabei könne es um die Abwehr KI-gestützter Kontrolle gehen, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen der gesteigerten Verknüpfungsmöglichkeiten nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen zulässig sei. Meist gehe es aber nicht um Kontrolle, sondern um eine Veränderung der Arbeitsprozesse. Hier sei zunächst einmal zu klären, was die jeweilige KI kann und zu welchen Zwecken sie eingesetzt werden soll. Wichtig ist zudem, dass die Beschäftigten, die mit der KI umgehen, ausreichend qualifiziert sind. Wenn nicht, müssen sie sich entsprechend weiterbilden. Auch sollten Auffangmechanismen bestimmt werden, wenn die KI einen Teil der bisherigen Tätigkeiten übernimmt.

Spielräume für die Gremien

Auf die Frage, wie sich die unterschiedlichen Interpretationsspielräume bei den gesetzlichen Vorgaben zu KI auf die Mitbestimmung auswirken, erklärte Ernesto Klengel, dass die Nutzung von KI im BetrVG nicht ausdrücklich als Tatbestand der erzwingbaren Mitbestimmung aufgeführt sei. Dies biete einerseits Anknüpfungspunkte für die Arbeitgeberseite, um die Mitbestimmung bei konkreten Einsatzgebieten infrage zu stellen, aber auch Spielräume, die die Gremien nutzen könnten, um passgenaue Maßnahmen für die Beschäftigten anzuregen. Denn auch ohne eigenen KI-spezifischen Mitbestimmungstatbestand könne das Gremium häufig Mitbestimmungsrechte geltend machen, und sei es, weil KI-Systeme mit Beschäftigten interagieren und unweigerlich ihre personenbezogenen Daten verarbeiteten – und sich deshalb auch zur Überwachung und Leistungskontrolle eigneten. Das BetrVG gelte somit auch weiterhin neben der KI-Verordnung. Neben den Betriebsvereinbarungen könnten auch weitere Regelungen getroffen werden, die über die Vorgaben der KI-Verordnung hinausgehen. Eine Möglichkeit wäre es, strengere Vorgaben für den Einsatz von KI-Systemen im Unternehmen oder in der Institution zu formulieren.

Grundlegendes Verständnis von Technik erforderlich

Als besondere Herausforderungen im Hinblick auf KI sieht Klengel teilweise ganz neue und teils komplexe technische Fragestellungen, mit denen die Gremien konfrontiert seien. Sie müssten sich in technische Vorgänge einarbeiten, da sie zur Wahrnehmung ihrer Mitbestimmungsrechte ein grundlegendes Verständnis der Technik benötigen, nicht zwingend zu ihrer genauen Funktionsweise, aber über Anwendungsfragen, über die Verarbeitung von Beschäftigtendaten und darüber, wie valide die Ausgaben sind. Dabei muss sich nicht das gesamte Gremium das komplette Wissen erarbeiten, Arbeitsteilung ist hilfreicher. Darüber hinaus kann auch externe Expertise unterstützen. Die Mitglieder des Gremiums hätten außerdem Möglichkeiten, sich durch Schulungen fortzubilden, um auch nach der Einführung der KI-Anwendungen auf dem Laufenden zu bleiben.

Autor*in: Andrea Brill (Andrea Brill ist Pressereferentin und Fachjournalistin.)