27.11.2017

Betriebsräte beugen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz vor

Sexuelle Belästigung – nicht nur ein massives Problem, wenn man einen Job in Hollywood hat. Demgegenüber haben Arbeitsplätze in Deutschland einen Vorteil: hier beugen Betriebsräte mit Betriebsvereinbarungen wirksam vor. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, wie.

sexuelle Belästigung Arbeitsplatz

Hälfte der Beschäftigten mit entsprechenden Erfahrungen

Geschäftsführung Betriebsrat. Sexuelle Belästigung ist auch in deutschen Fabriken und Büros ein Problem.  Gut die Hälfte der Beschäftigten hat schon entsprechende Erfahrungen gemacht. Das belegt eine aktuelle Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Prof. Dr. Sabine Oertelt-Prigione, Professorin für Gendermedizin an der Universität Nijmegen, und Sabine Jenner, Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte an der Berliner Charité, haben in einem mehrjährigen Projekt an dem Krankenhaus untersucht, was Betriebsräte und Arbeitgeber gegen diesen Missstand tun können. Dafür werteten sie zusammen mit der Hans-Böckler-Stiftung 120 betriebliche Vereinbarungen aus öffentlichem Dienst, Industrie und Dienstleistung aus.

Gesundheitlich verheerend

Danach kann sich sexuelle Belästigung gesundheitlich verheerend auswirken. Die Symptome reichen von Depressionen oder Angstneurosen über Rückenschmerzen bis hin zu Herz-Kreislauf-Beschwerden. Nicht nur die unmittelbar Betroffenen hätten zu leiden. Das gesamte Betriebsklima sei gefährdet. Den Unternehmen entstünden erhebliche Kosten durch Fehlzeiten und Kündigungen.

Betriebliche Vereinbarungen

Als wichtiges Instrument im Umgang mit diesem Problem bewertet die Studie betriebliche Vereinbarungen. Sie schafften verbindliche Rahmenbedingungen und sorgten so für Transparenz und Handlungssicherheit. Voraussetzung sei aber ein Betriebsrat in dem jeweiligen Betrieb oder Unternehmen. Bei den Vereinbarungen komme es auf klare Informationen an, so die Expertinnen. Zu den entscheidenden Elementen gehöre eine präzise Definition von sexueller Belästigung. Sie empfehlen, die Definition des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes mitsamt den Beispielen zu übernehmen.

Vorbildfunktion Vorgesetzter

Ein weiterer wichtiger Punkt sei die Vorbildfunktion von Vorgesetzten. Diese sollten bei Bedarf aktiv einschreiten. Bei Pflichtverletzungen müsse man Konsequenzen für die Vorgesetzten vorschreiben. Nur bei 13 Prozent der untersuchten Vereinbarungen sei das der Fall. Allgemeine Verhaltensgrundsätze für Beschäftigte finden sich in 45 Prozent der ausgewerteten Dokumente, in der Regel in knapper Form.

Verhaltensregeln für alle Arbeitnehmer

Oertelt-Prigione und Jenner empfehlen ausführliche Verhaltensregeln für alle Arbeitnehmer, auch für Unbeteiligte, die Fehlverhalten wahrnehmen. Das fördere eine „Kultur des Hinschauens“. Bei den Rechten der Beschäftigten könnte ein Verweis auf den gesetzlichen Rahmen dazu beitragen, Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen und das Unrechtsempfinden zu stärken.

Strukturiertes Beschwerdeverfahren

Für dringend erforderlich halten die Expertinnen ein transparentes und strukturiertes Beschwerdeverfahren mit konkreten Ansprechpartnern. Niederschwellige Angebote wie anonyme Meldungen seien gerade bei ausgeprägten Hierarchien effektiv. Die Entscheidung, ob ein förmliches Beschwerdeverfahren eingeleitet wird, sollten dabei letztlich die Betroffenen fällen.

Regeln und Sanktionen

Wenn es tatsächlich zu einem solchen Verfahren kommt, zahlen sich der Studie zufolge klare Regeln und Sanktionen aus. Tatsächlich sieht fast die Hälfte der Vereinbarungen konkrete arbeitsrechtliche Folgen vor. Dabei sei es ratsam, auch auf den Schutz mutmaßlicher Täter hinzuweisen, solange ein Vorwurf sich nicht bestätigt hat. Ansonsten seien Pflichtfortbildungen für Vorgesetzte zum Thema sexuelle Belästigung, ein notweniges Instrument, das Arbeitnehmervertreter vehement einfordern sollten. Sie tauchten in 28 Prozent der ausgewerteten Texte auf.

Autor*in: Friedrich Oehlerking (Friedrich Oehlerking ist Journalist und Autor des Werkes Wirtschaftswissen für den Betriebsrat.)